Deutschland: Wie Schulen mit dem Nahost-Konflikt umgehen
Zuhören, erklären, einschreiten:Wie Schulen mit dem Nahost-Konflikt umgehen
von Dominik Müller-Russell
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Wie umgehen mit emotionalen Äußerungen von Schülern? Vor allem Schulen mit hohem Migrantenanteil befürchten aufgeheizte, im schlimmsten Fall antisemitische Debatten.
Der Nahost-Konflikt hat auch die Klassenzimmer in Deutschland erreicht. (Symbolbild)
Quelle: dpa
Das Telefon steht nicht mehr still in diesen Tagen bei Florian Beer. Der Lehrer arbeitet bei der Antidiskriminierungsstelle "Sabra", die von der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf und vom Familienministerium Nordrhein-Westfalen getragen wird.
Florian Beer unterstützt Schulleitungen oder Lehrkräfte, wenn sich Schüler und Schülerinnen antisemitisch äußern; er bildet auch Lehrer weiter, wie sie Antisemitismus an Schulen vorbeugen können.
Nun ist seine Hilfe gefragter denn je. An vielen Schulen, vor allem mit hohem Anteil muslimischer Schüler, haben Lehrkräfte Sorge, die Stimmung könne sich immer weiter aufheizen, außer Kontrolle geraten. Klar müsse sein, so Beer: Der Überfall der Hamas sei "Genozid, Terror, das schlimmste Pogrom seit dem Zweiten Weltkrieg" gewesen. "Wenn da Rechtfertigungen kommen, muss man die sofort unterbinden", sagt Florian Beer. "Aber: Über Emotionen kann man gut miteinander ins Gespräch kommen. Etwa, um zu erklären, dass auch in Israel viele arabische Menschen leben, nicht nur Juden."
Schulleiterin Raabe: Den Schülern zuhören
Vor dieser Herausforderung stehen sie auch an der Trude-Herr-Gesamtschule in Köln-Mülheim. Viele Migrantinnen und Migranten sind in den Klassen, etliche mit arabischem Hintergrund, einige mit palästinensischem. Sie haben auch Schüler jüdischen Glaubens.
Schulleiterin Monika Raabe berichtet:
Sie hat ihr Kollegium gebeten, aufmerksam zu sein, den Schülern zuzuhören und Gesprächsangebote zu machen - also sensibel zu sein und zu erklären.
Lehrkräfte versuchen, Fakten zu benennen, aufzuklären
Und so gehen ihre Kolleginnen und Kollegen in den Klassenräumen nun schwierigen Stoff durch. Auch Felix Rist, der seiner neunten Klasse erläutert, dass die Hamas nicht mit "den Palästinensern" gleichzusetzen ist und dass die allermeisten Palästinenser den Terror der Hamas ablehnen.
"Ich versuche, Fakten zu nennen und den Schülern ein sachliches Bild zu zeichnen", sagt er.
Fake News und Hassbotschaften
Wie zu Hause in den Familien, über das Thema geredet wird, wissen sie an den Schulen nicht. Aber sie wissen, wie viel in den Sozialen Medien auf die Jugendlichen einprasselt, auch an Fake News und Hassbotschaften.
Der Lehrer und Bildungspodcaster Bob Blume beobachtet einen Kontrollverlust. Lehrer stießen häufig an ihre Grenzen, erst recht beim Nahostkonflikt.
Bildungspodcaster: An der Seite der Schüler sein
Auch seine Expertise ist zurzeit besonders gefragt. An der Albert-Schweitzer-Realschule in Krefeld - rund 80 Prozent der Schülerinnen und Schüler haben einen Migrationshintergrund - hat er wenige Tage nach dem Terroranschlag der Hamas einen Vortrag über das Lernen im 21. Jahrhundert gehalten.
"Der Konflikt lässt sich in kurzer Zeit nicht erklären", sagt er.
Lehrer Shamout: "Müssen einander die Hand reichen"
Im Raum sitzt Haisam Shamout und hört zu. Er ist Deutsch- und Geschichtslehrer und hat Familienangehörige in Nablus im Westjordanland, die er regelmäßig besucht.
Der Konflikt ist ihm nah; und es kann für ihn nur eine Lehre aus dem Blutvergießen geben, die er seinen Schülern unbedingt vermitteln will: "Wir müssen einander die Hand reichen und eine Lösung, einen Frieden finden. Jeder Mensch, egal woher, hat ein Recht auf Frieden."