Meine sehr geehrten Damen und Herren,
im zuständigen Ausschuss habe ich das Video kurz nach Veröffentlichung eingespielt: Da steht Christian Sievers im Original „heute journal“-Studio und macht minutenlang Werbung für ein dubioses Finanzprodukt. Natürlich waren daran weder das ZDF noch Christian Sievers beteiligt. Das Video ging dennoch viral, wurde x-fach im Netz geteilt. Der Auftritt wurde mit KI gefälscht – in Bild und Ton täuschend echt und für den Laien kaum zu erkennen. Ähnliche Fälle – sogenannte Deep Fakes – gab es schon bei unserer Kindernachrichtensendung „logo“ und neulich auch bei der „tagesschau“. Wir haben schnell reagiert und die Dinge richtig gestellt.
Aber es sind Beispiele dafür, was man mit Künstlicher Intelligenz anstellen kann. Wir berichten über diese Fälle im Programm, um aufzuklären und zu warnen. Wir zeigen, woran man solche Deepfakes erkennen kann und vermitteln so Mediennutzungskompetenz, die insbesondere für jüngere Menschen, die permanent Webvideos konsumieren, immer wichtiger wird.
‚Chat-GPT‘ führt der Welt beispielhaft vor Augen, wie rasant die Entwicklung voranschreitet. Und dabei stehen wir gerade erst am Anfang. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz wird und hat bereits massiv Auswirkung auf Gesellschaft, Politik und Wirtschaft. Aber auch auf Kommunikation und Medien.
Wenn es immer schwerer wird, zwischen Fakten und Fälschung zu unterscheiden, werden Vertrauen und Glaubwürdigkeit immer wichtiger – das gilt ganz besonders für uns. Die Gegner von offenen Gesellschaften können mit KI schnell und massenhaft Fake-News und auch Hetze verbreiten. Bei den Wahlen im nächsten Jahr in den USA, in Europa und auch bei uns in Deutschland werden wir erleben, wie die neuen Möglichkeiten zur Desinformation eingesetzt werden. Hier ist die Demokratie am verwundbarsten.
Unsere journalistische Wahlberichterstattung, die den Bürgerinnen und Bürgern dabei helfen soll, sich unabhängig eine eigene, faktenbasierte Meinung zu bilden, gewinnt so noch zusätzlich an Bedeutung. Unsere Redaktionen müssen mit ihren Recherchen und Faktenchecks Manipulationen und Fake-News aufdecken. Unsere Aufgabe ist es aufzuzeigen, was mit Fakten zu belegen ist, wo Zweifel angebracht sind und was schlicht gelogen und gefälscht ist. Unser Job ist es, den Menschen dabei zu helfen, Informationen und ihre Quellen einordnen zu können.
Dafür müssen wir uns im ZDF fit machen im Umgang mit Künstlicher Intelligenz und uns gleichzeitig der Risiken bewusst sein. Dafür haben uns früh auf Grundsätze für den Umgang mit KI verständigt. Wenn wir selbst KI redaktionell einsetzen, muss das, wo journalistisch geboten, transparent gemacht werden.
Dafür investieren wir in unsere Redaktionen, aber auch in Technologie, die dabei hilft, Fakten zu prüfen und Fälschungen zu erkennen.
Um dem Missbrauch von KI wirksam begegnen zu können, brauchen wir auch selbst intelligente, lernende Software. Wir entwickeln und testen schon länger Einsatzmöglichkeiten, etwa bei der Personalisierung der Mediathek, in der Programmplanung oder auch im digitalen Archiv. Es gibt schon ein Team von Expertinnen und Experten im Haus, und wir gründen gerade ein Unternehmen im ZDF-Verbund, bei ZDF-Studios - das selbst neue Anwendungen entwickeln wird und damit unabhängig von internationalen Firmen agiert.
KI ist nur ein aktuelles Beispiel dafür, wie Digitalisierung und gesellschaftliche Entwicklungen das ZDF vor immer neue Herausforderungen stellen. Wir müssen investieren – in neue Technik und in Personal. IT-Expertinnen und -Spezialisten – das kennen Sie alle – sind schwer zu finden. Erst recht, wenn nur tariflich vergütet wird.
Das alles – die digitale Transformation des ZDF, unseren Strategieprozess – mit einem am Ende ausgeglichenen Haushalt zu realisieren, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Dahinter stehen enorme Anstrengungen.
