Mindestlohn: Merz kontra Klingbeil - und nun?

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Schwarz-roter Koalitionsvertrag:Mindestlohn: Merz kontra Klingbeil - und nun?

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Die SPD verspricht 15 Euro Mindestlohn, CDU-Chef Merz sieht da "keinen Automatismus". Wie wird der Mindestlohn festgelegt und was genau steht im Koalitionsvertrag? Ein Überblick.

Friedrich Merz (L) und Lars Klingbeil
Eine Mindestlohnsteigerung auf 15 Euro im kommenden Jahr sei nicht sicher, sagt der CDU-Vorsitzende Merz und widerspricht damit SPD-Chef Klingbeil.13.04.2025 | 0:24 min
Kaum ist der Koalitionsvertrag von Union und SPD vorgestellt, rüttelt CDU-Chef Friedrich Merz an einem zentralen Versprechen der Sozialdemokraten: Es gebe keinen Automatismus, dass der gesetzliche Mindestlohn 2026 auf 15 Euro steige, bremst Merz in einem Interview der "Bild am Sonntag". Damit widerspricht er SPD-Chef Lars Klingbeil - der hatte noch am Donnerstag gesagt: "Der Mindestlohn wird im Jahr 2026 auf die 15 Euro steigen, die wir haben wollen." Derzeit beträgt der Mindestlohn 12,82 Euro pro Stunde.
So ist der Mindestlohn gestiegen

ZDFheute Infografik

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Wie geht es denn nun mit dem Mindestlohn weiter? Dabei hilft ein Blick darauf, wie der Mindestlohn festgelegt wird, zu welchen Zahlen das Hans-Böckler-Institut kommt und was die Arbeitgeber von Vorgaben halten. Ein Überblick:
Markus Söder, Friedrich Merz, Lars Klingbeil und Saskia Esken stehen nebeneinander und geben eine Pressekonfernenz
Kürzlich stellten Union und SPD ihren Koalitionsvertrag vor. Für die SPD steht der Mindestlohn von 15 Euro ab 2026 fest. CDU-Chef Merz stellt das in Frage.14.04.2025 | 1:27 min

Wer legt den Mindestlohn fest?

Seit der Einführung des Mindestlohns im Jahr 2015 mit 8,50 Euro pro Stunde ist eine Kommission dafür zuständig, die jährlichen Erhöhungen festzulegen. Sie setzt sich neben einem Vorsitzenden aus je drei Vertretern von Gewerkschaften und Arbeitgebern sowie zwei beratenden Wissenschaftlern zusammen.
Mindestlohn gestiegen
Seit Jahresbeginn beträgt der Mindestlohn 12,82 Euro pro Stunde, zuvor waren es 12,41 Euro. Zusätzlich wird die Verdienstgrenze für Minijobs auf 556 Euro angehoben.04.01.2025 | 1:34 min
Alle zwei Jahre überprüft das Gremium die Höhe der Lohnuntergrenze und schlägt der Bundesregierung bis Ende Juni vor, wie stark der Mindestlohn im folgenden und im übernächsten Jahr steigen soll. Bis spätestens Ende Juni 2025 also muss die Mindestlohn-Kommission einen Vorschlag für 2026 und 2027 machen. Die Bundesregierung kann diesen Vorschlag nur unverändert per Rechtsverordnung umsetzen. Sonst gäbe es gar keine Anhebung.

Was ist die Messlatte für die Mindestlohn-Anhebung?

Grundsätzlich orientiert sich die Kommission an der Entwicklung der Tariflöhne. Und zwar "nachlaufend", das heißt, sie nimmt keine erwarteten Tariferhöhungen vorweg. Bereits abgeschlossene Tarifverträge kann sie aber einbeziehen. Das Statistische Bundesamt errechnet aus mehreren hundert Tarifverträgen einen Index für die Entwicklung der tariflichen Stundenverdienste ohne Sonderzahlungen. Die Kommission nimmt die Index-Entwicklung der letzten zwei Jahre als Grundlage.
SGS Bethmann
Immer weniger Menschen arbeiten im Niedriglohnsektor: Entscheidend für diese Entwicklung sei die Einführung des Mindestlohns, berichtet ZDF-Börsenexperte Frank Bethmann.06.02.2025 | 0:54 min
In diesem Jahr kommt erstmals ein neuer Aspekt hinzu. Das Gremium orientiert sich "im Rahmen einer Gesamtabwägung" weiter an der Tariflohnentwicklung - laut neuen Regeln aber auch am Referenzwert von 60 Prozent des mittleren Bruttolohns eines Vollzeitbeschäftigten. Das ist neu und greift eine langjährige Forderung der Gewerkschaften, aber auch eine Richtwert-Empfehlung der Europäischen Mindestlohnrichtlinie auf.

