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Telegram-Recherche:Sabotage-Anwerbung: Spur führt nach Russland
von C. Huppertz, A. Izumrudov, I. Lozovsky, B. Obermayer, H. Roonemaa, M. Vunš, F. Schmid
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In Europa häufen sich Sabotageakte, immer wieder finden Ermittler Spuren nach Russland. ZDF-frontal-Recherchen zeigen nun, wie Recruiter auf Telegram Saboteure anwerben.
Screenshot des Telegram-Chats von "Privet Bot"
Quelle: Telegram
Die Fragen des Recruiters im Telegram-Chat sind knapp, zielgerichtet, soldatisch: Name? Wohnort? Militärische Erfahrung? Sein Gegenüber versucht möglichst schnell, aber vage zu antworten.
Plötzlich tippt der Anwerber, der sich "Privet Bot" nennt, einen Satz, der aus der Reihe fällt. Er wolle sicherstellen, dass die Ernsthaftigkeit der Dinge, die hier besprochen werden, klar sei:
"Hast du schon mal getötet?"
Recruiter bietet für Mord 10.000 US-Dollar
Hinter dem Telegram-Account "Privet Bot" - russisch für "Hallo-Bot" - steckt offenbar ein Sabotage-Recruiter. Was der nicht weiß - sein Gegenüber ist in diesem Fall ein Undercover-Reporter eines internationalen Journalistenteams.
Der Messenger-Dienst Telegram ist seit Jahren im Visier der Behörden. Rechte nutzen die App, um sich zu vernetzen und Falschnachrichten zu verbreiten.15.12.2021 | 2:32 min
Dessen Recherchen belegen erstmals, wie über die Plattform Telegram Helfer für Sabotageakte im Interesse Russlands angeworben werden sollen. Die Kooperation von ZDF frontal mit dem estnischen Medium Delfi, Der Standard aus Österreich und dem Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) gibt Einblick, wie online potentielle Saboteure gecastet werden - und wie weit die möglichen Aufträge gehen. In diesem Fall: bis hin zu Mord. Dafür, so verspricht der "Hallo-Bot", gibt es 10.000 US-Dollar, "pro Kopf".
Verfassungsschutz warnt vor Sabotageakten
Seit Monaten häufen sich Sabotageakte in Europa, auch in Deutschland. Im Frühjahr ließ der Generalbundesanwalt zwei mutmaßliche Agenten in Bayreuth festnehmen, die im Auftrag des russischen Geheimdiensts Sabotageaktionen in Deutschland geplant haben sollen.
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Aus Frankreich, Polen und Lettland gibt es Berichte von ähnlichen Vorfällen, von brennenden Einkaufszentren und ausspionierten Armeestützpunkten.
Der Bundesverfassungsschutz äußerte sich Ende Juli ungewohnt deutlich zu der Gefahr von russischen Sabotageakten: Nicht nur militärische Objekte könnten Ziel der Sabotage werden, sondern auch zivile Ziele, "deren strategische Bedeutung für Russland sich nicht unmittelbar erschließt". Es bestehe eine erhöhte Gefährdung.
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Offene Suche nach Saboteuren in Telegram-Gruppen
Aus deutschen Sicherheitsbehörden heißt es, Telegram sei derzeit das Kommunikationsmedium, das russische Akteure am häufigsten nutzen, um Personen anzuwerben. Nicht erst seit Telegram-Gründer Pawel Durow Ende August in Frankreich festgenommen wurde, ist der Dienst umstritten.
Ende August ist der Chef der Messenger-App Telegram nahe Paris festgenommen worden. Die französische Justiz wirft dem Russen vor, zu wenig gegen kriminelle Aktivitäten auf Telegram vorzugehen.25.08.2024 | 2:40 min
Politiker wie Aktivisten warnen seit Jahren, dass die Plattform von Demokratiefeinden genutzt werde. In Deutschland hat das Bundesamt für Justiz (BfJ) vor etwa zwei Jahren Bußgelder in Höhe von 5,1 Millionen Euro gegen den Dienst verhängt, weil es dort nicht die nach deutschem Recht verpflichtende Möglichkeit gibt, strafbare Inhalte zu melden zu - Telegram hat dagegen Einspruch eingelegt.