Um es deutlich zu sagen: Das ZDF hat bei der jüngsten KEF-Anmeldung für diese Herausforderungen keine zusätzlichen Mittel beantragt. In der laufenden Beitragsperiode stemmen wir diesen Change-Prozess aus dem Bestand - in allen Bereichen des Hauses: in den Redaktionen, in Produktion und Technik und auch in der Verwaltung. Unsere Kolleginnen und Kollegen leisten dabei Herausragendes.
Und ich brauche hier nicht noch einmal zu betonen, wie anspruchsvoll die aktuelle Großwetterlage ist: nach einer Pandemie, Krieg im Osten Europas, der Populismus auf dem Vormarsch und die Eskalation in Nahost.
Deshalb meine Bitte: Sehen und Wertschätzen Sie diese Arbeit meiner Kolleginnen und Kollegen. Markieren Sie auch in der Öffentlichkeit, dass das ZDF alles tut, um sich den Herausforderungen zu stellen, sich zu reformieren, auf die Zukunft vorzubereiten und dabei sind wir wirtschaftlich und sparsam!
Wir haben die Corona-Mehrkosten erwirtschaftet, wir fangen die inflationsbedingten und branchenspezifischen Preissteigerungen auf. Wir haben einen äußerst maßvollen Tarifabschluss, der uns im Vorfeld die ersten Streiks in der Geschichte des ZDF eingebracht hat. Wir haben in allen Direktionen Reformprojekte identifiziert, überprüfen Prozesse und Strukturen und modernisieren und verschlanken, wo es möglich ist. Wir analysieren unsere Planungen, die Einkaufs- und Vertriebsstrategien, um finanzielle Spielräume für strategisch notwendige Maßnahmen zu schaffen. Wir arbeiten mit der ARD an vielen Stellen eng zusammen: Bei den großen Sport-Events und beim gemeinsamen Streaming-Netzwerk.
Ich verstehe, dass man von außen betrachtet, die Frage stellt, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht mit dem gleichen Beitrag oder sogar weniger auskommen könnte.
Aber dann muss man auch die Frage nach dem Umfang des Auftrags stellen, den der Gesetzgeber festgelegt hat und dem wir verpflichtet sind. Das KEF-Verfahren, das aktuell überall im europäischen Kontext als Vorbild herangezogen wird, geht von diesem gesetzlichen Auftrag aus. Auf der Basis prüft die KEF sehr kritisch, wieviel Budget dafür nötig ist. Im Entwurf für die nächste Beitragsperiode ab 2025 hat das Gremium Abstriche an den Anmeldungen in einer Größenordnung gemacht, wie es sie bisher noch nie gab. Wenn es dabei bleibt, bedeutet das weitere erhebliche Einsparungen und Reduzierungen im Programmangebot.
Dabei bewegen wir uns in einem Markt, auf dem der Wettbewerbsdruck unverändert hoch ist. Einbußen gibt es wegen der schwachen Konjunktur bei der Werbung. Das trifft vor allem die privaten Medien, aber auch uns.
Trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen steht das ZDF mit seinen Programmen weiter sehr gut da. Das lineare Fernsehen, man muss es immer mal wieder sagen, ist mit einer täglichen Reichweite von 64 Prozent immer noch das stärkste Medium. Die Deutschen schauen im Schnitt rund 3 Stunden täglich lineares Fernsehen. Und auf dem Feld sind wir der mit Abstand erfolgreichste Player, weit vor der ARD und den immer schwächer werdenden Privaten. In allen 16 Bundesländern steht das Zweite auf Platz Eins. Übrigens: Auch beim jüngeren Publikum legt das ZDF zu. Bei den 14- bis 59-Jährigen sind wir im November Marktführer – und lösen damit RTL ab. De facto konnten wir uns in allen Alternsgruppen deutlich steigern – auch und insbesondere bei den Jüngeren.
Wahr ist aber auch: Die Verschiebung vom linearen Fernsehen hin zur nonlinearen Nutzung setzt sich fort. Unser wichtigster Verbreitungsweg dort ist die Mediathek, beziehungsweise das gemeinsame Streaming-Netzwerk zusammen mit der ARD. Mit der Verbindung der beiden Mediatheken werden rund 55 Prozent der Bevölkerung erreicht. Das liegt auf Augenhöhe mit den großen internationalen Streaming-Plattformen.
Auch das ist wichtig: Unabhängige Studien zeigen, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk bringen die Menschen weiterhin das größte Vertrauen entgegen, gefolgt von den Qualitätszeitungen. Das gilt übrigens für alle Altersgruppen und auch für Ost- und Westdeutschland.
