Jugendfußball: Mit STOPP-Konzept gegen Gewaltausbrüche
Jugendfußball:Mit STOPP-Konzept gegen Gewaltausbrüche
von Ralf Lorenzen
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Selbst im Jugendfußball kommt es immer wieder zu Gewaltausbrüchen. Der DFB hofft auf die Wirkung des neuen STOPP-Konzepts.
Leider keine Seltenheit mehr: Im Jugendfußball häufen sich Gewaltausbrüche und Spielabbrüche.
Quelle: Imago
Das leichte Aufatmen hat nur kurz gehalten. Im August meldete der Deutsche Fußball-Bund (DFB) in seinem Lagebild Amateurfußball einen leichten Rückgang von Spielabbrüchen. Doch dann sah sich der Fußballkreis Celle Ende September nach mehreren Gewaltausbrüchen im Jugendfußball gezwungen, den Spielbetrieb bis zum 20. Oktober komplett einzustellen.
Massenschlägerei nach A-Jugend-Spiel
Anlass war eine Massenschlägerei unter Spielern und Zuschauern bei einem A-Jugend-Spiel in Eschede, bei der fünf Beteiligte verletzt wurden und die Ermittlungen der Polizei ausgelöst hat. "Das eine Spiel war nur der Tropfen auf dem heißen Stein", sagte Philipp Ziemen, der Vorsitzende des Kreisjugendausschusses des Niedersächsischen Fußballverbands (NFV) Kreis Celle im NDR.
Im März hatte bereits der Bremer Fußballverband nach mehreren Gewaltvorfällen für ein Wochenende alle Spiele von den Erwachsenen bis zur D-Jugend verboten. Neu ist nun, dass der Fokus auf dem Jugendbereich liegt.
Zunehmende Gewalt bei Jugendspielen
"Vor zehn bis 15 Jahren waren Gewaltausbrüche bei Jugendspielen die absolute Ausnahme. Und wenn, dann ging es meist von den Eltern aus", sagt die Kriminologin Thaya Vester, die seit Jahren zum Thema Gewalt im Amateurfußball forscht, gegenüber ZDFheute. "Heute sehen wir ein zunehmendes Problem auch bei den Jugendspielern, es gibt ständig Vorfälle."
Einen Grund für diese Entwicklung sieht Vester in den Erfahrungen während der Corona-Pandemie, die Jugendliche stärker beeinflusst hätten als Erwachsene. "Was das soziale Miteinander angeht, sind durch die Pandemie die Defizite nochmal größer geworden. In der Zeit hat jeder mehr an sich gedacht und weniger an die Gemeinschaft", sagt Vester.
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Es existiere "eine große Anspruchshaltung an die Gemeinschaft, aber das Bewusstsein dafür, etwas zurückzugeben oder sich auch mal zurückzunehmen, ist ein Stück weit verlorengegangen und muss wieder gelernt werden." Die Verantwortung dafür würde von manchen Familien heute an die Schule oder den Fußballtrainer weitergeben.
Defizite bei Regelkunde
Ein großes Defizit sieht Vester auch bei der Regelkunde. "Was sind die Fußballregeln und wie wollen wir miteinander umgehen? Das müssten die absoluten Basics sein", findet die Kriminologin. Es gebe sehr motivierte und gut ausgebildete Jugendtrainer, aber das sei nicht flächendeckend der Fall. "Manchmal ist man froh, dass es überhaupt irgendjemand macht."
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"Mit dem STOPP-Konzept und der Kapitänsregelung haben wir endlich Maßnahmen, die überall greifen und zum Einsatz kommen, so dass in ganz Deutschland egal auf welcher Ebene klar ist: Wir müssen uns alle besser benehmen, wir sollten alle freundlicher miteinander umgehen", so Vester.
STOPP-Konzept trägt erste Früchte
An den ersten Auswertungen der Erfahrungen mit dem STOPP-Konzept ist Vester beteiligt. "Es zeigt sich ganz klar, dass es diesen Bedarf gibt und die Schiris davon Gebrauch machen. Und was auch erstaunlich ist: In den allermeisten Fällen reicht der erste Stopp, um die Situation zu beruhigen."
Seit dem 1. Juli 2024 können Schiedsrichter im Amateurbereich eine Beruhigungspause anzeigen, um die Gemüter wieder zu beruhigen, wenn die Atmosphäre auf dem Platz zu hitzig wird. Signalisiert wird das sogenannte "DFB-STOPP-Konzept" mit folgender Geste: Nach einem Pfiff hebt der Schiri beide Arme über den Kopf und überkreuzt die Handgelenke. Anschließend streckt der Schiri die Arme auf Schulterhöhe voneinander weg und deutet mit einer seitlichen Stoßbewegung an, dass sich die Spieler*innen in ihren jeweiligen Strafraum begeben müssen.
Pfiff des Schiedsrichters und Geste
Alle Spieler*innen gehen in ihren Strafraum, die Trainer*innen, Kapitäne und weitere vom Schiedsrichter zugelassene Personen (z.B. Sicherheitskräfte oder Ordner*innen) kommen in den Mittelkreis. Widersetzt sich ein Spieler der Aufforderung, im Strafraum zu bleiben, kann dies die Gelbe Karte zur Folge haben.
Der Unparteiische nennt den Grund für die Aussetzung des Spiels, erklärt das weitere Vorgehen und wie lange die Beruhigungspause geplant ist.
Der Schiedsrichter fordert die Trainer*innen und Kapitäne auf, Spieler*innen, Offizielle oder Zuschauer*innen zu beruhigen, damit das Spiel im Anschluss fortgesetzt und ein Spielabbruch verhindert werden kann.
Der Referee informiert die Kapitäne, dass das Spiel fortgesetzt wird. Bei Bedarf können sich die Mannschaften nochmal aufwärmen.
Pro Spiel sind maximal zwei Beruhigungspausen vorgesehen. Würde eine dritte Beruhigungspause erforderlich werden, wird das Spiel endgültig abgebrochen.
Schiris können ein Spiel auch weiterhin in bestimmten Situationen ohne Beruhigungspause abbrechen.
Den genauen Ablauf der Beruhigungspausen müssen die Schiris im Spielbericht festhalten.
Welchen Erfolg der dreiwöchige Stopp des ganzen Jugendspielbetriebes im Kreis Celle hat, wird davon abhängen, wie die Pause genutzt wird. Philipp Ziemen gegenüber der "Celleschen Zeitung: "Wir möchten uns mit dieser Maßnahme Zeit nehmen, um uns alle einmal Gedanken über einen Spielbetrieb ohne Gewalt zu machen."
Quelle: Reuters
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