Mehr Diebstahl durch SB-Kassen in Geschäften?

    Läden setzen auf Self-Checkout:Mehr Diebstahl durch SB-Kassen?

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    Einzelhändler setzen zunehmend auf SB-Kassen, an denen Kunden die Produkte selbst einscannen. Zugleich sind Ladendiebstähle zuletzt deutlich gestiegen. Gibt es einen Zusammenhang?

    Typical: SB-Kasse
    Es gibt immer mehr Läden mit Selbstbedienungskassen. Viele Einzelhändler wollen das Angebot ausweiten.
    Quelle: picture alliance/dpa

    Experten sehen ein steigendes Diebstahlrisiko für den Einzelhandel durch den Einsatz von Selbstbedienungskassen.

    In entsprechenden Geschäften wird mehr geklaut. Die Verluste der Händler durch SB-Kassen können bei ein bis zwei Prozent des Umsatzes liegen.

    Stephan Rüschen, Duale Hochschule Baden-Württemberg

    Das sei deutlich mehr als bei klassischen Kassen, sagt Stephan Rüschen, Experte für Lebensmittelhandel an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. Er bezieht sich auf Gespräche mit Händlern und anderen Branchenvertretern.
    Kassen, bei denen Kunden die Ware selbst scannen, sind inzwischen weit verbreitet: in Supermärkten, Drogerien und Baumärkten. Ende 2023 gab es dem Handelsforschungsinstitut EHI zufolge bereits 4.270 Geschäfte mit insgesamt 16.000 Selbstbedienungskassen und damit mehr als doppelt so viele wie zwei Jahre zuvor.
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    Mehr Diebstahl durch SB-Kassen: Bisher keine validen Daten

    Valide Daten wurden bisher nicht veröffentlicht. Das EHI hat die Entwicklung der Ladendiebstähle untersucht. 2023 wurde ein deutlicher Anstieg verzeichnet. Inwieweit das jedoch auf SB-Kassen zurückgeht, ist unklar. Dies sei schwierig zu messen, sagt EHI-Experte und -Studienautor Frank Horst.
    Eine Umfrage unter 40 Händlern zeigt: Knapp 28 Prozent geben an, dass die Inventurdifferenzen bei SB-Kassen höher sind, die Bestandsverluste liegen zwischen fünf und 39 Prozent. 20 Prozent stellen keine Unterschiede fest, die Hälfte weiß es nicht.

    Handelsketten wollen mehr SB-Kassen anbieten

    Der Handel sieht keinen Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Ladendiebstähle und der wachsenden Zahl an SB-Kassen. "Wir beobachten keine spürbare Zunahme in Märkten mit SB-Kassen", sagt ein Edeka-Sprecher. Auch der Handelsverband Deutschland, Ikea, Rewe und Obi können keinen nennenswerten Anstieg der Diebstahlzahlen erkennen. Die Discounter Aldi Süd und Lidl sowie die Drogerieketten DM und Rossmann wollten sich nicht äußern.
    Viele Handelsketten möchten den Service ausbauen. Rewe will bis Ende des Jahres die Zahl der Supermärkte mit SB-Kassen auf 1.800 erhöhen. Auch Edeka möchte das Angebot ausweiten. Ikea geht womöglich noch einen Schritt weiter. Im Einrichtungshaus in Düsseldorf gibt es seit Mai testweise nur noch SB-Kassen. Das Konzept könnte bundesweit auf andere Filialen übertragen werden. In Frankreich, Österreich und Portugal setzt Ikea vielerorts längst nur noch auf Selbstscanner-Kassen.

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    In Großbritannien hingegen nahm die Kritik daran zuletzt zu. Von einer "selbst verschuldeten Katastrophe" schrieb der "Telegraph". Viele Kunden würden lieber mit echten Menschen sprechen beim Einkauf. Der Frust der Kunden sei hoch, berichtete die BBC. Zu oft funktioniere die Technologie nicht, und es bildeten sich doch wieder Schlangen.
    Dass die "Self-Checkouts" es Ladendieben einfacher machten, wie der "Telegraph" schreibt, sieht der britische Handelsverband BRC nicht. Der Schaden für Händler durch Diebstahl sei zuletzt zwar auf fast 1,8 Milliarden Pfund (2,1 Milliarden Euro) geschnellt, aber das liege vor allem daran, dass die Polizei nicht genug dahinter sei, sagt BRC-Experte Graham Wynn.
    Die USA gelten als größter Markt für SB-Kassen. So machen diese laut der Bank CapitalOne 40 Prozent der Kassen in Lebensmittelläden aus. Zuletzt legten einige Supermarkt-Ketten wie Walmart in Läden mit hohen Diebstahlraten jedoch Kassen still oder stellten Aufpasser daneben.

    Zwölf Prozent nutzen SB-Kassen nie

    Laut einer Yougov-Umfrage nutzen Verbraucher in Deutschland SB-Kassen bevorzugt, wenn sie nur wenige Produkte kaufen oder wenig Zeit haben. Zehn Prozent geben an, sie ausschließlich zu nutzen, Menschen zwischen 18 und 24 Jahren häufiger als Verbraucher ab 55 Jahren. Zwölf Prozent der Befragten nutzen laut Studie nie SB-Kassen.
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    Dabei bieten diese dem Handel einen weiteren Vorteil: sie helfen, die große Fachkräftelücke im Verkauf zu stopfen. Auch für Experte Rüschen führt für Händler kein Weg daran vorbei, stärker auf SB-Kassen zu setzen. Die Kunden erwarteten diesen Service inzwischen. Die Diebstahlprävention müsse aber besser werden. Vieles tue der Handel bereits, so gebe es etwa Aufsichtspersonal an Kassen und Ausgangsschranken, die erst nach dem Scannen des Bons öffnen. Per Video sei es zudem möglich, zu erkennen, wenn Produkte nicht erfasst würden.
    Aus der Kriminalstatistik geht hervor, dass die Zahl der Ladendiebstähle zuletzt gestiegen ist. Die Hauptursachen dafür sieht Rüschen aber in steigenden Preisen und sinkender Kaufkraft.
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