„Die Bedeutung des Dokumentations- und Informationssenders ZDFinfo kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden“, sagt Fernsehrat Heiko Maas. Nach Ansicht des Außenministers a.D. sollte das ZDF mit seiner Info- und Doku-Marke auf Drittplattformen „nicht kleckern, sondern klotzen“.
#Fernsehrat: ZDFinfo verzeichnet in seinen wichtigen Kernzielgruppen einen Marktanteil von bis zu vier Prozent. Welchen Stellenwert hat der Dokumentations- und Informationssender damit auf dem deutschen Medienmarkt?
Heiko Maas: Die Bedeutung des Dokumentations- und Informationssenders ZDFinfo kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Das hat vor allem etwas damit zu tun, dass sich das Wesen der Informationsbeschaffung in unserer Gesellschaft vor allem in den letzten zehn Jahren massiv verändert hat. Durch die Digitalisierung können heute zu jeder Zeit auf sogenannten Sozialen Plattformen oder im Internet ganz allgemein Informationen abgerufen werden, auf deren Basis sich Menschen eine Meinung zu den unterschiedlichsten Themen bilden können. Das ist eigentlich etwas Positives. Vielfach wird man sogar mit Informationen versorgt, die man gar nicht gezielt abruft. Die Algorithmen der Plattformbetreiber entscheiden, was auf unseren Accounts erscheint und was nicht. Das machen sich aber auch viele zu Nutze, die Fake News vertreiben, oder aber ganz gezielt eigene Interessen verfolgen, die nichts mit der Vermittlung von Fakten zu tun haben. Im Rahmen des Ukraine-Krieges und auch des Gaza-Konfliktes sehen wir das gerade sehr stark. Gerade in solchen Situationen sind Menschen darauf angewiesen, auf Medien zum Faktenchecken zurückzugreifen. Medien, die dem Qualitätsjournalismus verpflichtet sind, die unabhängig informieren und nicht irreführen wollen. Das ist der Auftrag von ZDFinfo, und deshalb werden solche Angebote in Zukunft noch viel wichtiger werden. Und dem ZDF steht das insgesamt auch gut zu Gesicht.
#Fernsehrat: Die Inhalte von ZDFinfo verzeichnen hohe Reichweitenzuwächse auf Drittplattformen wie etwa über den YouTube-Kanal, TikTok oder Instagram. Wie bewerten Sie das Engagement des Hauses in diesem Bereich?
Maas: Es kommt gar nicht so sehr darauf an, ob man diese Plattformen mag oder nicht. Meine persönlichen Erfahrungen sind da eher zwiespältig. Aber es gibt sie und sie werden milliardenfach genutzt, vor allem von jungen Menschen. Und viele dieser jungen Leute nutzen sonst auch kaum noch was, zumindest kein lineares Fernsehen. Deshalb halte ich es nicht nur für legitim, sondern für zwingend erforderlich, dass auch ein Sender wie das ZDF auf solchen Drittplattformen innovativ unterwegs ist. Wir können doch nicht tatenlos mitansehen, wie andere das alles hemmungslos für ihre Zwecke und Profit nutzen und wir stehen daneben und schauen zu. Also, nicht kleckern, sondern klotzen. Wir haben beim ZDF auch für junge Leute viel zu bieten und wir sollten mit unseren Angeboten dorthin, wo junge Leute viel, leider viel zu viel Zeit verbringen.
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#Fernsehrat: Bei vielen Produktionen setzt ZDFinfo auf internationale Koproduktionen. Wie finden Sie das?
Maas: Internationale Koproduktionen sind doch schon fast alternativlos geworden. Sie sind wirtschaftlich sinnvoll und auch inhaltlich ein Gewinn, weil so auch ganz andere kulturelle, historische und auch ethnische Sichtweisen auf ein Thema eingebracht werden können. Dieser Weg sollte auf jeden Fall weitergegangen werden.#Fernsehrat: Bei den Programmakzenten setzt ZDFinfo nicht zuletzt Schwerpunkte auf die aktuellen internationalen Krisen und wichtige Debattenthemen in Deutschland. Auf welchen sonstigen Gebieten wünschen Sie sich inhaltliches Engagement des Senders?
Maas: Ehrlich gesagt, die internationalen Krisen und Konflikte werden uns leider weiter beschäftigen und sollten deshalb auch ein wichtiger Programmpunkt bleiben. Die Verunsicherung ist groß geworden in unserer Gesellschaft, weil es in vielen Regionen der Welt lichterloh brennt. Die Menschen brauchen Orientierung, um mit ihrem verlorengegangenen Sicherheitsgefühl umgehen zu können. Orientierung vermindert Ängste und damit auch die Gefahr, auf Entwicklungen irrational zu reagieren. Und der erste Schritt zu mehr Orientierung sind Informationen. Dazu können und sollten wir mit dem ZDF einen wichtigen Beitrag leisten.Zur Person: Heiko Maas, geboren am 19.09.1966 in Saarlouis/Saarland. Der Volljurist war von 1994 bis 2012 Mitglied des Saarländischen Landtages und gehörte zwei Landesregierungen an, einmal als Umweltminister, dann als Wirtschaftsminister. 2017 wurde er Bundestagsabgeordneter und war als Minister der Justiz und für Verbraucherschutz und danach als Außenminister tätig. Ende 2022 Niederlegung seines Bundestagsmandates und, seitdem ist er als Rechtsanwalt tätig. Heiko Maas ist Mitglied im Fernsehrat seit 12. Oktober 2022 als Vertreter des Bundes und hier seit September 2023 Mitglied im Programmausschuss Programmdirektion.