Niger-Krise: Diplomatie für Ecowas laut Nigeria "bester Weg"
Nach Militärputsch:Nigeria: Diplomatie in Niger-Krise bester Weg
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Nach dem verstrichenen Ultimatum für die Niger-Putschisten will Ecowas vorerst auf Diplomatie setzen. Die Krise hat auch wirtschaftliche Folgen für den Staatenbund-Vorsitz Nigeria.
Nigerias Präsident Tinubu zufolge hat der Staatenbund Ecowas bei möglichen Maßnahmen gegen die Niger-Putschisten "keine Optionen vom Tisch genommen". (Archivbild)
Quelle: Imago
Nigeria hat vor dem Sondergipfel westafrikanischer Staaten zum Putsch im Niger die Hoffnung auf eine diplomatische Lösung im Nachbarland betont. Präsident Bola Tinubu glaube, dass Diplomatie "der beste Weg vorwärts" zur Lösung der Krise im Niger sei, sagte sein Sprecher.
Nigerias Staatschef ist derzeit Vorsitzender des Staatenbunds Ecowas. Sein Sprecher betonte, dies sei "die Konsens-Position der Ecowas-Staatschefs". Er fügte allerdings hinzu, es seien "keine Optionen vom Tisch genommen" worden.
Ecowas-Sanktionen gegen Niger mit Folgen für Nachbar Nigeria
Der Staatenbund hatte mit Maßnahmen bis hin zu einem Einmarsch gedroht, falls die Verfassung des Nigers nicht wiederhergestellt wird. Die Ecowas-Staatschefs wollen sich am Donnerstag in Nigerias Hauptstadt Abuja treffen, um ihr weiteres Vorgehen zu beschließen.
Die Ecowas-Sanktionen gegen den Niger haben auch spürbare Auswirkungen auf Wirtschaft und Alltag im Norden Nigerias. Seit die Grenze zum Niger geschlossen sei, hätten sich die Preise für Vieh, tierische Erzeugnisse und andere Waren, die bislang aus der grenznahen nigrischen Stadt Maradi bezogen wurden, erhöht, berichteten Anwohner gegenüber der Nachrichtenagentur AP.
Der Niger und Nigeria haben eine 1.600 Kilometer lange gemeinsame Grenze. Die länderüberschreitende Wirtschaft dort boomte.
Quelle: ZDF
Niger liegt im Herzen der Sahelzone in Westafrika und besteht zu zwei Dritteln aus Wüste. Das Land kämpft mit dschihadistischer Gewalt, die zur Flucht von Hunderttausenden führte. Der Niger ist einer der letzten Verbündeten des Westens in der Sahelregion. Die Nachbarn Mali und Burkina Faso haben sich anderen Partnern zugewandt, darunter Russland.
Der westafrikanische Binnenstaat Niger hat seit seiner Unabhängigkeit von Frankreich im Jahr 1960 bereits vier Putsche und zahllose Versuche der Machtübernahme erlebt. Der letzte Versuch einer Absetzung Bazoums war nach Angaben eines nigrischen Beamten im März, als sich der Präsident in der Türkei befand. Die Behörden äußerten sich dazu nie öffentlich. Bazoum war vor zwei Jahren beim ersten friedlichen Machtwechsel des Landes seit der Unabhängigkeit ins Amt gewählt worden.
Quelle: AFP
Putschisten setzten nach Machtübernahme Verfassung außer Kraft
Am 26. Juli hatten Offiziere der Präsidialgarde im Niger den demokratisch gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum entmachtet. Der Kommandeur der Eliteeinheit, Abdourahamane Tiani, ernannte sich im Anschluss zum neuen Machthaber. Kurz nach Tianis Machtübernahme setzten die Putschisten die Verfassung außer Kraft und lösten alle verfassungsmäßigen Institutionen auf.
Das 26-Millionen-Einwohner-Land war ein wichtiger strategischer Verbündeter des Westens und die letzte demokratisch gewählte Regierung im Inneren der von islamistischen Terrorgruppen überrannten Sahelzone.
