Sportökonom zu Gratis-Tickets:"Zuschauer werden mit Berieselung bezahlen"
von Ralf Lorenzen
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Fortuna Düsseldorf will Fans umsonst ins Stadion lassen. Das ist innovativ und kann Wachstum erzeugen. Sportökonom Breuer sieht aber auch ökonomische und kommunikative Risiken.
Gratis-Tickets im Profifußball - ein gute Idee für die Fans?
Quelle: imago / Moritz Müller
Seit der Vorstand von Fortuna Düsseldorf am Mittwoch bekanntgegeben hat, von der kommenden Saison an ausgewählte Partien und langfristig alle Heimspiele ohne Eintrittsgeld anzubieten, ist vielfach von einer "Revolution" die Rede. Dabei spinnt dieser Plan nur weiter, was in den Marketingabteilungen der Profiklubs längst angedacht wird.
Wachstum durch größere Fanbasis
"Es ist kein neuer Gedanke, dass Wachstum im Profifußball insbesondere über eine Verbreiterung der Fanbasis erfolgt", sagt Sportökonom Christoph Breuer im Gespräch mit ZDFheute: "Damit nicht immer die gleichen Leute ins Stadion kommen, beschränken große Klubs den Verkauf von Dauerkarten, Ticketpreise werden nicht oder nur moderat erhöht."
Es sollen möglichst viele unterschiedliche Personen im Verlauf einer Saison in den Genuss eines Stadionerlebnisses kommen, um so neue Fans, Mitglieder und Kunden für Fanartikel zu gewinnen.
Christoph Breuer, Sportökonom
Bei den erhofften Zusatzeinnahmen geht es längst nicht mehr nur um Schals und Bettwäsche. Weltweit wird daran gearbeitet, ein emotionalisiertes Stadionerlebnis mit digitalen und medialen Angeboten enger zu verzahnen, um so mehr Kunden zu gewinnen.
"Digitale Monetarisierung und Fanorientierung - Wie Klubs ihre Erlöse durch digitale Fan-Interaktion steigern können" - dieser Titel eines Beitrages auf der Sportbusiness-Plattform "Spobis" bringt den Trend auf den Punkt.
Gratis-Tickets kein Modell für alle
Um das erhoffte Wachstum in diesem Sektor mit freiem Eintritt zu erreichen, ist der Standort Düsseldorf laut Breuer besonders geeignet. Dort gebe es ein großes Stadion, dessen Kapazität mit durchschnittlich 30.000 Zuschauern aber nur gut zur Hälfte ausgefüllt sei. Außerdem sei Düsseldorf, "ein starker Wirtschaftsstandort, um zusätzliche Sponsoren zu generieren" und biete "ein großes Einzugsgebiet mit potenziellen Besuchern".
Da diese Kriterien nur an wenigen Standorten in den Bundesligen erfüllt werden, glaubt Breuer nicht daran, dass das Modell große Verbreitung findet. Klubs wie der 1. FC Köln und der SC Paderborn haben schon abgewunken.
Risiko: Mehr Zuschauer ohne Kauflust
Aber auch für die Fortuna, die Sponsoren gefunden hat, die die ersten fünf Jahre des Modells mit 45 Millionen Euro finanzieren, gibt es Risiken. Die bestehen nicht primär darin, die Ticketeinahmen, die bei der Fortuna laut "Süddeutscher Zeitung" aktuell knapp zehn Millionen Euro pro Saison ausmachen, langfristig nicht über Sponsoren kompensieren zu können.
Riskanter ist die veränderte Zusammensetzung des Publikums. "Ökonomisch hat der Ticketpreis die Funktion, diejenigen ins Stadion zu holen, denen der Besuch besonders wichtig ist und die dadurch eine entsprechende Zahlungsbereitschaft mitbringen", sagt Breuer: "Bei einer Lotterie werden diese nicht unbedingt ausgelost. Das kann man zwar steuern, aber je mehr Zuteilungskriterien es gibt, desto stärker wird der basisdemokratische Gedanke unterminiert."
Risiko: Enttäuschte Fan-Erwartungen
Der soziale Anspruch, der mit dem Label "Fortuna für alle" betont wird, hat zu einer positiven Reaktion aus Fankreisen geführt. "Wir vertreten seit Jahren die Auffassung, dass Fußball für alle da sein soll", sagte Thomas Kessen, Sprecher des bundesweiten Fanbündnisses "Unsere Kurve", dem Sport-Informationsdienst: "Da geht es natürlich auch um Eintrittspreise."
Nach derzeitigem Stand der Faktenlage ist die Idee von Fortuna daher zu begrüßen.
Thomas Kessen von "Unsere Kurve"
Christoph Breuer sieht die Gefahr, dass die bei den Fans geschürten Hoffnungen enttäuscht werden könnten. "Es wird eine hohe Erwartungshaltung aufgebaut, wie basisdemokratisch und sozial das Unterfangen ist. Aber man wird den Sponsoren auch etwas bieten müssen: besondere Werbemöglichkeiten oder den Vertrieb der Tickets über die digitale Plattform des Sponsors", sagt Breuer:
Am Ende werden die Zuschauer mit einer Berieselung durch Werbung bezahlen müssen. Das passt nicht in den basisdemokratischen, zum Teil antikommerziellen Anstrich.
Christoph Breuer, Sportökonom
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