Mit den ZDF-Inhalten im gemeinsamen Streaming-Netzwerk von ARD und ZDF steht aus Sicht von Fernsehrätin Karin Haug „ein fast unüberschaubarer Schatz zur Verfügung, der gehoben werden will.“ Im Detail hat sie noch ein paar Wünsche.
#Fernsehrat: Das gemeinsame Streaming-Netzwerk von ARD und ZDF wurde in der Öffentlichkeit und auch medienpolitisch vielfältig diskutiert. Welche konkreten Entwicklungsschritte hat das gemeinsame Netzwerk in den vergangenen Wochen hingelegt und was haben Nutzerinnen und Nutzer davon?
Karin Haug: Das Streaming-Netzwerk kann seit dem Sommer senderunabhängig genutzt werden. Viele Rubriken wie Kultur, Verbraucher*innen oder Comedy bieten Empfehlungen aus über 111.000 Folgen ganzer Sendungen; die Bereiche Sport und Nachrichten bleiben bislang noch außen vor. Wer sich diesen Kosmos erschließen möchte, benötigt bloß eine Fernbedienung, denn die Angebote beider Partner können unmittelbar in den Mediatheken von ARD und ZDF abgespielt werden – mobil ist es sogar noch einfacher. Ich habe beispielsweise nach dem Stichwort EUROPEADA gesucht, das ist die Fußball-Europameisterschaft der Minderheiten, und wurde auf einen sorbischen MDR-Bericht hingewiesen. Das fand ich hilfreich und auch sehr beeindruckend, weil die regionalen Angebote der ARD eine sehr gute Ergänzung darstellen. Was mir angezeigt wird, ist abhängig von einer guten Verschlagwortung. Je besser die Inhalte erschlossen sind, desto treffsicherer ist das System. Ich würde mir wünschen, dass ich Rückmeldungen über die Treffsicherheit machen könnte, um das System beim Lernen zu unterstützen. Ein guter Nebeneffekt für alle, die nicht unbedingt ständig online sind, ist die Tatsache, dass funk-Beiträge gut in die Mediathek eingebunden sind. (Die Kritik von „Cinema strikes back“ hätte ich mir wohl besser vor dem Napoleon-Film angucken sollen, seufz).
#Fernsehrat: Das gemeinsame Netzwerk gibt den Nutzerinnen und Nutzern die Möglichkeit, in den gesamten deutschen und zunehmend auch internationalen öffentlich-rechtlichen Kosmos einzusteigen. Finden sich die ZDF-Inhalte hier gebührend wieder und wie eigenständig kann die ZDFmediathek in diesem Kosmos sein?
Haug: Im zuständigen Ausschuss konnten wir einen Blick in die Werkstatt des Senders werfen. Mit den mehr als 111.000 ZDF-Angeboten stehen mehr als 55.000 Stunden an ZDF-Inhalten im Rahmen des Streaming-Netzwerks zur Verfügung, wurde uns mitgeteilt. Das entspricht einem Fünftel der Inhalte . Somit steht ein fast unüberschaubarer Schatz zur Verfügung, der gehoben werden will. Das kommt auch gut an, wie uns mitgeteilt wurde; die Views sind seit dem Sommer gestiegen. Die ZDF-Inhalte werden in der ZDFmediathek oben platziert, was mit den anderen Beteiligten im Konsens verabredet wurde. Die Marke ZDF hat damit eine sehr gute Chance, ihr vor allem von jungen Nutzer*innen unterstelltes, verstaubtes Image zu modernisieren.
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#Fernsehrat: Wie schätzen sie die Personalisierungsstrategie und die derzeitige Empfehlungslogik in den Mediatheken ein?
Haug: Ich habe den Eindruck gewonnen, dass das ZDF um Transparenz und Einfachheit bei allen technischen Innovationen bemüht ist – auch der Austausch mit senderexternen Expert*innen wird aktiv gepflegt. Damit zeigt dieses Beispiel die Stärken des öffentlich-rechtlichen Systems, das durch seine Offenheit besticht bzw. bestechen kann. Die neuen „Zapping“-Kanäle der ZDFmediathek habe ich selbst schon ausprobiert. Auf zwei persönlichen Kanälen werden mir interessante Angebote gemacht; elf weitere Kanäle zu redaktionell ausgewählten Themen, wie z.B. „Natur und Wildnis“, werden inhaltsbasiert über Algorithmen gesteuert. Bis auf ein paar Kinderkrankheiten läuft dieses neue Angebot gut. Ich begrüße es aber ausdrücklich, dass die Mediathek auch weiterhin ohne Login funktioniert.
#Fernsehrat: Was wünschen Sie sich persönlich von dem gemeinsamen Streaming-Netzwerk?
Haug: Ich persönlich möchte das Netzwerk wie ein öffentlich-rechtliches YouTube nutzen: also anhand eines Stichwortes oder einer gezielten Suche auf interessante Inhalte kommen. Dazu muss die Suchfunktion noch besser werden (mein heimisches WLAN übrigens auch). Der Bildschirm an der Wand könnte ein Computer mit exzellenten visuellen Inhalten sein. Das klappt aber (noch) nicht. Allerdings bin ich mir nicht sicher, wie viele Nutzer*innen die mobile Version des Streaming-Netzwerkes nutzen (wie ich übrigens auch). Vor allem möchte ich aber direkt beim Abspielen kommentieren und mit anderen kommunizieren; oder auch Fehler anmerken. Das muss möglich sein; und zwar nicht nur, weil es die Nutzer*innen von anderen Plattformen so gewohnt sind, sondern auch, weil das ein wichtigen Beitrag zu einer demokratischen Debattenkultur wäre. Das Login sollte die Nutzung von ZDF-Inhalten auch außerhalb Deutschlands möglich machen. Warum ich im Urlaub im europäischen Ausland keine ZDF-Inhalte der Mediathek nutzen kann, die ich mit meinem Beitrag finanziert habe, werde ich wohl nie verstehen.
Zur Person: Karin Haug wohnt in Flensburg und arbeitet in Bredstedt für Friisk Foriining. Die Friesin vertritt die Regional- und Minderheitensprachen im Fernsehrat und ist Mitglied im Ausschuss Telemedien und Programmausschuss Partnerprogramme.