Nur Stefan Kraft kann mithalten:Warum die DSV-Skispringer wieder dominieren
von Lars Becker
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Die deutschen Skispringer dominieren mit Österreich die Skisprung-Welt und gehen als Favoriten in die Tournee-Generalprobe in Engelberg. Das sind die Gründe für den Aufschwung.
Das deutsche Skisprung-Team um Karl Geiger (l.) und Andreas Wellinger ist bärenstark in die Saison gestartet.
Quelle: dpa
Es gab Momente in den vergangenen Wochen, in dem sich die deutschen Skispringer ungläubig die Augen gerieben haben. In den ersten sechs Weltcup-Springen dieser Saison holten die DSV-Adler bereits acht Podestplätze – das ist einer mehr als im gesamten vergangenen Winter.
Im Gesamtweltcup liegen mit Andreas Wellinger, Karl Geiger und Pius Paschke gleich drei Deutsche auf den Plätzen zwei bis vier hinter dem österreichischen Spitzenreiter Stefan Kraft, der sich nach einer mehrmonatigen Auszeit und Weltreise noch stärker präsentiert als schon in der Vergangenheit.
Geiger fühlt sich bereit für Engelberg
Die deutschen Erfolge zum Auftakt sollen mit Hinblick auf den anstehenden Weltcup in Engelberg (ZDF live) keinesfalls nur eine schöne Momentaufnahme bleiben, wie der am vergangenen Wochenende beim Heim-Weltcup in Klingenthal gleich doppelt erfolgreiche Karl Geiger klarstellt:
Karl Geiger hat beim Heim-Weltcup in Klingenthal auch das zweite Springen gewonnen. Für den 30-jährigen Skispringer war es der 15. Weltcup-Sieg seiner Karriere.11.12.2023 | 1:19 min
Vier starke deutsche Skispringer
Grandios in Form ist nicht nur der Oberstdorfer, sondern das gesamte deutsche Team. Doppel-Olympiasieger Wellinger schaffte es in dieser Saison schon viermal unter die Top 3. Pius Paschke flog im stolzen Alter von 33 zum ersten Weltcup-Podest – und schrieb damit als ältester Springer, dem das gelungen ist, Skisprung-Geschichte.
Vierter im Bunde der Deutschen auf dem Treppchen war Stephan Leyhe. Eine spektakuläre Entwicklung, nach dem bis auf die drei WM-Medaillen (Gold Mixed, Silber von Wellinger und Bronze von Geiger im Einzel) verpatzten vergangenen Winter. Bei der Vierschanzentournee flogen die DSV-Adler der Konkurrenz hinterher.
Pius Paschke und Stefan Leyhe springen beim Weltcup-Auftakt aufs Podest. Weitere DSV-Adler komplettieren eine starke Mannschaftsleistung. Es siegt Stefan Kraft (Österreich).25.11.2023 | 0:31 min
Neues Trainerteam, mehr Windkanal-Training
Sportdirektor Horst Hüttel nennt als Hauptursache für den spektakulären Aufschwung die tiefgreifenden Veränderungen, die Bundestrainer Stefan Horngacher nach den "bittersten Momenten meiner Trainer-Karriere" eingeleitet hat. Besonders bitter war für Horngacher vor allem das Abschneiden seiner Springer bei der Vierschanzentournee, wo Wellinger als bester Deutscher nur Elfter wurde.
Stichwort Veränderungen: Mit Horngachers erfolgreichem Vorgänger Werner Schuster (Chef Nachwuchs) und Ronny Hornschuh gehören nun zwei ausgewiesene Experten wieder zum Trainerteam. Zudem feilten Geiger und Co. vor der Saison im Windkanal so ausgiebig wie selten zuvor an der Technik.
Regeländerungen kommen DSV-Springern entgegen
Die Regel-Änderungen vor der Saison spielten den deutschen Skispringenr zudem in die Karten. Nach Schummel-Vorwürfen im vergangenen Winter, als einige Flieger wie der Gesamtweltcup-Sieger und Vierschanzentournee-Gewinner Halvor Egner Granerud (Norwegen) auffällig weite Sprung-Anzüge im Schrittbereich getragen hatten, darf die Flug-Bekleidung dort jetzt nur noch drei Zentimeter weiter als die Körper-Silhouette sein.
Das schränkt die Tragfläche im Flug ein, wo die Größe des Anzugs eine extrem wichtige Rolle spielt. Zudem wird das Gewicht der Flieger jetzt ohne Sprunganzug und Schuhe gemessen, der vorgeschriebene Body-Mass-Index ist aber bei mindestens 21 geblieben. Somit mussten die Flieger im Gewichts-Grenzbereich ein Kilo zunehmen.
Messtechnik soll Skisprung gerechter machen
Stefan Horngacher hat in diesem Zusammenhang verraten, dass seine Flieger wie der momentane Gesamtweltcup-Zweite Wellinger an ihrem Setup fast nichts verändern mussten. Weil sie - im Gegensatz zu anderen Nationen – ganz offenbar weder in Sachen Anzug noch Gewicht am absoluten Limit waren.
Ein weiterer ganz wichtiger Faktor für das momentane Kräfteverhältnis im Flugsport dürfte auch die neu eingeführte Vermessung der Skispringer per Bodyscan sein, die die Skisprung-Welt gerechter gemacht hat: Statt eines Materialkontrolleurs übernimmt eine Maschine die Messung.
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Tournee: Deutsche Chancen so gut wie lange nicht
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