So steht's um den deutschen Fußball-Nachwuchs

    Keine Talente, keine Titel:So steht's um den deutschen Fußball-Nachwuchs

    von Ralf Lorenzen
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    Mehr Ballkontakte, weniger Erfolgsdruck - mit neuen Ansätzen versucht der DFB, die Misere im Nachwuchsfußball zu beheben. Andere Länder wie Portugal sind da längst weiter.

    DFB-Nachwuchs in der Krise
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    Zwei Hoffnungsschimmer gab es in jüngster Zeit, dass es um den Nachwuchs im deutschen Fußball vielleicht doch nicht so schlecht bestellt ist, wie in den letzten Jahren oft dargestellt. Die Erfolge der U17-Nationalmannschaft, die im vergangenen Jahr sowohl Europa - als auch Weltmeister wurde - und mit Bayern Münchens Aleksandar Pavlovic endlich mal wieder einen 19-Jährigen, der in die A-Elf des DFB berufen wurde.

    In der Spitze fehlt die Quantität

    Doch dann verpasste die Nachfolge-U17 des DFB die EM-Finalrunde in diesem Jahr - und  im Profibereich herrscht trotz Pavlovic weiter Jugend-Flaute. "Wir sind in den letzten Jahren sukzessive schlechter geworden was die Anzahl der Spitzenspieler angeht", sagt Professor Ralf Lanwehr in der sportstudio reportage "Keine Talente, keine Titel".

    In der absoluten Spitze qualitativ nicht - Wirtz, Musiala, Havertz, die gibt es. Aber die Quantität in der Spitze ist erheblich kleiner als in anderen Ländern und fällt.

    Professor Ralf Lanwehr

    Landwehr arbeitet mit Alexander Nouri, früher Trainer bei Werder Bremen, seit drei Jahren an einer von DFB und DFL finanzierten internationalen Langzeitstudie zum Jugendfußball. Die Studie hat unter anderem ergeben, dass Deutschland im Vergleich der zwölf untersuchten Länder mit 0,95 auf eine Million Einwohner die wenigsten Profispieler hervorbringt. Spitzenreiter dieses Rankings ist Portugal mit 5,93 Spielern.

    Zu wenig Spielzeit im Übergangsbereich

    Als einen wichtigen Grund für dieses Ergebnis hat die Studie den Übergansbereich zwischen der U19 und den Profiteams ausgemacht. Laut DFB hatten die deutschen Spieler bei der letzten U21-EM in ihren Ligen lediglich 35.500 Einsatzminuten. Bei den Franzosen waren es fast doppelt so viel.
    Fußball-Nachwuchs
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    "Wir haben festgestellt, dass andere Länder deutlich mehr Karrierepfade anbieten, um den Spielern auf dem Level, auf dem sie gefördert werden müssen, mehr Spielzeit zu geben", sagt Nouri:

    Diese Karrierepfade sind in Deutschland schwierig, weil viele Vereine ihre U23-Mannschaften abgemeldet haben.

    Alexander Nouri

    Ein Gegenbeispiel aus dem Ausland ist Benfica Lissabon, das auf Platz zwei der besten Ausbildungsvereine in Europa steht. Dort gibt es allein vier Mannschaften mit über 90 Spielern im Übergangsbereich, zwischen denen die Spieler hin- und herwechseln und von denen eine die Spielberechtigung für die 2. Liga hat.

    3. Liga setzt auf Erfahrung

    In Deutschland kommt als Problem hinzu, dass die 3. Liga eine "Verdrängungsliga" ist, wie Nouri sagt. Viele Vereine dort kämpfen ums Überleben und setzen lieber auf erfahrene Spieler, statt junge zu entwickeln.
    Das Problem der mangelnden Spielzeit durchzog lange den gesamten Nachwuchsbereich in Deutschland. Zu frühe Selektion und zu große Felder im Kinderbereich, zu früher Erfolgsdruck in den Leistungszentren. Das Ergebnis: Zu wenig individuelle Qualität.

    Stürmer brauchen mehr Ballkontakte

    Das zeigt sich unter anderem beim Mangel an wirklich guten Sturmspitzen in Deutschland. "Wenn man 11 gegen 11 nimmt, hat ein Stürmer in 90 Minuten vielleicht 30 Ballkontakte, das sind in 30 Minuten zehn Ballkontakte", sagt Hannes Wolf, DFB-Direktor für den Nachwuchs. Wolf reist seit Monaten durch die Republik, um die Vereine vom neuen Ansatz im Kinder- und Jugendfußball zu überzeugen.

    Wir können Stürmer nicht über große Formate entwickeln,  weil sie den Ball zu wenig haben.

    DFB-Nachwuchsdirektor Hannes Wolf

    "Wir versuchen alle zu involvieren, in dem wir auf mehreren Feldern in kleinen Gruppen spielen", so Wolf. Dabei werde es aber weiter Raum für Dinge geben, die dazu kommen, wie zum Beispiel positionsspezifisches Training.

    Entwicklung ist wichtiger als das Ergebnis

    "Der Erfolg des Einzelnen ist wichtiger als der Erfolg der Mannschaft", sagt DFB-U21-Assistenztrainer Hermann Gerland. "Wenn ich zwei Spieler ausbilde, die hinterher in der Bundesliga spielen, ist das wertvoller, als wenn ich mit der Mannschaft deutscher Meister werde und keiner kommt in den bezahlten Fußball."

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