Merkel veröffentlicht Buch: Was sie in "Freiheit" schreibt

Es ist Angela Merkel (CDU) mal wieder gelungen, die Kontrolle zu behalten: Ihre Memoiren blieben topsecret, nur ein paar wenige Zitate gab sie vorab exklusiv frei, dazu ein langes Interview dem "Spiegel". Doch was wirklich auf den über 700 Seiten ihrer Autobiographie steht, blieb bis zuletzt unter Verschluss. Was erstaunlich ist, wurde das Buch mit dem Titel "Freiheit" doch bereits in 30 Sprachen übersetzt.

Mehr als zwei Jahre hat die Ex-Kanzlerin an ihren Erinnerungen geschrieben, ohne Unterstützung eines Historikers oder Journalisten, nur mit ihrer langjährigen Büroleiterin Beate Baumann. Ganz klar: Merkel wollte die Kontrolle behalten. Mehrere Millionen Euro soll sie als Vorschuss vom Kiwi-Verlag erhalten haben, erzählt man sich in der Literaturszene. Das Buch kostet stolze 42 Euro und kommt pünktlich zum Weihnachtsgeschäft in die Läden.

"Ich wurde nicht als Kanzlerin geboren", überschreibt Merkel das erste Kapitel und schildert über gut einhundert Seiten die erste Hälfte ihres Lebens in der DDR - von Kindheit und Jugend in Templin bis zur jungen Physikerin in Ostberlin. Der Leser erfährt allerlei Privates, beispielsweise:

Das meiste davon hat sie irgendwo schon mal erzählt. Und so ist Ralph Bollmann, der die letzte große Biografie über Merkel schrieb, "ein bisschen enttäuscht, dass wir auf der Faktenebene eigentlich fast nichts Neues erfahren."

Friedrich Merz (CDU), mit dem Merkel seit jeher ein schwieriges Verhältnis verbindet, wird im Buch kurz und schmerzlos abgehandelt. Er sei schon immer ein guter Redner gewesen, schreibt Merkel, auch mochte sie, dass er ebenfalls machtbewusst war.

Eine Entscheidung musste her: "Friedrich Merz war tief getroffen, als ich ihm eröffnete, dass ich an seiner Stelle Fraktionsvorsitzende werden wollte." Deutlich stärker arbeitet sich Angela Merkel später an Horst Seehofer (CSU) ab, den Streit mit ihm über die Flüchtlingspolitik samt Obergrenzen zeichnet sie detailliert nach bis zum "Tiefpunkt".

Die CDU dürfte mit Merkels Memoiren insgesamt gut leben können, der Schwesterpartei CSU aber gibt die Altkanzlerin gleich mehrfach die Schuld für heute umstrittene Entscheidungen, erklärt Biograf Bollmann: "Die CSU hat den Atomausstieg vorangetrieben, die CSU hat die Wehrpflicht abgeschafft und am Ende wurde Frau Merkel für all das verantwortlich gemacht - von der CSU."

Schon im Vorwort verspricht Merkel auch Selbstreflexion: "Heute als falsch Eingeschätztes werde ich benennen, für richtig Gehaltenes verteidigen." Das löst sie jedoch an kaum einer Stelle im Buch ein.

Jedenfalls nicht bei den großen Politikfeldern, wo ihr zuletzt immer wieder vorgeworfen wurde, entscheidende Weichen für Deutschland falsch gestellt zu haben. "Wir schaffen das", den Satz, der ihre Kanzlerschaft prägte wie kein Zweiter, verteidigt sie ohne Einschränkung.

Dass Deutschland während 16 Jahren Merkel-Regierungen immer abhängiger wurde von russischem Gas? Ihr Auftrag sei es gewesen, für billige Energie zu sorgen, für eine echte Energiewende fehlten politische Mehrheiten, so Merkel.

Auch dass sie Deutschland nicht verteidigungsfähiger gemacht habe, liege nicht an ihr, schreibt die Ex-Kanzlerin, sondern immer an der SPD. Nachdem Merkel 2008 in Bukarest verhindert, dass die Ukraine und Georgien den Vorbereitungsstatus für eine Nato-Mitgliedschaft erhalten, soll Wladimir Putin zu ihr gesagt haben: "Du wirst nicht ewig Bundeskanzlerin sein. Und dann werden sie Nato-Mitglied. Und das will ich verhindern". So schreibt sie es auf. Warum das ihre Russland-Politik nicht verändert hat, erklärt sie im Buch nicht.

Angela Merkels Autobiografie ist gewiss kein Politthriller, aber auch keine schwere Kost, kein Historienschinken. Die Ex-Kanzlerin schreibt, wie sie spricht: Einfach, schnörkellos, in kurzen Sätzen. "Da kommen dann immer so floskelhafte Sätze wie: Das hat mich sehr gefreut", so Bollmann. Ihr Buch widerspiegelt demnach auch den Pragmatismus, der Merkel nachgesagt wird: An vielen Stellen habe "sie für Emotionen gar keine richtige Sprache", so der Biograf.