FC Hollywood: Wo sind heute die Typen in der Bundesliga?
Nie mehr FC Hollywood?:Warum die Typen im Fußball heute anders sind
von Ralf Lorenzen
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Thomas Müller gilt als Lieblingsspieler der Journalisten, weil er redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Aber sonst? Fehlt den heutigen Fußball-Profis der Mut?
Matthäus, Basler, Effenberg: Mehr Theater als beim FC Hollywood war im Fußball nie. Wie ist das heute? Wie hat sich die Branche verändert? Und was macht einen Typen eigentlich aus?16.01.2025 | 16:02 min
"Basler war der Partyboy, Scholl der Sunnyboy, Effenberg war der Bad Boy". So beschreibt Bolzplatz-Moderatorin Lili Engels den FC Bayern München in den 90er-Jahren. Dazu noch die konkurrierenden Ego-Shooter Jürgen Klinsmann und Lothar Matthäus und fertig war der FC Hollywood.
Einzigartiges Star-Ensemble der Bayern
"Ich bin halt, wie ich bin", strotzt Mario Basler auch heute in der neuen Bolzplatz-Folge immer noch vor Selbstbewusstsein. Und tatsächlich war der Fußballprofi Basler in der Bundesliga-Geschichte wohl genauso einzigartig wie das damalige Star-Ensemble der Münchner.
Heute seien bei öffentlichen Äußerungen von Fußballern vor allem Vorsicht und Kontrolle allgegenwärtig, sagt Moderatorin Engels. Genauso wie die Klagen, dass es genau an eben diesen Typen wie Basler heute fehle.
Privat-Sender bringen Boulevard zum Fußball
Dass sich Basler, Effenberg und Co. in den 90er Jahren so frei entfalten konnten, lag auch an einer sich rasant verändernden Medienlandschaft. Die damals noch jungen Privatsender wie RTL und SAT 1 brachten den Boulevard in den Fußball. Mehr Geschichten abseits des Platzes, mehr Skandale statt ausschließlich sachlicher Spielberichte.
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Manager wie Uli Hoeneß in München oder Willi Lemke in Bremen nutzten die gestiegene Aufmerksamkeit zudem ganz bewusst. "Ihr nehmt euch, wen ihr braucht", soll Hoeneß den Journalisten signalisiert haben. Auch die beiden Macher bei den Bayern und Werder inszenierten ihren ganz persönlichen Zoff zu der Zeit äußerst medienwirksam.
Klubs steuern Außenwahrnehmung selbst
Mit fortschreitender Digitalisierung veränderte sich die Medienwelt erneut. Zunächst bauten die Klubs ihre eigenen Medienkanäle auf und aus und bemühten sich, ihre Außenwahrnehmung zunehmend selbst zu bestimmen.
"Spieler werden heute enorm geschult, was ihre Medienauftritte angeht, ihnen wird eine sehr große Medienkompetenz vermittelt", erklärt Sportjournalismus-Experte Daniel Nölleke von der Sporthochschule Köln im Bolzplatz. "Und das führt eben auch dazu, dass man sich vielleicht nicht so unbelastet in Gespräche mit Journalisten begibt."
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Social Media: Fußballer als Influencer
Zudem versetzt das rasante Wachstum der Social-Media-Kanäle Spieler und ihre Berater selbst in die Lage, ihr Image für die Öffentlichkeit zu kreieren und zu kontrollieren. "Social Media hat alles verändert", sagt sportstudio-Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein im Bolzplatz. "Das liegt in erster Linie daran, dass jeder Spieler heute die Möglichkeit hat, seine eigene Medienwelt zu schaffen."
Auf der anderen Seite lauert in den Sozialen Medien jederzeit die Gefahr, dass kleinste unbedachte Gesten und Aussagen zum Shitstorm werden können und sich in der Folge nur noch schwer einfangen lassen.
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Echte Typen: Ja oder nein?
Doch führen diese Veränderungen nun tatsächlich dazu, dass man im heutigen Fußball die sogenannten Typen vergeblich sucht? Oder stellen sie sich nur anders dar?
"Ich glaube schon, dass es noch echte Typen in der Bundesliga gibt", sagt Müller-Hohenstein. "Aber sie sagen nicht mehr so wahnsinnig viel. Was ich gut verstehen kann: Alles, was sie sagen, muss erst auf einen maximalen Interpretationsspielraum hin überprüft werden.
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Auch Wahrnehmung hat sich verändert
Doch nicht nicht nur die Medienwelt hat sich verändert, auch das, was neue Generationen überhaupt unter einem Typen verstehen. Heute stehen weniger verbale Raubeine als nette Werbe-Ikonen wie Jamal Musiala oder Thomas Müller hoch im Kurs.
Sportjournalismus-Forscher Nölleke bringt es wie folgt auf den Punkt: "Seit 40 Jahren wird moniert, dass es keine Typen mehr gibt. Dafür gibt es Leute, die sich in Social Media supergut darstellen können. Und vielleicht sagt man in zehn Jahren auch, das waren welche, die sich mal richtig was getraut haben."
Quelle: Reuters
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