Spionage-Skandal in Polen: Hunderte Politiker ausgespäht
Spionage-Skandal in Polen:Mit Pegasus-Software Politiker ausgespäht
von Andreas Weise und Milena Drzewiecka
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Auf Anweisung der im Herbst abgewählten PiS-Regierung wurde zwischen 2017 und 2022 knapp 600 Menschen eine Spionagesoftware auf ihre Smartphones geschmuggelt.
Mehr als 500 Personen sollen in den Jahren 2017 bis 2022 von der damals regierenden PiS mit der israelischen Spionage Software Pegasus abgehört worden sein.19.04.2024 | 2:12 min
Krzysztof Brejza soll zur Staatsanwaltschaft - und er geht gern dorthin. Er ist EU-Abgeordneter der in Polen regierenden Bürgerplattform (PO). Und er ist Opfer eines Skandals, der in Polen schon mit der berühmten Watergate-Affäre verglichen wird, die vor 50 Jahren die USA in ihren politischen Grundfesten erschütterte.
Unter dem Decknamen Pegasus wurden von der ehemaligen national-konservativen PiS-Regierung, die letztes Jahr die Macht verloren hat, eine in Israel entwickelte Software gegen 578 Menschen eingesetzt, darunter damalige Oppositionspolitiker. Pegasus wird über Fake-Nachrichten auf Smartphones geschmuggelt, kann dort dann Chats kopieren, Gespräche mitschneiden.
Laut einer Recherchegruppe wurden vor einigen Jahren weltweit Journalisten, Aktivisten und Oppositionelle abgehört. Auch die ungarische Regierung habe die Software Pegasus dafür missbraucht.19.07.2021 | 2:01 min
Mysteriöse Nachrichten von Politiker aufgetaucht
2019 war Brejza Manager des Parlamentswahlkampfs der damals oppositionellen Bürgerplattform des jetzigen polnischen Premiers Donald Tusk. Plötzlich tauchten Nachrichten auf, die er verschickt haben soll und die ihn schlecht aussehen ließen, die nach seiner Einschätzung sogar zur Wahlpleite der Bürgerplattform bei den Wahlen damals beitrugen.
Polens Ministerpräsident Tusk hat dem Land den politischen Neustart versprochen. Stattdessen tobt ein Machtkampf mit der nationalistischen Vorgängerregierung.17.01.2024 | 6:45 min
Brejza und 30 weitere Zeugen sollen nun von der Staatsanwaltschaft vernommen werden. Doch auch vor einem offiziellen Untersuchungsergebnis sorgt Pegasus, das geflügelte Pferd der antiken Mythologie, für einen veritablen Sturm in der polnischen Öffentlichkeit.
PiS verteidigt Einsatz von Spionage-Software
PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski verteidigt den Einsatz der Spionage-Software:
Und der PiS-nahe Staatspräsident Andrzej Duda springt ihm bei: "Das System wurde zur Verfolgung von Verbrechen gekauft. Wäre es anderweitig verwendet worden, sollte natürlich das angemessene Maß an Verantwortlichkeit gelten, aber es wurde gekauft, um gegen Kriminalität modern und erfolgreich zu kämpfen."
In Polen haben Zehntausende Anhänger der PiS-Partei gegen die neue Mitte-Links-Regierung protestiert. Sie sind unter anderem gegen die Reform der öffentlich-rechtlichen Medien.12.01.2024 | 0:17 min
Justizminister vermutet, dass Zustimmung "erschwindelt wurde"
Justizminister Adam Bodnar, der zugleich der Generalstaatsanwalt in Polen ist, kontert in einer Talkshow des Senders TVN24 Mitte April:
Polens Premier Donald Tusk setzt noch einen drauf: "Ich akzeptiere nicht die Kommentare der PiS-Leute, die behaupten, dass das Abhören, die Beauftragung von Detektivfirmen zur Überwachung von Abgeordneten der Opposition und der Einsatz von Abhörgeräten legal und in Ordnung waren."
Tusk will PiS zur Rechenschaft ziehen
Im letzten Wahlkampf versprach Tusk, die PiS zur Rechenschaft zu ziehen. Die Pegasus-Affäre ist eine von denen die aufgeklärt werden sollen. Und eine die weitere Fragen bezüglich des Systems PiS aufwirft, das ja auch aus Brüssel wegen mangelnder Rechtsstaatlichkeit immer wieder kritisiert wurde.
In Bayreuth sind zwei Männer unter dem Verdacht der Spionage für Russland festgenommen worden. Die Deutschrussen hätten potenzielle Anschlagsziele ausgekundschaftet.18.04.2024 | 2:08 min
Mittlerweile gibt es auch Vermutungen, dass die PiS-Regierung Politiker aus den eigenen Reihen ausgespäht haben soll. Außerdem zählt wohl auch eine Staatsanwältin, die die umstrittene Justizreform der PiS-Regierung kritisiert hatte, zu den Ausgespähten.
Ein Untersuchungsausschuss des Sejm, des polnischen Parlaments, befasst sich jetzt mit der Affäre.
Krzysztof Brejza ist, wie die anderen Betroffenen, erschüttert, sieht aber auch nach vorn: "Ich glaube, dass die Opfer der illegalen Überwachung zu ihrem Recht kommen werden. Ich glaube auch, dass eine solche Geschichte nie wieder jemandem passieren wird", schrieb er auf X.