Fans protestieren während des Bundesligaspiels zwischen Borussia Dortmund und Union Berlin gegen den Einszieg eines Investors.
Quelle: epa
ZDFheute: Herr Kessen, die Debatte um den Investoren-Einstieg lebt wieder auf, nachdem das Spiel
Hertha gegen HSV kurz vor einem Spielabbruch stand. Haben die Fans bei GDL-Chef Claus Weselsky gelernt, wie man mit maximalem Aufruhr seine Forderungen durchsetzt?
Thomas Kessen: Das wäre mir neu. Aber die 32 Minuten Unterbrechung haben dafür gesorgt, dass das Thema jetzt breit diskutiert wird. Vorher gab es schon über Wochen dutzende Unterbrechungen von wenigen Minuten und Schweige-Proteste, die bisher kaum auf mediales Echo gestoßen sind.
Thomas Kessen vom Fan-Bündnis "Unsere Kurve"
Quelle: privat
ZDFheute: Also musste der Holzhammer herausgeholt werden?
Kessen: Protest – und das ist vielleicht eine Parallele zur Bahn – ist nur spürbar, wenn er registriert wird und wehtut. Im übertragenen Sinne, natürlich: In Berlin wurde mit Tennisbällen ein Spiel unterbrochen. Niemand kam zu Schaden, niemand wurde verletzt. Es wurde nur der gewohnte Ablauf vorübergehend unterbrochen. Das nervt einige sicher, ist aber denkbar harmlos.
Mit Tennisbällen und Schokotalern protestieren Fußballfans gegen einen möglichen DFL-Investor. Und stören dabei den Spielbetrieb erheblich, was Fragen aufwirft.
ZDFheute: Was sind Ihre Ziele?
Kessen: Die Abstimmung zum Investor muss wiederholt werden, diesmal allerdings demokratisch und offen. Und klar: Von Fan-Seite bauen wir darauf, dass sich am Ende mehr Vereine dagegen entscheiden, wenn die Abstimmung offen wiederholt wird, was mittlerweile ja auch einige Vereinsvertreter fordern.
ZDFheute: Was war an der Abstimmung im Dezember denn so undemokratisch?
Kessen: Der unglaublich kurze Zeitplan der DFL hat eine geordnete demokratische Beteiligung der Vereinsmitglieder nahezu unmöglich gemacht, überall, wo Mitglieder sich geäußert haben, war die Ablehnung einhellig. Und dann gab es bekanntlich noch Klubs, die ihre Geschäftsführungen angewiesen haben, entsprechend abzustimmen - offenbar haben einige sich nicht daran gehalten.
Braucht die Deutsche Fußball-Liga einen Investor? Manu Thiele analysiert Pro und Contra der Thematik.04.05.2023 | 14:04 min
ZDFheute: Sie spielen auf Martin Kind an, dem gegenüber der Verein weisungsbefugt ist und der möglicherweise dennoch für das Investorenmodell gestimmt hat.
Kessen: Man weiß nicht, wie er abgestimmt hat, aber schon das fände ich als 96-Mitglied ärgerlich. Bei einer offenen Wahl wüsste jeder einzelne Verein, ob 50+1 respektiert wurde oder nicht.
ZDFheute: Stuttgarts Präsident Claus Vogt forderte Neuwahlen, da man nicht wisse, ob das Ergebnis demokratisch zustande gekommen sei. Ähnlich äußern sich auch andere Vereine.
Kessen: Es war ein großer Fehler der DFL, dass ohne Not ein so enger Zeitplan vorgegeben wurde, dass die Mitglieder nicht einbezogen werden konnten und dann auch noch in geheimer Wahl entschieden wurde. Ob es anders aber ein Ja zu Investoren gegeben hätte, sei dahingestellt.
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ZDFheute: Warum
ist das beschlossene Investoren-Modell so schlimm? Im Vergleich zur ersten Version, die die nötige Zweidrittel-Mehrheit verfehlte, ist man den Kritikern doch entgegengekommen. Die DFL spricht von roten Linien, die der Investor nicht überschreiten könne.
Kessen: Diese roten Linien können durch einfach Mehrheit unter den DFL-Klubs jederzeit verändert werden. Hinzu kommt nun eine weitere, eine 37. Partei an den Verhandlungstisch. Und diese Partei hat bloß ein einziges Interesse: Rendite.
ZDFheute: Was soll die 37. Partei ausrichten, wenn sich die anderen 36 einig sind?
Kessen: Da Politik nicht an Verhandlungstischen gemacht wird, sondern am Buffet in der Pause, haben wir zukünftig die Situation, dass an diesem Buffet jemand steht, von dem alle anderen wissen, dass er die dicken Scheine in der Tasche hat. Und plötzlich kann man doch mit Verein XY verhandeln, der dringend Geld braucht und dann sicher gerne für ein paar Millionen in Riad spielt.
ZDFheute: Die DFL schließt auch eine weitere Zerstückelung der Spieltage aus.
Kessen: Wenn es um eine Internationalisierung geht, die sich auch für den Investor lohnt, ist es nur logisch, schon bald möglichst viele Spiele zu unterschiedlichen Zeiten zu zeigen. Die Büchse der Pandora ist geöffnet, wenn die DFL nicht zur Vernunft kommt.
Das Interview führte Christoph Ruf