Zu den Phänomenen unserer Zeit gehört, dass unabhängige Medien und öffentlich-rechtliche Anbieter weltweit zur Zielscheibe von Gegnern der Demokratie werden. Bitte nicht missverstehen: Natürlich stellen wir uns jeder Kritik. Auch wir machen hin und wieder Fehler und werden dafür dann zu Recht (auch von Ihnen) kritisiert. Mir geht es hier um das ganze Bild: Denn unabhängige Medien – das läuft den Interessen der Antidemokraten diametral entgegen. Sie sind an einer möglichst ausgewogen informierten Öffentlichkeit nicht interessiert. Sie schüren Misstrauen gegen etablierte Medien, damit sie Fake-News und Hetze ungestört verbreiten können.
Um dem entgegen zu wirken, will die EU den Media-Freedom-Act verabschieden. Darin werden Regeln für einen starken, unabhängigen und bedarfsgerecht finanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk definiert. Auch eine Entwicklungsgarantie ist vorgesehen.
Das ist gut und stärkt die Demokratien in Europa.
In Deutschland haben wir bereits einen von Gesetzgebung und Verfassungsrecht gut abgesicherten unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Den wird das Land in Zukunft brauchen: Die politischen, ökonomischen und ökologischen Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind gravierend. Eine offene Gesellschaft braucht Dialog und Austausch, Streit und Verständigung. Sie braucht Medien, die Menschen miteinander verbinden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ZDF setzen sich mit Leidenschaft genau dafür ein: erklären, berichten, überprüfen, informieren und auch unterhalten. Wir wollen die erste Adresse sein für glaubwürdige, unabhängige, verlässliche, verständliche Information. Dafür müssen wir unsere Reichweite in die Gesellschaft ausbauen, vor allem jüngere Menschen wieder besser erreichen.
Wie wir das anpacken, darüber habe ich Ihnen in den letzten anderthalb Jahren regelmäßig berichtet.
Kernziel des Strategieprozesses „Ein ZDF für alle“ ist es, Akzeptanz und Vertrauen zu steigern. Wir schichten 100 Millionen Euro um - vor allem für neue Angebote im Netz. Um damit wieder bei Menschen anzukommen, die uns kaum noch oder nicht mehr nutzen. Wir stellen – im stetigen Austausch mit Ihnen – Weichen für die Zukunft und bereiten uns auf die wachsenden Herausforderungen im Wettbewerb vor. Beim Blick auf das nächste Haushaltsjahr sieht man jetzt deutlich, wie aus dem abstrakten Begriff ‚Umschichtungen‘ konkretes Programm wird. Unser Ziel: Durch eine kluge Erweiterung der Genrevielfalt – etwa im Bereich von fiktionalen High-End-Serien, die in erster Linie für die Mediathek produziert sind – neue, jüngere Publika erreichen und für unser Programm begeistern.
Neben attraktiven Programmen braucht es, um ein ‚ZDF für alle‘ zu sein, auch eine zeitgemäße Kommunikation. Dafür setzen wir auf einen regelmäßigen Austausch mit dem Publikum. Unsere neue Plattform ‚ZDFmitreden‘ wächst schneller als erwartet. Auf mittlerweile gut 40 Tausend Menschen, die sich an regelmäßigen Befragungen beteiligen. Für das Panel haben wir nicht nur Stammpublikum, sondern ganz gezielt auch Menschen angeworben, die wir sonst nicht erreichen.
Nach meiner kurzen Skizze der Rahmenbedingungen, die auch die Budgetplanungen beeinflussen, noch ein paar Worte zum Programmangebot. Wir haben geliefert in diesem Jahr: Vielfalt und Qualität in allen Segmenten. Belohnt wurde das mit Quoten und vielen Preisen. Es gab große Fiktion wie ‚Der Schwarm‘ oder ‚Gestern waren wir noch Kinder‘. Packende Sportübertragungen wie die erfolgreichen ‚Invictus Games‘ im Sommer oder die Fußball-WM der Frauen in Australien und Neuseeland. Wir berichten umfassend aus den Kriegs- und Krisengebieten in der Ukraine und in Israel. Menschen, die von den multiplen Krisen zunehmend erschöpft sind, finden Entspannung bei uns, sei es mit dem Bergdoktor, oder einer großen Show wie dem Abschied von Thomas Gottschalk bei „Wetten, dass..?“. Und wir haben in unserem Jubiläumsjahr auch zurückgeblickt auf 60 Jahre ZDF – und dabei ein Stück bundesrepublikanische Geschichte in unseren Programmen gefeiert. Feiern konnten wir in diesem Jahr auch die meisten Deutschen Fernsehpreise und die meisten Grimme-Preise aller Anbieter in Deutschland.