Was bedeutet das in Zahlen?

Das gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Institut hatte im März Berechnungen im Auftrag der Kommission vorgelegt. Die 15-Euro-Schwelle wird demnach nur erreicht, wenn ein Wert von 60 Prozent des mittleren Lohns eines Vollzeitbeschäftigten umgesetzt wird. Wenn man die Daten des Statistischen Bundesamtes fortschreibe, ergebe sich daraus ein Mindestlohn von 14,88 Euro bis 15,02 Euro im Jahr 2026 und von 15,31 Euro bis 15,48 Euro im Jahr 2027.
"Nach dem bisherigen Anpassungsmodus stünde lediglich eine Anhebung auf rund 14 Euro an", erklärten die gewerkschaftsnahen Forschungsinstitute WSI und IMK.
Presentation of the joint coalition agreement between the SPD and CDU/CSU in Berlin
Der Koalitionsvertrag beschreibt die Vorhaben von Union und SPD. Doch genaues Hinschauen lohnt. Was kann in Politik umgesetzt werden und was ist zunächst nur ein frommer Wunsch?13.04.2025 | 3:34 min

Warum könnten Merz und Klingbeil beide richtig liegen?

Im Koalitionsvertrag, dem die SPD-Basis noch zustimmen muss, legen Union und SPD fest, dass sie "an einer starken und unabhängigen Mindestlohnkommission" festhalten. Diese werde sich "im Rahmen einer Gesamtabwägung sowohl an der Tarifentwicklung als auch an 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten orientieren". Damit übernahmen sie die Formulierungen aus der Geschäftsordnung der Kommission, fügten aber hinzu: "Auf diesem Weg ist ein Mindestlohn von 15 Euro im Jahr 2026 erreichbar."
Wie sich Mindestlohn und Inflation entwickeln

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Merz liegt somit richtig mit seiner Aussage, dass es keinen "gesetzlichen Automatismus" gebe. Die Erhöhung liegt in den Händen der Kommission. Die Ampel-Koalition hatte die Kommission zwar per Gesetz übergangen und den Mindestlohn zum 1. Oktober 2022 auf zwölf Euro angehoben. Eine Wiederholung hat die Union aber stets ausgeschlossen.
SPD-Chef Klingbeil könnte am Ende richtig liegen, wenn die Kommission einen Mindestlohn in Höhe von 60 Prozent des mittleren Lohns eines Vollzeitbeschäftigten festlegt. Es ist jedoch offen, was eine "Orientierung" an einem Zielwert von 60 Prozent bedeutet. Ein starre Untergrenze ist es nicht, sondern eine Marke, die die Kommission im Blick haben muss.
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Können die Arbeitgeber 15 Euro verhindern?

Die Kommission will dieses Mal einvernehmlich entscheiden, nachdem sie sich im Sommer 2023 zerstritten hatte. Dafür hat sie einen aufwendigen Abstimmungsprozess festgelegt. Erst in einer dritten Abstimmungsrunde soll die Stimme der Vorsitzenden ausschlaggebend sein, wenn es bis dahin "keine Mehrheitsentscheidung" gibt.
Letztendlich könnten die Arbeitgeber also womöglich überstimmt werden, was dann aber wohl die Zukunft der Kommission infrage stellen dürfte. Im Sommer 2023 waren die Gewerkschaften überstimmt worden.
ZDF-Korrespondent Wulf Schmiese.
Inwieweit es zwischen den Koalitionspartnern knirscht, berichtet ZDF-Korrespondent Wulf Schmiese.13.04.2025 | 1:10 min
Quelle: Holger Hansen, Reuters

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