Es herrsche "durchaus noch Verhandlungsbereitschaft", es sei aber abzuwarten "wie nach Ablauf des Ultimatums die ECOWAS Staaten reagieren werden", so ZDF-Reporter Jan Fritsche.07.08.2023 | 3:30 min
Junta lehnt Verhandlungen mit UN, Ecowas und Afrikanischer Union ab
Die Militärjunta verweigerte zuletzt einer für Dienstag geplanten Verhandlungsmission der Vereinten Nationen, des Staatenbunds Ecowas und der Afrikanischen Union die Einreise.
Die US-Regierung hofft weiter auf eine diplomatische Lösung - dämpft aber gleichzeitig die Erwartungen. Man habe noch Hoffnung, sei aber gleichzeitig realistisch, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, am Dienstag in Washington.
... wurde 1975 gegründet und hat 15 Mitgliedsstaaten in Westafrika. Diese sind Benin, Kap Verde, die Elfenbeinküste, Gambia, Ghana, Guinea-Bissau, Liberia, Nigeria, Senegal, Sierra Leone und Togo. Niger, Burkina Faso, Guinea und Mali sind derzeit suspendiert.
Hauptziel des Staatenbundes war zunächst die Förderung wirtschaftlicher Zusammenarbeit. Anschließend kamen Programme in den Bereichen Politik, Soziales, Kultur und Gesundheit hin. Ecowas ist die älteste und die aktivste afrikanische Regionalorganisation. Als zentral gilt das Protokoll zur Personenfreizügigkeit von 1979. Darin ist geregelt, dass sich Ecowas-Angehörige bis zu 90 Tage ohne Visum in den Mitgliedstaaten aufhalten und ihren Wohnsitz in der Region frei wählen können.
Den Vorsitz, der auf ein Jahr beschränkt ist, hat seit Juli Nigerias Präsident Bola Tinubu. Es gibt einen Ministerrat und ein Parlament mit 115 Sitzen. Die Abgeordneten werden jedoch nicht direkt gewählt.
1990 wurde die Beobachtergruppe Ecomog als militärischer Arm gegründet, um bei Konflikten in der Region einzugreifen. Das geschah erstmals im Bürgerkrieg in Liberia ab 1990 und zuletzt 2017 in Gambia unter dem Namen "Operation Wiederherstellung der Demokratie". Damals akzeptierte Langzeitherrscher Yahya Jammeh seine Wahlniederlage nicht.
Ecowas kommt in der Region aber vor allem eine Vermittlerfunktion in Krisen zu. Allerdings steht sie zunehmend in der Kritik. Als Malis Übergangsregierung unter Assimi Goita 2022 ankündigte, nicht wie geplant Präsidenten- und Parlamentswahlen zu organisieren, sanktionierte Ecowas das Land etwa durch Grenzschließungen. Monate später musste sie diese wieder aufheben. Quelle: KNA
Mali und Burkina Faso gegen Militärintervention im Niger
US-Außenminister Antony Blinken hat nach eigenen Angaben mit dem entmachteten Präsidenten Bazoum gesprochen und dabei die Bemühungen unterstrichen, eine friedliche Lösung des Konflikts zu erreichen. Blinken bekräftigte zudem die Forderung der USA, Bazoum und seine Familie unverzüglich freizulassen.
Es gelte "neben der Verschlechterung der Sicherheitslage mit der Zunahme und Ausbreitung terroristischer Gruppen auch ein humanitäres Drama zu verhindern", heißt es in dem Schreiben. Sowohl Mali als auch Burkina Faso sind derzeit nach Putschen in ihren Ländern von der Ecowas suspendiert und hatten sich deutlich an die Seite der Militärmachthaber im Niger gestellt.
Militärchefs der Ecowas-Länder hatten in der vergangenen Woche einen Plan für eine mögliche Intervention vorgelegt. Der französische Sender RFI berichtete am Dienstag, dass die Planungen eine Truppe von 25.000 Soldaten umfasse. Neben Nigeria hatten Benin, der Senegal und die Elfenbeinküste ihre Bereitschaft zum Militäreinsatz erklärt.
Trotz angedrohten militärischen Konsequenzen wird die westafrikanische Staatengemeinschaft im Niger wohl eher auf Diplomatie setzten. Die USA hatten damit jedoch keinen Erfolg.