Recruiter prahlen mit angeblichen Erfolgen
Wer den Kontakt zu mutmaßlich russischen Recruitern sucht, findet ihn in einer öffentlichen Telegram-Gruppe namens Grey Zone, die Mitgliedern der ehemaligen russischen Wagner-Miliz zugeordnet wird.
Dort wird offen nach Saboteuren gesucht und mit angeblichen Erfolgen geprahlt: "Infolge zufälliger Umstände" sei etwa eine Verteilerstation für Flüssiggas nahe der ukrainischen Grenze in Rumänien in Brand geraten, heißt es da ironisch, ebenso einige Zugwagons.
Hochgeladene Videos zeigen den gut 500.000 Mitgliedern der Gruppe brennende Zugteile und dichte Rauchwolken. Die Aufnahmen dokumentieren nicht tatsächliche Anschläge, tun aber ihre Wirkung.
Kurz vor der Eröffnung der Olympischen Spiele in Paris haben Unbekannte das französische TGV-Schnellzugnetz angegriffen. ZDFheute live zur Sicherheitslage im Land.26.07.2024 | 23:18 min
"Ihr seid die, vor denen der Westen sich fürchtet"
Für die "Einwohner der europäischen Länder" gibt es einen eigenen Telegram-Chatbot, über den Interessenten an echte Ansprechpartner kommen. Die wiederkehrenden Aufrufe sind auch in Englisch und Französisch und wurden von anderen Kanälen geteilt: "Ihr seid die, vor denen der Westen sich fürchtet", heißt es dort. Und: "Sie haben Angst, dass es mehr von euch gibt. Und es gibt mehr von euch".
Zu diesem Chatbot nehmen Reporter der Recherchekooperation im Sommer verdeckt Kontakt auf - getarnt als Valeri Ivanov, 26, Landvermesser aus der estländischen Hauptstadt Talinn. Die Anwerber wollen ein Geburtsdatum, ein Ausweis-Dokument und ein Selfie-Video sehen, dann beginnt der Chat.
Gezahlt wird in Kryptowährungen
Die Rahmenbedingungen: Wenn "Valeri" bereit sei, in Europa zu arbeiten, könne er hier Geld verdienen - gezahlt werde in Kryptowährungen. Als erstes soll er einen Molotow-Cocktail bauen, im Wald üben und ein Video schicken. Als nächstes geht es um militärische Ziele, er könne etwa einen LKW in Brand setzen, der militärische Ausrüstung transportiert. "Wenn du einen Panzer oder einen gepanzerten Mannschaftstransporter anzündest, gebe ich dir 10k", schreibt der anonyme Recruiter. Am besten: NATO-Gerät.
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Und dann wird es noch härter: "Valeri Ivanov" könne zum Beispiel "einen Faschisten auf dem Territorium der baltischen Staaten töten". Für "Schwuchteln, die die Gräber russischer Soldaten schänden" gebe es "10.000 pro Kopf".
Nach frontal-Recherche: Kanäle sind geblockt
ZDF frontal und seine Recherchepartner haben den Gesprächsverlauf vier europäischen Sicherheitsbehörden vorgelegt, die den Recruiter für authentisch halten - auch wenn unklar ist, wer sich hinter dem Account verbirgt. Aus deutschen Sicherheitsbehörden heißt es dazu, oft wüssten nicht einmal die angeworbenen Saboteure, für wen sie tätig würden. Aber: "Fähig dazu wären alle drei russischen Geheimdienste."
Nachdem das ZDF und seine Partner am Dienstag einen Fragenkatalog zu dem Anwerbe-Bot an Telegram geschickt hatten, war der Zugang zum Grey-Zone-Channel über die Telegram-App aus zahlreichen EU-Ländern geblockt. Stattdessen erschien die Nachricht: "Dieser Kanal kann nicht angezeigt werden, weil er örtliche Gesetze verletzt hat."
Telegram bestätigte auf Anfrage das Blockieren der Accounts und gab an, Posts zu löschen, die zu Straftaten aufrufen, wenn man sie "entdecke". Die russische Regierung reagierte nicht auf Anfragen des ZDF.
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