Jetzt blicken wir erwartungsvoll auf 2024. Viele neue Angebote für Mediathek und Netz. Natürlich werden wir weiter berichten über die Krisen dieser Welt. Über Politik, Wirtschaft, Klima. Mit unseren Studios und den Reporterinnen und Korrespondenten im In- und Ausland. Wir werden über die Europawahl und die US-Wahl genauso berichten wie über die anstehenden Landtagswahlen.
24 ist ein gerades Jahr und damit ein Jahr mit den ganz großen Sport-Events. Die Fußball-Europameisterschaft im eigenen Land – verbunden natürlich mit der Hoffnung auf ein erstarkendes National-Team. Und endlich wieder Olympische Spiele in Europa, in Paris.
Wir werden auch weiterhin Stoffe für Entspannung und Erholung mit Anspruch bieten: Comedy, Filme, Serien, Shows. Einer der fiktionalen Highlights des kommenden Jahres wird die sechsteilige Serie „Concordia“, die uns mitnimmt in einen Überwachungsstaat, in dem die persönlichen Daten seiner Bürgerinnen und Bürger komplett transparent gemacht werden. Sie merken, hier werden fiktional brandaktuelle Fragen verhandelt…
Schon im Februar wird es mit „Die letzten Tage von Marinka“ eine Dokumentation von Fernsehpreis-Träger Arndt Ginzel über den Schrecken, das Leid, aber auch die Hoffnung der Menschen im Krieg in der Ukraine geben. Und: Natürlich werden wir uns auch mit Programmschwerpunkten den Jahrestagen der Bundesrepublik und DDR widmen – und damit auf unsere gemeinsame Geschichte zurückblicken und versuchen, Brücken zu schlagen zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Im besten öffentlich-rechtlichen Sinne.
An dieser Stelle ein paar Impressionen aus den Werkstätten des Programms.
- Programm Trailer -
Ich hoffe, der Trailer weckt auch bei Ihnen die Vorfreude auf das neue Programmjahr. Vor dem Vergnügen aber liegt die Arbeit. Was denn auch die Überleitung wäre zum Haushaltsplan 2024, der die Grundlage ist, für all das, was wir dem Publikum anbieten können.
Der Ihnen vorliegende Haushalt ist der letzte in der laufenden Beitragsperiode. Wie die vorherigen Haushalte entspricht auch der vorgelegte Entwurf den Vorgaben der KEF. Er ist die Fortsetzung der soliden Finanzpolitik des ZDF und bildet den bedarfsgerechten Abschluss der aktuellen Beitragsperiode.
Die Sonderrücklagen I und II, die sich in den letzten Beitragsperioden aus der Umstellung von der Gebühr auf den Beitrag ergeben hatten, werden in der zu Ende gehenden Beitragsperiode planmäßig - wie mit der KEF und den Ländern besprochen - aufgelöst. Entsprechend der gesetzlichen Vorgaben und der Absprachen mit der KEF führen wir die aktuellen Mehreinnahmen aus dem Beitrag einer neuen Rücklage zu. Die KEF berücksichtigt diese Rücklage bei ihren Kalkulationen für die nächste Beitragsperiode.
Für die kommende Beitragsperiode haben wir eine maßvolle Anmeldung abgegeben, die unterhalb der Inflationsrate liegt und damit ein reales Minus beinhaltet. Die KEF wird ihren Bericht im kommenden Frühjahr den Ländern übergeben. Dann ist es Aufgabe der Landesregierungen und der Parlamente, über die Empfehlung der KEF zu beraten und gemeinsam zu beschließen. Ich vertraue darauf, dass sich die Länder an das von Ihnen selbst festgelegte Verfahren und die verfassungsrechtlichen Vorgaben halten werden.
Herr Sommer wird Ihnen gleich von den Haushaltsberatungen des Verwaltungsrats berichten. Anschließend wird Herr Dr. Joachim Sie über die Haushaltsberatungen des Ausschuss für Finanzen, Investitionen und Technik des Fernsehrates unterrichten.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und möchte Sie bitten, dem Haushalt für 2024 Ihre Zustimmung zu erteilen.