Kommentar
Fußball-Bundesliga:Götterdämmerung und Wahnsinn im Liga-Finale
Bayerns Ministerpräsident hatte also recht: Dortmund sei wohl zu doof, um Meister zu werden, orakelte Markus Söder. Im wilden Liga-Finale hat der BVB den FCB zum Meister gemacht.
Dortmunder Entsetzen und Trauer nach der verspielten Meisterschaft
Quelle: epa
Negativer Höhepunkt aus schwarz-gelber Sicht im Schneckenrennen um die Schale: Statt eines schwarz-gelben Freudentaumels rund ums Stadion und am Borsigplatz, der spirituellen Heimat des BVB, gibt‘s Tränen, Trauer und Totenstille bei allen Romantikern, die das Ende der Bayern-Herrschaft nach mehr als einem Jahrzehnt herbeigesehnt hatten.
Kein Fußballgott im Westen
2000 Leverkusen, 2001 Schalke - und 2023 Borussia Dortmund. Die drei Westvereine eint nun also das Scheitern quasi in letzter Sekunde. Der Fußballgott, mögen manche sagen, kommt nicht aus Nordrhein-Westfalen, und aus dem Pott schon gar nicht. Aber abgerechnet wird eben immer erst nach 34 Spieltagen. Deshalb: Der FC Bayern feiert verdient seine 33. Deutsche Meisterschaft!
Dass wir überhaupt endlich mal wieder bis zum letzten Spieltag, bis zur letzten Minute mitfiebern durften, macht den Lieblingssport der Deutschen umso attraktiver - und verdankt dies in erster Linie doch den Münchnern selbst. Denn Dortmunds neue Stärke hat viel zu tun mit der hausgemachten Schwäche der Bayern in der längst knallharten Business-Branche Fußball.
Fassungslosigkeit bei Borussia Dortmund nach der verspielten Meisterschaft, aber auch Hoffnung auf den nächsten Anlauf. Diesen muss der BVB aber wohl ohne Jude Bellingham starten.27.05.2023 | 3:07 min
Götterdämmerung bei den Bayern
Nach meinem Dafürhalten die einzig richtige Entscheidung, weil die beiden Herren, ob wegen mangelnden Fingerspitzengefühls oder fehlender Expertise, die Mannschaft unterwegs verloren und die Position des Trainers im schönsten Kahn-Jargon "enteiert" hatten.
Keine rechte Feierstimmung beim FCB
Wie sagte Nagelsmann-Nachfolger Thomas Tuchel neulich so schön:
Manchmal täten sich unverhofft Türen auf, und dann müsse man einfach hindurchgehen. So darf der so kurzfristig engagierte neue Trainer dank Jungstar Jamal Musiala doch noch die Minimallösung im Bayern-Dress feiern. Zu echter Feierstimmung reicht dieser Titelgewinn von Dortmunds Gnaden in München kaum. Zu viel liegt ganz offensichtlich in der inneren Vereins-, aber auch der Mannschaftsstruktur im Argen.
Personeller Paukenschlag an der Säbener Straße: Der FC Bayern München trennt sich von Vorstandschef Oliver Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidzic.
Der Ballspiel-Verein Borussia indes hat Nerven gezeigt und die lange unverhoffte und seit einer Woche quasi sicher geglaubte Chance nicht genutzt. Zuletzt schien es dem Haut-und-Haare-BVB-Trainer Edin Terzic gelungen zu sein, seinen Jungs diesen Gedanken der Einmaligkeit gewisser Lebenschancen einzupflanzen.
BVB hollywoodreif
Terzic wirkt trotz des bitteren Niederschlags als der richtige Mann an richtiger Stelle. Es hat aber eben doch nicht sollen sein, dass etwa Kapitän Marco Reus in der Spätphase seines ballorientierten Schaffens seine persönliche Meistertitellosigkeit beendet.
Dabei liefert der BVB den Stoff zur hollywoodreifen Drama-Inszenierung gleich mit - in Gestalt von Sebastien Haller. Gekommen als hoffnungsvoller Haaland-Ersatz, mit der Schock-Diagnose Hodenkrebs sehr bald am Boden zerstört - und mit extremer Willensstärke noch in dieser Saison zurückgekommen. Keine Ahnung, ob derlei emotionale Erfolgsstorys die Dortmunder Mannschaft tatsächlich beflügelt hatten.
Haller, der tragische Held
Aber ihr Aufschwung in der
Bundesliga-Rückrunde ist schon bemerkenswert - hier innere Zusammenhänge zu attestieren, scheint nicht zu weit hergeholt. Dass ausgerechnet dieser Haller zum tragischen Helden avanciert mit dem wohl vorentscheidend verschossenen Elfmeter gegen Mainz - der Bundesliga-Wahnsinn hat Methode.
Thomas Müller, Jamal Musiala und Trainer Thomas Tuchel beschreiben nach dem Spiel ihre Gefühle nach dem Gewinn der Meisterschaft.27.05.2023 | 1:44 min
Quelle: ZDF