Maria Kolesnikowa: Kontakt zu Familie abgerissen

    Belarussische Oppositionelle:Wo ist Maria Kolesnikowa?

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    Kurzes Haar, Lippenstift, die Hände zum Herz geformt: Maria Kolesnikowa ist eine Ikone des Widerstands in Belarus. 2021 wurde sie verurteilt. Nun ist der Kontakt abgerissen.

    Maria Kolesnikowa bei ihrem Prozess 2021.
    Die Oppositionelle Maria Kolesnikowa wurde nach ihrer Verurteilung 2021 streng bewacht.
    Quelle: dpa

    Der letzte Kontakt der Familie zu ihr liegt mehr als 18 Monate zurück. Ehemalige Mitgefangene berichten, Maria Kolesnikowa habe aus ihrer winzigen Zelle heraus um medizinische Hilfe gebeten. Der Vater betont, dass die 42-Jährige schwer krank sei. Mehrfach habe er versucht, seine Tochter in der Strafkolonie nahe der Stadt Gomel zu besuchen, sagt er im Telefongespräch. Doch jedes Mal sei er von den Wärtern abgewiesen worden.
    Im Mai oder Juni sei Kolesnikowa in ein Krankenhaus in Gomel gebracht worden, über das Ergebnis der Behandlung sei ihr aber nichts bekannt, sagt Natalja, die bis zu ihrer Freilassung im August in der Nachbarzelle eingesperrt war - aus Angst vor weiteren Repressionen will die Frau nicht ihren vollen Namen nennen. "Ich kann nur zu Gott beten, dass sie noch am Leben ist", sagt der Vater Alexander Kolesnikow. "Die Behörden ignorieren meine Bitten um ein Treffen und um Briefe - es ist ein furchtbares Gefühl der Machtlosigkeit für einen Vater."
    Der belarussische Präsident Lukaschenko und der russische Präsident Putin sind gemeinsam abgebildet.
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    Kolesnikowa gelangte im Rahmen der Proteste nach der umstrittenen Wahl im August 2020 zu internationaler Berühmtheit. Der autoritär regierende Präsident Alexander Lukaschenko hatte sich durch massive Unterdrückung der Opposition eine sechste Amtszeit in Belarus gesichert. Tausende Menschen gingen auf die Straßen. Und Kolesnikowa stand oft an ihrer Spitze.

    Kolesnikowa widersetzte sich Abschiebung in Ukraine

    Die belarussischen Behörden versuchten, die Aktivistin in die Ukraine abzuschieben. Doch sie verweigerte die Ausreise und zerriss an der Grenze ihren Pass. Daraufhin wurde sie erneut festgenommen und ein Jahr später zu einer elfjährigen Haftstrafe verurteilt - unter anderem wegen angeblicher Verschwörung zur Übernahme der Macht im Land.
    Maria Kolesnikowa 2020.
    Maria Kolesnikowa bei einem Protest gegen des belarussische System 2020.

    Laut Natalja herrschte in dem Zellenblock in der Haftanstalt bei Gomel eine Atmosphäre, als wäre dort "das Kriegsrecht ausgerufen" worden. "Den übrigen Gefangenen wurde streng verboten, mit Maria zu sprechen oder auch nur Blicke mit ihr auszutauschen", sagt sie. Im November 2022 war Kolesnikowa in eine Intensivstation gebracht worden, um wegen eines Geschwürs operiert zu werden.
    Montage: Im Vordergrund Putin und Lukaschenko, die sich ernst in die Augen blicken. Im Hintergrund links Protestierende in Belarus, die die Flagge der politischen Opposition tragen. Im Hintergrund rechts gepanzerte Polizeieinheiten.
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    Die außerhalb des Landes lebende Schwester Tatjana Chomitsch sagt, Kolesnikowa habe nach Angaben von ehemaligen Mitgefangenen zuletzt nur noch etwa 45 Kilogramm gewogen.

    Sie sind dabei, Maria allmählich umzubringen. Und ich denke, dass dies gerade eine kritische Phase ist. Denn niemand kann unter solchen Bedingungen überleben.

    Tatjana Chomitsch, Schwester Kolesnikowas

    Seit Februar 2023 habe sie von ihrer Schwester keine Briefe mehr bekommen. An Kolesnikowa adressierte Briefe würden laut den ehemaligen Mitgefangenen "vor ihren Augen vom Gefängnispersonal zerrissen".

    Mehr als 1.000 politische Gefangene

    Kolesnikowa ist eine der prominentesten politischen Gefangenen in Belarus - aber bei Weitem nicht die einzige. Laut einer Zählung der Menschenrechtsorganisation Wjasna gibt es in Belarus etwa 1.300 politische Gefangene - darunter auch Ales Bjaljazki, der mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Gründer dieser Organisation. Mindestens sechs sind hinter Gittern gestorben.
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    Auch von anderen inhaftierten Oppositionsführern gibt es zum Teil seit mehr als einem Jahr kein Lebenszeichen mehr. Zu ihnen zählt etwa Sergej Tichanowski, der 2020 gegen Lukaschenko antreten wollte, daraufhin aber festgenommen wurde - seine Frau Swetlana Tichanowskaja, die an seiner Stelle übernahm, musste einen Tag nach der Wahl das Land verlassen. Der aufstrebende Oppositionspolitiker Wiktar Babaryka wurde ebenso kurz vor der Wahl inhaftiert. Kolesnikowa war dessen Wahlkampf-Managerin gewesen. Seit Winter 2023 gibt es auch keinen Kontakt mehr zu dem Oppositionspolitiker Mikola Statkewitsch sowie zu Kolesnikowas Anwalt Maxim Snak.
    Lukaschenko behauptet, es gebe in Belarus keine politischen Gefangenen. In den vergangenen Monaten ließ er derweil 115 Menschen freilassen, bei deren Verurteilungen es sehr wohl politische Elemente gegeben hatte. Beobachter werteten dies als einen Versuch, die Beziehungen zur EU zumindest teilweise wieder herzustellen, um nicht ganz und gar von Moskau abhängig zu sein."
    Quelle: AP
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