Neuer DFB-Geschäftsführer: Andreas Rettig - der Unbequeme

    Neuer DFB-Geschäftsführer:Andreas Rettig - der Unbequeme

    von Ralf Lorenzen
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    So viel Courage hat dem DFB kaum jemand zugetraut. Nachfolger von Oliver Bierhoff als Geschäftsführer wird mit Andreas Rettig der unbequemste Funktionär im deutschen Profifußball.

    Überraschend, aber mutig - so lautet der Tenor der Reaktionen auf die Berufung von Andreas Rettig zum Geschäftsführer Sport des Deutschen Fußball-Bundes. Diese Einschätzung hat nichts mit der Vita des Sportfunktionärs zu tun. Kaum jemand kennt den deutschen Fußball aus so vielen Blickwinkeln wie er. Überraschend und mutig ist die Wahl, weil Rettig oftmals an der Spitze der Kritik an aktuellen Entwicklungen im Profi-Fußball, und damit auch im DFB, steht.

    Rettig oft als Nestbeschmutzer diskreditiert

    Bei strittigen Fragen wird Rettig oft als einer der ersten von Journalisten angerufen, weil er meist eine klare Haltung zeigt. Und zwar nicht aus einer bequemen Position von außen, sondern als einer der wenigen in verantwortlicher Stellung von innen heraus. "Wir haben keine offene Streitkultur", sagte er einmal. "Jeder fühlt sich schnell beleidigt, man wird als Nestbeschmutzer diskreditiert."
    Nach Stationen im Management der Klubs Bayer Leverkusen, SC Freiburg, 1. FC Köln und FC Augsburg war er von 2013 bis 2015 zwei Jahre Geschäftsführer der DFL. Dabei trug er wesentlich zu einer Entspannung im Verhältnis zu den organisierten Fans in der Diskussion um das Sicherheitskonzept bei. Klare Kante zeigte er beim Lizenzantrag von RB Leipzig 2014. Er befürchtete, dass eine Lizenzierung gegen die 50+1-Regel verstoßen könnte, verweigerte seine Unterschrift, wurde aber überstimmt.

    Streiter für 50+1 und gerechtere TV-Geld-Verteilung

    Bis heute ist Rettig einer der härtesten Verteidiger der 50+1-Regel, die bei Profiklubs die Stimmenmehrheit der Stammvereine sicherstellt. Noch vor einem halben Jahr kritisierte er die von der Liga gemachten Kompromissvorschläge, nachdem das Bundeskartellamt einige Punkte an der aktuellen Regel bemängelt hatte.
    In seiner Zeit als Geschäftsführer beim FC St. Pauli ab 2015 stritt er besonders für eine gerechtere Verteilung der TV-Gelder. Er stellte bei der DFL sogar einen Antrag, investorenunterstützte Vereine von der Verteilung der Gelder aus der TV-Vermarktung auszuschließen, nahm diesen aber nach heftiger Kritik aus den Reihen der Klubs zurück. Auch die Gelder aus der Champions League waren ihm ein Dorn im Auge und bezeichnete diese als "Sargnagel für die Attraktivität der Liga".
    Rudi Völler und Thomas Müller.
    Wer führt die Nationalelf aus der Krise - und wie kann vor der EURO 2024 Aufbruchstimmung entfacht werden? Sportjournalist Manu Thiele analysiert die Lage rund um das DFB-Team.14.09.2023 | 13:50 min

    Uli Hoeneß über Rettig: "König der Scheinheiligen"

    Noch in seiner Zeit bei der FC St. Pauli trat Rettig dafür ein, dass die Vergabe der Bundesligalizenzen an die Wahrnehmung ökologischer und gesellschaftlicher Verantwortung gekoppelt wird. "Die Liga braucht eine neue DNA", sagt er der "Taz".
    Während der Corona-Pandemie wandte Rettig sich gegen eine Überhöhung des Profifußballs, der für ihn "nicht systemrelevant" sei. Auch bei der WM in Katar war er einer der energischsten Kritiker innerhalb der Profi-Bubble. Als er das Katar-Sponsoring beim FC Bayern München attackierte, nannte Uli Hoeneß ihn den "König der Scheinheiligen".

    - Geboren am 25. April 1963 in Leverkusen. 

    - Vereine als Spieler: FV Bad Honnef, Viktoria Köln, SC Brück, Wuppertaler SV. 

    - Berufliches: Ausbildung zum Industrie-Kaufmann bei der Bayer AG (1984 bis 1987). Pharma-Vertrieb Bayer AG (1987 bis 1989). Fortbildung zum Wirtschaftsassistenten (1988 bis 1989).

    - Karriere im Fußball: Ausbildung zum Fußballlehrer (1989). Jugendleiter bei Bayer Leverkusen (1989 bis 1994). Nachwuchsleiter bei Bayer Leverkusen, Assistent der Geschäftsführung (1994 bis 1998). Vorstandsmitglied bei Bayer Leverkusen (1996 bis 1998). Manager des SC Freiburg (1998 bis 2002). Geschäftsführer des 1. FC Köln (März 2002 bis Dezember 2005). Manager des FC Augsburg (Mai 2006 bis Juni 2012). Vorstandsmitglied der Deutschen Fußball Liga (DFL) und des Deutschen Fußball Bundes (2007 bis August 2010). Vorsitzender der DFL-Kommission für Leistungszentren (August 2010 bis Dezember 2012). DFL-Geschäftsführer für Spielbetrieb und Lizenzierung (1. Januar 2013 bis 30. Juni 2015). Kaufmännischer Geschäftsleiter des FC St. Pauli (1. September 2015 bis 30. September 2019). Vorsitzender der Geschäftsführung bei Viktoria Köln (1. Juni 2021 bis 2. Mai 2022). Geschäftsführer Sport beim Deutschen Fußball-Bund (seit 15. September 2023).

    Vorgesetzter von Völler und Wolf

    Zuletzt kritisierte Rettig das Tempo des DFB bei der Reformierung des Nachwuchsbereiches. "Der Deutsche Fußball hat verpasst, den Hebel umzulegen", sagte er. Der DFB habe "die Dinge zu lange vor sich hergeschoben." Als DFB-Geschäftsführer kann er das Tempo künftig selbst mitbestimmen.
    In der neuen Struktur des DFB ist Rettig künftig drei Sportdirektoren vorgesetzt, die die Bereiche Nachwuchs (Hannes Wolf), Männer-Nationalmannschaft (Rudi Völler) und Frauen-Nationalmannschaft (noch nicht besetzt) verantworten. Die drei sollen sich laut DFB-Präsident Bernd Neuendorf auf den Sport konzentrieren, während auf Rettig administrative Aufgaben rund um die Nationalmannschaften und die Akademie zukommen.

    Rettig auch ein Vorreiter in der Nachwuchsarbeit

    Dabei kommt dem Fußballlehrer zugute, dass er schon einmal bei der Revolutionierung der Nachwuchsarbeit im DFB an vorderster Front tätig war. Ende der 90er Jahre war er sowohl an der Ausarbeitung des Konzepts der Nachwuchsleistungszentren bei den Profiklubs sowie der Gründung der Fußballschule des SC Freiburg beteiligt.

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