EL-Finale in Dublin: Atalanta - vom Aschenputtel zur Göttin
EL-Finale gegen Leverkusen:Atalanta Bergamo: Vom Aschenputtel zur Göttin
von Claudio Palmieri
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Bayer Leverkusen geht als Favorit ins Europa-League-Finale gegen Bergamo in Dublin (21 Uhr). Und Atalanta? Fühlt sich pudelwohl in der Rolle des Underdogs.
Auf Leverkusen wartet im Finale Atalanta Bergamo.
Quelle: Imago
Die Rolle des Underdogs im Finale der Europa League zwischen Bayer Leverkusen und Atalanta Bergamo am Mittwoch (21 Uhr) war sofort in Eigenregie vergeben.
Finale "ein fantastisches Ereignis"
Gleich nach dem 3:0-Sieg im Halbfinalrückspiel gegen Olympique Marseille gab Atalantas Trainer Gian Piero Gasperini den großen Fußballromantiker. "Ich denke, dass das Finale ein fantastisches Ereignis sein wird. Es ist aber auch ein gutes Zeichen für Vereine wie wir, die nicht zur ersten Garde gehören", sagte der 66-jährige Maestro und holte aus:
Die Königin unter den Provinzklubs
Gasperini weiß, wovon er spricht. Als er 2016 in Bergamo anheuerte, galt Atalanta noch als "regina delle provinciali" - die Königin unter den Provinzklubs. Ein spöttischer Spitzname für einen Verein, der schon Weltstars wie Gaetano Scirea, Christian Vieri oder Filippo Inzaghi als Sprungbrett diente, selbst jedoch nie über Achtungserfolge hinauskam.
Serie hält, Finale erreicht - und wieder hat Bayer spät zugeschlagen: Leverkusen spielt in der Europa League gegen AS Rom 2:2 und darf weiter vom Titel träumen.
von Christian Nürnberger
Noch zwischen 1994 und 2010 stieg Atalanta fünfmal aus der Serie A ab. Dabei hatte der heutige Klubpräsident Antonio Percassi schon in seiner ersten Amtszeit in den frühen 90ern den Grundstein dafür gelegt, dass Bergamo zum "Nonplusultra in Sachen Jugendarbeit in Italien" avancierte, wie Robin Gosens später einmal lobte.
Gosens steht für Atalantas gute Arbeit
Gosens ist hierzulande das bekannteste Beispiel für den Qualitätssprung, den Atalanta unter Gasperini gemacht hat. 2017 bei Heracles Almelo entdeckt, reifte der Flügelspieler zum Nationalspieler. Und Atalanta? Reifte mit.
Aus dem Fahrstuhlteam ist ein regelmäßiger Europa- und Champions-League-Starter geworden. Nur 2022 misslang die Qualifikation. "Atalanta ist ein Verein, der oft auf Spieler setzt, die bis dato weniger aufgefallen sind oder nicht auf dem Radar großer Klubs standen", sagte Gosens 2018.
Steigerung der Transfer-Erlöse
Dieser Linie bleibt Bergamo treu. Nur die Summen, die der Klub jetzt generiert, sind beträchtlicher. 2022 überwies Tottenham 52 Millionen Euro für Cristian Romero. Stürmer Rasmus Højlund zog es 2023 für 73,9 Millionen Euro zu Manchester United.
Auch Gosens, der 2022 für 27,4 Millionen Euro zu Inter wechselte und heute für Union Berlin spielt, zählt zu jenem Dutzend Spieler, das Atalanta seit 2017 Einnahmen jenseits der 20-Millionen-Euro-Marke brachte.
Stadion in Bergamo gehört dem Klub
Ihre Erlöse reinvestieren die Norditaliener nicht nur in potentielle Top-Stars wie Stürmer Gianluca Scamacca (18 Pflichtspieltore) oder den jungen Spielmacher Charles de Ketelaere (23 Torbeteiligungen), der bei Milan als Flop galt. 2017 kaufte Atalanta der Stadt das Stadio Atleti Azzurri d’Italia ab, dessen Renovierung sich in den letzten Zügen befindet.
Auch damit ist der Verein seiner Zeit voraus - zumindest in Italien, wo nur eine Hand voll Klubs über eigene Arenen verfügt.
Atalanta fehlt ein Titel
Im Viertelfinale der laufenden Europa-League-Saison schaltete Bergamo den FC Liverpool um Teammanager Jürgen Klopp dank eines 3:0 an der Anfield Road aus. Eines fehlt Atalantas Underdog-Story aber noch: ein Titel.
Am vergangenen Mittwoch verloren die Nerazzurri das Finale der Coppa Italia gegen Juventus mit 0:1. Jetzt muss die Krönung der Ära Gasperini ausgerechnet gegen das einstige Vizekusen erfolgen.
Beispiel Eintracht Frankfurt
Noch überwiegt die Anerkennung für die Metamorphose vom Aschenputtel zur "Dea", wie Atalanta in Anlehnung an die namensgebende Göttin aus der griechischen Mythologie genannt wird.
Doch nach drei Finalniederlagen seit 2019 darf es jetzt gerne mehr sein. Zumal Bergamos Fans seit Jahren eine Freundschaft zum Anhang von Eintracht Frankfurt pflegen.
Und aus zahllosen Stadionbesuchen wissen, was die Titelgewinne 2018 (DFB-Pokal) und 2022 (Europa League) in Hessen ausgelöst haben.