Schadenersatz von Wirecard: Ist da noch was zu holen?
Schadenersatz von Wirecard:Ist da für Anleger noch was zu holen?
von Peter Aumeier
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Erst Börsenstar, dann Pleitefall. An diesem Freitag beginnt ein weiterer Prozess rund um Wirecard. Diesmal geht es um die Frage: Können geschädigte Aktionäre auf Geld hoffen?
Tausende Anleger von Wirecard wollen Geld zurück: Am Freitag startet ein Musterprozess.
Quelle: picture alliance / Sven Simon
Es ist ein Zivilprozess, der an diesem Freitag um 10 Uhr in München-Riem beginnt. Und in dem es um Schadenersatz geht. Soweit, so normal.
Einer der größten Zivilprozesse in Deutschland
Doch das Verfahren sprengt nahezu alle Dimensionen. Zum Verhandlungsauftakt für einen der größten Zivilprozesse in Deutschland hat das Bayerische Oberste Landgericht in die historische Wappenhalle eingeladen, der ehemalige Empfangshalle des alten Münchner Flughafens:
Das 700 Quadratmeter große denkmalgeschützte Gebäude aus den 30er-Jahren reicht rund elf Meter in die Höhe. Eine "Eventlocation", die man mieten kann. Auch als Gerichtssaal.
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Kläger fordern über acht Milliarden
Für den ersten Prozesstag ist das Gericht für bis zu 400 Personen eingerichtet. Unter den Beteiligten sind allein rund 75 Rechtsanwaltskanzleien, die Geschädigte anwaltlich vertreten. Insgesamt fordern rund 50.000 ehemalige Wirecard-Aktionäre über acht Milliarden Euro Schadenersatz.
Angeklagt sind ein knappes Dutzend Personen und Unternehmen: So der ehemalige Wirecard-Vorstand Markus Braun, aber auch die Kapitalprüfungsgesellschaft EY, besser bekannt unter dem Namen Ernest & Young. Über Jahre war es die Aufgabe von EY, die Bilanzen von Wirecard zu prüfen. Diese Prüfung, so der Vorwurf, sei fehlerhaft gewesen.
Am 18. Juni 2020 brach der DAX-Konzern Wirecard zusammen: Die Fin-Tech-Hoffnung aus Aschheim bei München, lange Zeit der Star an der Börse, meldete Konkurs an. Damals war aufgeflogen, dass dem Konzern auf Treuhandkonten in Asien vermutete 1,9 Milliarden Euro fehlten.
Viele Kleinanleger verloren daraufhin ihr Erspartes, Fondmanager ihre Reputation und die Finanzaufsicht Bafin ihre Glaubwürdigkeit. Die Wirecard-Pleite erschütterte den Finanzplatz Deutschland.
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Erst mal ein Musterverfahren
Auch der Prozess selbst ist außergewöhnlich: So wird nach dem Kapital-Musterverfahrensgesetz, kurz KapMugG, verhandelt. Ein Wort, das nur eingefleischten Juristen locker über die Lippen geht. Kern des Verfahrens ist, dass nur der Fall eines sogenannten Musterklägers verhandelt wird. Die anderen eingereichten Schadensersatzklagen - laut Bayerischem Obersten Landgericht derzeit rund 8.500 - werden solange "ausgesetzt".
Erst wenn im Musterverfahren zugunsten des Musterklägers entschieden würde, wäre klar, dass die Angeklagten haften. Erst dann können die ehemaligen Anleger individuell ihre Entschädigungsklagen einreichen.
Müssen die Wirtschaftsprüfer haften?
Der Münchner Rechtsanwalt Peter Mattil, der rund 2.000 Mandanten in dieser Sache vertritt, sagt:
Der Fachanwalt für Bank- und Kapitalrecht ist überzeugt, dass er in diesem Prozess den Nachweis erbringen kann, dass die Wirtschaftsprüfer Fehler machten und somit für Schadenersatz haften.
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Einer seiner Mandanten ist Gunther Holzschuh; ein Wirecard-Aktionär, der sich auf die Aussagen der Wirtschaftsprüfer verließ. Beim Börsencrash der Aktie verlor er mehr als 20.000 Euro. Er sagt:
Er und auch alle anderen Prozessbeteiligten stellen sich darauf ein, dass der Prozess Jahre dauern kann.
Strafprozess läuft parallel
Parallel zu diesem Zivilprozess wegen Entschädigung läuft seit knapp zwei Jahren der Strafprozess gegen Ex-Vorstand Markus Braun, den Ex-Manager Oliver Bellenhaus und den ehemaligen Chefbuchhalter Stephan von E.. Der Vorwurf hier: Bilanzfälschung, Marktmanipulation, Bandenbetrug und Untreue.
Der Verhandlungsort: ein fensterloser Hochsicherheitsgerichtssaal in der Justizvollzugsanstalt München-Stadelheim, rund zehn Kilometer Luftlinie vom nun beginnenden Zivilprozess entfernt.
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