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Protest gegen Justizreform:Wie geschwächt ist Israels Militär?
von Stephanie Gargosch, Tel Aviv
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Die Kritik an der Justizreform und die Angst vor einer Diktatur spalten Israel. Diese Uneinigkeit könnte Auswirkungen auf die Sicherheit des Landes haben. Im Fokus: Reservisten.
Israel: Reservisten protestieren gegen die Justizreform.
Quelle: Imago
Sie hatten es über Monate angekündigt, nun machen sie es wahr: Reservistinnen und Reservisten quittieren ihren freiwilligen Dienst beim israelischen Militär - aus Protest gegen die angestoßene Justizreform.
"In der Nacht, als sie in der Knesset die Einschränkung der Gerichte beschlossen haben, schrieben meine Freunde und ich an unsere Kommandanten, dass wir nicht mehr kommen", erklärte Reservistin Lior Schäfer dem ZDF, als sie am Samstag in Tel Aviv gegen die rechts-religiöse Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu auf die Straße ging.
Reservisten essenziell für Israels Sicherheit
Dabei sind Reservisten für Israelis Sicherheit unverzichtbar. Sie verstärken die Armee nach Bedarf. Um dies tun zu können, müssen besonders Spezialkräfte jede Woche trainieren. Schätzungsweise 173.000 aktive Soldatinnen und Soldaten gibt es in Israel und etwa 465.000 Reservistinnen und Reservisten. Offizielle Zahlen existieren nicht.
Inzwischen stellten rund 13.000 Reservisten ihren freiwilligen Dienst ein, darunter 150 Kampfflieger und auch Spezialkräfte für die Cyberabwehr. Militärs und Geheimdienste beunruhigt dies zunehmend. So warnt das Institut für Nationale Sicherheitsstudien, dass die innere Krise Israels die äußere Sicherheit gefährde.
Spannungen mit der Hisbollah an der Grenze zum Libanon
Das Direktorium des militärischen Nachrichtendienstes wiederum berichtet, dass Israels Abschreckung erodiere und dass die Wahrscheinlichkeit eines Krieges so hoch sei wie seit 2006 nicht mehr. Damals tobte der "Zweite Libanonkrieg", zwischen Israel und der islamistischen Miliz Hisbollah.
Ehemalige Chefs der israelischen Verteidigungsstreitkräfte ergänzen, dass Israels strategische Situation auch geschwächt sei, weil die Stärke der radikalen Achse gegen das Land in den letzten Jahren gewachsen sei und die Einheit innerhalb Israels in den letzten Monaten schwinde.
Dies habe bei den Feinden Israels den Eindruck hinterlassen, dass sich für sie neue Chancen eröffneten, schreibt die israelische Tageszeitung Jedi`ot Acharonot. Vor allem im Norden Israels, an der Grenze zum Libanon, bauen sich seit einiger Zeit Spannungen mit der Hisbollah auf.
Kritik von Verteidigungsminister Joar Galant
Die Lage sieht aus der Sicht Israels so kritisch aus, dass sich am Montag Mitglieder des Auswärtigen Amtes der Knesset und des Verteidigungsausschusses trafen. Thema war die steigende Zahl der Reservisten, die sich weigern, weiterhin zum Dienst zu erscheinen.
Eigentlich war das Treffen nicht öffentlich, trotzdem sickerten Informationen an die Presse durch. So sagte Verteidigungsminister Joar Galant laut israelischen Medien: "Den Dienst nicht anzutreten, sei pure Verweigerung". Er erklärte, dass die Kampfstärke im Moment nicht gefährdet sei, dies aber in der Zukunft der Fall sein könnte.
- Israels Verteidigungsminister Galant bemüht sich um Konsens zu Justizumbau
Galant räumte zudem ein, dass, selbst wenn mit den Reservisten eine sofortige Einigung erzielt würde, das Militär angeschlagen sei und es einige Zeit brauchen werde, dies zu beheben.
Angst vor einer sich einschleichenden Diktatur
Generalmajor Oded Basiuk sagte: "Wenn wir diesen Kurs beibehalten, wird sich der Schaden für das Militär verschlimmern".
Die Entscheidungen der rechts-religiösen Koalition, das oberste Gericht einzuschränken, und die Reaktionen darauf schwächen somit die Sicherheit des Landes. Dabei war die Landesverteidigung immer das vereinende Element in der israelischen Gesellschaft.
Doch die Angst vor einer sich einschleichenden Diktatur spaltet das Land. Eine der Ikonen der Protestbewegung, Shikmar Bressler, bringt es auf den Punkt: "Keiner von uns verweigert gerne seinen freiwilligen Reservistendienst, wir lieben unser Land, aber diese Regierung, diese rechts-religiöse Regierung von Benjamin Netanjahu muss einsehen, dass es rote Linien gibt".
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