Italien nach 0:1 ratlos:Spanische Machtdemonstration
von Claudio Palmieri
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Nach dem Auftaktsieg gegen Albanien wähnte sich Italien wieder im Kreis der EM-Mitfavoriten. Doch am Donnerstagabend kam Spanien - und spielte den Titelverteidiger schwindelig.
Das Ergebnis täuscht über den Spielverlauf hinweg. Spanien war dem Europameister klar überlegen. Die Zusammenfassung des Spiels Spanien gegen Italien.20.06.2024 | 8:11 min
Die Stimmungslage der beiden Trainer hätte nach Spaniens 1:0 (0:0)-Sieg im Spitzenspiel der EM-"Todesgruppe" B gegen Italien kaum gegensätzlicher sein können.
Während sich Luis de la Fuente schon Vergleichen zwischen seiner Mannschaft und Spaniens übermächtigen Europameister-Teams von 2008 und 2012 stellen musste, wirkte Luciano Spalletti ratlos.
Der Fußball-Guru aus der Toskana wusste genau: Diesmal ist seine Rechnung nicht aufgegangen - ganz und gar nicht.
Mit dem Endergebnis war Spallettis Elf mehr als gut bedient. Denn die Partie vor 50.000 Zuschauern in Gelsenkirchen kam einer Machtdemonstration der Furia Roja gleich. Schon vor dem Eigentor, das ausgerechnet Italiens erneut starker Abwehr-Entdeckung Riccardo Calafiori unterlief (55.), hätten die Iberer auf 1:0 stellen können - ja, sogar müssen.
Nach der hochverdienten Führung für Spanien verhinderten vor allem Keeper Gianluigi Donnarumma und das Aluminium Schlimmeres aus Sicht der Azzurri.
Spanien schlägt im zweiten Gruppenspiel den amtierenden Europameister Italien. Die Iberer hatten eine Großzahl an Chancen und dominierten das Spiel. 20.06.2024 | 2:59 min
Italien bleibt chancenlos
"Wir waren nie im Spiel", hielt Spalletti nach dem Schlusspfiff sichtlich ernüchtert fest:
Tatsächlich tauchte der Titelverteidiger erst in der Schlussphase häufiger im gegnerischen Strafraum auf - beziehungsweise überhaupt mal. Nennenswerte Chancen erspielte sich Italien dabei nicht. Der Druck, der von den eingewechselten Bryan Cristante, Mateo Retegui und Mattia Zaccagni ausging, bestätigte Coach Spalletti aber immerhin in seiner ersten Ursachenforschung.
"Wenn du nicht dieselben Beine wie deine Gegner hast, kannst du nicht auf dieselbe Art und Weise reagieren. Heute war der Unterschied zu groß", machte Spalletti eine gewisse Müdigkeit in seiner Stammformation aus. Die hatte der 65-Jährige nach dem 2:1-Auftaktsieg gegen Albanien unverändert gelassen.
Lektion nach erfolgreichem Tunierstart
Welche Konsequenzen Spalletti mit Blick auf das letzte Gruppenmatch gegen Kroatien am kommenden Montag (21 Uhr) daraus ziehen wird, ließ er offen.
Fest steht jedenfalls: War Italiens schnelle und vor allem spielerisch überzeugende Reaktion auf den Blitzrückstand gegen Albanien nach 23 Sekunden noch als vielversprechender Turnierstart interpretiert worden, ist der schmeichelhaft knappe K.o. von Gelsenkirchen wohl mindestens ein Schritt zurück.
"Italien, was für eine Lektion von Spanien", titelte die "Gazzetta dello Sport" direkt nach Spielschluss. "Solo Gigio", nur Kapitän "Gigio" Donnarumma, machte "Tuttosport" als Lichtblick aus.
Mittelfeldchef Nicolò Barella sowie das Offensiv-Trio Federico Chiesa, Lorenzo Pellegrini und Stürmer Gianluca Scamacca blieben diesmal weitestgehend blass.
Vor allem Inter-Star Barella (27) und Juventus-Angreifer Chiesa (26), die schon beim EM-Triumph 2021 zu den Leistungsträgern gehörten, waren nach dem Albanien-Match von den Fans als lebende Beweise dafür gefeiert worden, dass Italien sehr wohl noch Talente hervorbringt, die höchsten internationalen Ansprüchen genügen.
Ein Doppelpack ebnet Spanien den Weg zum überraschend klaren 3:0-Sieg gegen Kroatien. Während die Iberer viel Selbstvertrauen tanken, hadern die Kroaten mit der Chancenverwertung.15.06.2024 | 7:45 min
Spaniens Talentefabrik überzeugt
Diesen Aspekt hatte auch Spalletti vor dem Duell mit den Iberern aufgegriffen - und das durchaus angriffslustig. "Ihr seid nicht die Einzigen, die schönen Fußball spielen. Bewertet euch nicht über", hatte der 65-Jährige gegenüber spanischen Journalisten erklärt. Aber auch eine Voraussage getroffen, die nun vollends eintrat: "Wenn man den Ball dem Gegner in die Hand gibt, wird das nicht gut ausgehen."
Das große Fußballkino lieferte am Donnerstagabend einmal mehr nur Spaniens schier unermüdliche Talentefabrik. Vor allem der überragende Flügelflitzer Nico Williams (21/Athletic Bilbao) und das erst 16 Jahre Barca-Sternchen Lamine Yamal trugen ihren Teil zu der bisher wohl besten Vorstellung einer Mannschaft bei dieser EM bei.
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