Mainz 05: Zu viel Geld im Nachwuchsbereich

    Interview

    Nachwuchsdirektor FSV Mainz 05:"Im Nachwuchsbereich ist viel Geld unterwegs"

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    Volker Kersting, Nachwuchsdirektor bei Mainz 05, warnt vor dem Finale der Deutschen Meisterschaft der A-Junioren vor zu viel Geld im Jugendbereich. Und Mangel an eigenen Talenten.

    Volker Kersting
    Seit 1991 kümmert sich Volker Kersting um den Nachwuchs beim FSV Mainz 05.
    Quelle: imago

    Volker Kersting wurde vor anderthalb Jahren zum Direktor Nachwuchsfußball des FSV Mainz 05 befördert. Im ZDFheute-Interview spricht er über die erfolgreiche Nachwuchspolitik seines Vereins und über Probleme bei der Nachwuchsförderung. Er wundere sich manchmal darüber, dass sich "Zehnjährige bereits Gedanken über ihr zweites oder drittes Handy machen".
    ZDFheute: Die A-Junioren des FSV Mainz bestreiten am Sonntag (11 Uhr) das Finale um die Deutsche Meisterschaft gegen Borussia Dortmund. Dieselbe Konstellation gab es 2009, woraufhin Thomas Tuchel vom Jugend- zum Profi-Trainer befördert wurde. Nun kehrt Tuchel genau an diesem Wochenende mit dem FC Bayern nach Mainz zurück. Was sagen Sie zu dieser Konstellation?
    Volker Kersting: Das sind die Unwägbarkeiten des Lebens und eine Riesensache. Da werden die emotionalen Bilder aus dem alten Bruchwegstadion wieder sehr lebendig. Die Arena, in der jetzt vor hoffentlich 15.000 Zuschauern gespielt wird, gab es ja noch nicht.
    Aki Koch
    Grund zu feiern hatten die Mainzer A-Junioren (Aki Koch) nach dem Einzug ins Finale.
    Quelle: imago

    ZDFheute: Wie schafft es Mainz 05, im Nachwuchsbereich aktuell gerade erfolgreicher als Bayern und RB Leipzig und auf Augenhöhe mit Dortmund zu sein?
    Kersting: Wir haben uns über Jahre eine inhaltliche Herangehensweise aufgebaut. Da geht es um einen vernünftigen roten Faden, aber auch um eine gewisse Geduld. Ich halte nichts vom ständigen Austausch. Dazu braucht es einen wirklichen Austausch mit dem Profibereich. Die Jungs müssen eine Perspektive erkennen.

    Volker Kersting besetzt seit 1991 eine Schlüsselposition im Nachwuchsbereich des FSV Mainz 05. Der gebürtige Mainzer kümmert sich seit damals um die Aus- und Weiterbildung junger Fußballer, baute die Strukturen des Nachwuchsleistungszentrums mit auf, aus dem nicht nur Weltmeister André Schürrle und viele andere Bundesligaprofis hervorgingen, sondern auch Trainer wie Thomas Tuchel, Marco Rose, Sandro Schwarz oder der aktuelle Bundesliga-Coach Bo Svensson ihre Karrieren starteten.

    ZDFheute: Der BVB fördert zwar auch intensiv seine Jugend, verpflichtet aber auch Toptalente für seine Profis und Jugendspieler wie Julian Rijkhoff aus dem Ausland. Ist das der richtige Weg?
    15.04.2023, Mainz: Bo Svensson (Trainer Mainz 05) im aktuellen Sportstudio
    Mainz-Trainer Bo Svensson ist in der Bundesliga für seine Temperamentsausbrüche bekannt. Im sportstudio spricht er auch über seinen Umgang mit Schiris.15.04.2023 | 20:44 min
    Kersting: Das muss sich jeder Verein selbst fragen. Wenn die Identität ist, zu sagen, wir investieren in unseren Nachwuchs, geben ihm aber die Chance nicht, dann ist das die Herangehensweise eines Vereins - unsere ist es eben nicht. Freiburg oder wir verfolgen eine andere Philosophie.
    ZDFheute: Es heißt, dass Mainz inklusive seiner U23 rund 7,5 Millionen Euro für die Nachwuchsförderung ausgibt. Andere Vereine investieren noch deutlich mehr.
    Kersting: Wenn wir mit einem Spieler am Tisch sitzen und der wichtigste Faktor ist für Spieler, Eltern und Berater nicht die Ausbildung, nicht die Chance, in den Profibereich zu kommen, sondern nur der finanzielle Rahmen - dann nehmen wir von einer Verpflichtung Abstand.
    ZDFheute: Welchen Einfluss hat das Geld?
    Kersting: Machen wir uns nichts vor: Im Nachwuchsfußball ist extrem viel Geld unterwegs. Wenn heute ein 15-Jähriger schon 6.000 Euro verdient, schafft aber nicht den Sprung in die Bundesliga und soll bei einem Regionalligisten für 3.000 Euro spielen - der fällt gefühlt ins Bodenlose.
    ZDFheute: Es wird oft darauf hingewiesen, dass es an deutschen Toptalenten fehlt. Mangelt es an Qualität oder Mentalität?
    Kersting: Es ist eine Mischung aus allem. Es geht mit gesellschaftlichen Entwicklungen los. Ich hatte früher Schule bis 13 Uhr, dann ging es raus auf den Bolzplatz. Heute reden wir über Ganztagsschulen, die bis 16 Uhr gehen. Dazu kommen die digitalen Ablenkungen.
    Aus meiner Sicht wird es den Kindern zu früh zu einfach gemacht. Wie soll ich Eigenverantwortung entwickeln, wenn die Eltern die Schultasche packen und ihre Kinder bis vor die Schultür fahren?

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    ZDFheute: Frankreich bringt auch deshalb so viele Talente hervor, weil der Fußball die Chance in den Brennpunkten zum sozialen Aufstieg bietet.
    Kersting: Bei uns machen sich Zehnjährige eher Gedanken über das zweite oder dritte Handy. Ich würde mir wünschen, dass mehr Kinder sagen: 'Ich will jeden Tag den Ball am Fuß haben.' Diesen Willen, sich durchsetzen zu wollen, entwickeln wir insgesamt in Deutschland nicht mehr. Das sehen wir in den meisten anderen Sportarten auch. Das wird uns noch auf die Füße fallen.
    ZDFheute: Welche Folgen hat das alles?
    Kersting: Wenn wir im Nachwuchsbereich in der Spitzensportförderung nicht weiterkommen, wenn wir nicht zu Veränderungen bereit sind, wird es für unsere A-Nationalmannschaft auch schwierig, mit den anderen Spitzennationen mitzuhalten, weil die Talente ausbleiben werden.
    Das Interview führte Frank Hellmann.

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