„Im Bereich der Onlineberichterstattung stellen sich die Öffentlich-Rechtlichen bewusst der Konkurrenz der außereuropäischen Plattformen“, konstatiert Fernsehrätin Christiane Schenderlein. Für die Zukunft hat sie klare Vorstellungen.
#Fernsehrat: Das gemeinsame Streaming-Netzwerk von ARD und ZDF wurde in der Öffentlichkeit und auch medienpolitisch vielfältig diskutiert. Welche konkreten Entwicklungsschritte hat das gemeinsame Netzwerk in den vergangenen Wochen hingelegt und was haben Nutzerinnen und Nutzer davon?
Christiane Schenderlein: Im Bereich der Onlineberichterstattung stellen sich die Öffentlich-Rechtlichen bewusst der Konkurrenz der außereuropäischen Plattformen. Vor diesem Hintergrund ist die verstärkte Kooperation zwischen ARD und ZDF beim Streaming-Netzwerk zu begrüßen, dieser Schritt war im Grunde überfällig. Das Streaming-Netzwerk ermöglicht es den Nutzerinnen und Nutzern die Inhalte der Mediatheken von ARD und ZDF im jeweils anderen Angebot zu finden und direkt dort abzuspielen, wo sich die Nutzerinnen und Nutzer gerade aufhalten. In nahezu allen Genres empfehlen ARD und ZDF unterhalb eines abgespielten Videos passende Inhalte aus beiden Mediatheken. Erweitert wird das Netzwerk durch Inhalte von ARTE, phoenix, funk sowie 3sat. Durch das Streaming-Netzwerk können ARD und ZDF, ihrem Publikum also eine deutlich größere Auswahl an Inhalten anbieten, was mehr Vielfalt und Breite bedeutet. Der Zugriff auf mehr Inhalte erlaubt zudem eine zielgerichtetere und damit bessere algorithmische Ausspielung.
#Fernsehrat: Das gemeinsame Netzwerk gibt den Nutzerinnen und Nutzern die Möglichkeit, in den gesamten deutschen und zunehmend auch internationalen öffentlich-rechtlichen Kosmos einzusteigen. Finden sich die ZDF-Inhalte hier gebührend wieder und wie eigenständig kann die ZDFmediathek in diesem Kosmos sein?
Schenderlein: Es ist richtig, wenn nahezu alle Inhalte des jeweils anderen in den Mediatheken von ARD und ZDF zu finden sind. Gleiches gilt für die Kooperation im Bereich des Empfehlungsalgorithmus und des technischen Ausbaus. Dennoch sollten auch hier die Stärken gestärkt werden. Darüber hinaus würde ich mir eine Fokussierung des ZDF auf die nationale Berichterstattung wünschen, während die ARD den Fokus auf das regionale Programm legen sollte. Diese Unterscheidung würde maßgeblich zur Profilschärfung der beiden Anstalten beitragen.
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#Fernsehrat: Wie schätzen Sie die Personalisierungsstrategie und die derzeitige Empfehlungslogik in den Mediatheken ein?
Schenderlein: Im Mittelpunkt der ARD-Mediathek sollten vor allem die Inhalte der Landesrundfunkanstalten stehen. Wer zum Beispiel von Sachsen aus die ARD-Mediathek aufruft, sollte auf der Startseite prominent die Inhalte des MDR über Sachsen finden. Das bedeutet, der Empfehlungsalgorithmus ist so zu programmieren, dass regionale Inhalte aktiv angeboten werden. Das wäre ein eindeutiger Mehrwert eines öffentlich-rechtlichen Algorithmus, der unbedingt aus Deutschland kommen sollte. In Abgrenzung zur gemeinsamen Mediathek der Landesrundfunkanstalten sollte die Mediathek des ZDF klar den nationalen Auftrag zur Richtschnur haben.#Fernsehrat: Was wünschen Sie sich persönlich von dem gemeinsamen Streaming-Netzwerk?
Schenderlein: Es gilt, im Bereich der Infrastruktur zügig weiterzuarbeiten, um nicht vollkommen von ausländischen Anbietern abhängig zu sein und eine deutsche und mittelfristig idealerweise europäische Antwort auf die Herausforderungen durch die großen Plattformen in den USA und China zu finden. Um im internationalen Wettbewerb gegen die außereuropäische Konkurrenz zu bestehen, bietet sich perspektivisch beim Streaming-Netzwerk von ARD und ZDF eine Zusammenarbeit mit dem österreichischen ORF und dem Schweizer SRG an. Damit könnten Kräfte gebündelt und der gesamte deutschsprachige Bereich innerhalb Europas ausgeschöpft und gleichzeitig der Nukleus für eine europäische Infrastruktur geschaffen werden, die unserer Demokratie, unserer Verfassung und unseren Werten dient. Eine so weiterentwickelte deutschsprachige Informations- und Medienplattform müsste den Wettbewerb mit außereuropäischen Anbietern nicht scheuen. Sie könnte ein wichtiger Teil der deutschen und europäischen Antwort auf die Herausforderungen durch die amerikanischen und chinesischen Plattformen sein.Zur Person: Dr. Christiane Schenderlein vertritt seit 2020 den Freistaat Sachsen im ZDF-Fernsehrat. Die 40-jährige promovierte Politikwissenschaftlerin gehört dem Deutschen Bundestag an und war zuvor Mitglied des Sächsischen Landtags. Im Fernsehrat ist sie Stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Finanzen, Investitionen und Technik sowie Mitglied im Ausschuss Telemedien und im Ausschuss für Strategie und Koordinierung.