Über 250.000 Lehrstellen unbesetzt - Firmen fehlt Nachwuchs
Wirtschaft fehlt der Nachwuchs:Über 250.000 Lehrstellen im Juni unbesetzt
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In deutschen Betrieben blieben laut Statistik im Juni rund eine Viertelmillion Ausbildungsplätze offen. Die Wirtschaft klagt, Experten fordern eine Aufwertung der Berufsausbildung.
Neben Fachkräften fehlt vielen Unternehmen in Deutschland auch der Nachwuchs. Viele Ausbildungsstellen bleiben unbesetzt. Im Juni gab es nach den Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) etwa 256.000 freie Ausbildungsplätze.
Demgegenüber standen rund 147.000 Bewerberinnen und Bewerber, die noch keine Stelle gefunden hatten. Dazu kommen 31.000 weitere, die auf eine Alternative wie einen weiteren Schulbesuch ausgewichen sind, aber dennoch einen Ausbildungsplatz suchen. Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Martin Wansleben sagt:
"Noch vor wenigen Jahren mussten junge Menschen sich bei den Unternehmen anstellen, um einen Ausbildungsplatz zu finden." Inzwischen seien es die Betriebe, die die jungen Menschen umwerben müssten.
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Bundesagentur für Arbeit: Offene Lehrstellen in vielen Bereichen
Allein im Handel verzeichnete die BA im Juni bei den Kaufleuten im Einzelhandel sowie für Verkäuferinnen und Verkäufer noch fast 40.000 offene Lehrstellen. Seit 2017 sei allgemein ein Bewerberrückgang auf dem Ausbildungsmarkt zu verzeichnen, wodurch es zunehmend schwieriger werde, offene Stellen zu besetzen, erläuterte Katharina Weinert vom Handelsverband Deutschland.
Besonders groß ist die Lücke nach Angaben der Bundesagentur im Juni außerdem in Branchen wie der Lagerwirtschaft, in Metallberufen, im Bau, im Lebensmittelbereich und in der Fahrzeugführung. Auch das Handwerk berichtet von knapp 36.000 freien Ausbildungsplätzen Ende Juni - 6,8 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.
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Etliche Lehrstellen werden weiter unbesetzt bleiben
Der Ausbildungsmarkt sei aktuell noch sehr in Bewegung, erläuterte Weinert. "Gerade im Sommer werden noch sehr viele Ausbildungsverträge geschlossen, übrigens auch noch bis weit in den Herbst hinein, also nach offiziellem Ausbildungsstart." Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass voraussichtlich etliche Lehrstellen unbesetzt bleiben werden.
Grund dafür ist nicht nur, dass rein rechnerisch zu wenige Bewerberinnen und Bewerber da sind, sondern auch weil diese keine passende Stelle finden - aus Mangel an Interesse, Qualifikation oder aufgrund des Standorts der Ausbildung. Politik und Gesellschaft müssten grundsätzlich der Ausbildung mehr Aufmerksamkeit schenken und deren Vorteile müssten deutlicher kommuniziert werden, meint Weinert.
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Kristof Becker vom Deutschen Gewerkschaftsbund sieht auch Handlungsbedarf bei den Betrieben:
DIHK-Chef Wansleben kritisiert den gesellschaftlichen Blick auf die Ausbildung: "Viele Jugendliche glauben noch immer, dass der Weg zum beruflichen Glück nur durch ein Studium zu erreichen ist - und scheitern dann leider oft als Studienabbrecher", so Wansleben. Deshalb müssten junge Leute schon in der Schule einen Überblick über die unterschiedlichen Ausbildungen und deren Chancen bekommen.
Auf der anderen Seite gibt es nach Angaben von BA-Chefin Andrea Nahles auch Regionen, in denen es mehr Bewerber als offene Stellen gibt. Abhilfe soll ab kommendem Jahr die Ausbildungsgarantie schaffen. "So hilft der Mobilitätszuschuss zum Beispiel jungen Menschen, die bereit sind, für eine betriebliche Berufsausbildung in entferntere Regionen zu ziehen", sagte Nahles.
Derzeit bleiben im Handwerk viele Stellen unbesetzt. Lässt man sich aber darauf ein, kann es ein Traumberuf sein – wie für den Maßschuhmacher Hedy und für Vanessa, die Schornsteinfegerin.