Steuerhilfe für Reiche: Skandal um Top-Beamtin noch größer
Exklusiv
Steuerhilfe für Superreiche:Skandal um Top-Beamtin größer als gedacht
von Oliver Klein und Jan Schneider
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Nach ZDF-Enthüllungen über eine Top-Beamtin im Finanzministerium, die Vermögenden hilft, zeigt sich: Die Affäre ist kein Einzelfall. Wie Finanzbeamte mit Nebenjobs abkassieren.
Jochen Breyer recherchiert in der Welt der deutschen Superreichen: 237 Milliardäre zählt das Land, Tendenz steigend. Wer der reichste Deutsche ist, war lange geheim. Bis jetzt.12.12.2023 | 43:28 min
Anfang der Woche enthüllte das ZDF: Gerda Hofmann, eine Top-Beamtin des Bundesfinanzministeriums, hilft Hochvermögenden, indem sie einen Vortrag auf einem Event für Steuervermeidung hält. Die Empörung in Berlin war groß. Nun zeigt sich: Das Problem ist umfangreicher als bisher angenommen.
Denn Hofmanns Vortrag im Sommer dieses Jahres vor Gästen, die die Vermögen superreicher Kunden verwalten, war nur einer von vielen, die sie hielt. Und sie ist nicht die einzige Mitarbeiterin des Finanzministeriums mit solchen Nebenjobs, was eine grundsätzliche Frage aufwirft: Welche Verhaltensregeln sollen für Staatsdiener gelten? Denn manche Beamte aus dem Finanzministerium kassieren mit solchen Aufträgen seit Jahren offenbar zehntausende Euro, zusätzlich zu ihrem Sold.
Hofmann mit regelmäßigen Nebenjobs
Nach eigenen Aussagen arbeitet Gerda Hofmann seit 2006 im Bundesfinanzministerium in der Steuerabteilung. Recherchen von ZDFheute zeigen: Hofmann trat mindestens seit 2009 regelmäßig bei Veranstaltungen auf, in denen es um Steuerrecht ging. Darunter sind Informationsveranstaltungen und Seminare zu bestimmten Steuerthemen, Fachkongresse für Steuerberater aber auch Tagungen wie die, die in der ZDF-Doku gezeigt wurde - bei der sich die Berater insbesondere vermögender Kunden über mögliche Steuerschlupflöcher informieren.
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Ein besonders brisantes Beispiel: Die Jahrestagung "Betreuung privater Vermögen 2014" im Grandhotel Schloss Bensberg in Bergisch Gladbach. Im Publikum: Gäste, die sich "über rechtliche und steuerliche Fallstricke bei der Beratung Ihrer vermögenden Kunden" informieren wollen, so steht es in der Einladung. Der Veranstalter Euroforum verspricht "Gestaltungsempfehlungen aus erster Hand". Preis für ein Ticket: Rund 2.500 Euro.
Einsatz regelmäßig "nicht in dienstlicher Eigenschaft"
Auch für 2023 lassen sich vier verschiedene Tagungen mit Hofmann als Referentin finden, für 2024 sind schon die nächsten geplant. Auffällig: Bei vielen Veranstaltungen steht hinter dem Namen Gerda Hofmann der Hinweis: "Nicht in dienstlicher Eigenschaft". Nach ZDF-Informationen deutet das darauf hin, dass es eine private Vortragsleistung ist, die - vollkommen legal - in der Regel honoriert wird.
Gerda Hofman ist als Ministerialrätin im Finanzministerium eine Beamte des Bundes und wird dementsprechend besoldet. Je nach Eingruppierung kann dabei mit einer Vergütung von 80.000 bis über 100.000 Euro im Jahr gerechnet werden. Grundsätzlich ist es Beamten des Bundes auch erlaubt, Geld mit Nebentätigkeiten zu verdienen, sofern diese nicht zu viel Zeit beanspruchen. Hofmann darf so bis etwa 40.000 Euro zusätzlich pro Jahr verdienen, in Ausnahmefällen sogar noch mehr. Vortragstätigkeiten sind nach dem Bundesbeamtengesetz nicht genehmigungspflichtig.
Dass Steuerbeamte aus dem Finanzministerium mit Nebenjobs teilweise mehrere zehntausend Euro ganz legal nebenher verdienen, ist nicht neu - darüber berichtete bereits im Jahr 2016 die Online-Plattform Abgeordnetenwatch. Die Staatsdiener kassierten demnach ihre Honorare häufig von Banken, Steuerberatungsgesellschaften und Großkanzleien, im Jahr 2012 sei beispielsweise eine einzige Vortragstätigkeit in einem Fall mit 7.500 Euro vergütet worden.
Ans Licht kamen die Nebentätigkeiten seit 2011 immer wieder durch mehrere Kleine Anfragen im Bundestag von den Grünen und von der Linkspartei. In den entsprechenden Antworten fällt auf: Die meisten gut bezahlten Nebentätigkeiten wurden von Mitarbeitern der Abteilung IV ausgeübt - ausgerechnet in dieser Abteilung leitet Gerda Hofmann aktuell das Referat, das sich unter anderem mit Erbschaftsteuer, Grundsteuer und Vermögensteuer beschäftigt. Die Abteilung IV ist den Angaben zufolge die einzige Abteilung, in der Mitarbeiter Einkünfte aus Nebentätigkeiten von bis zu 50.000 Euro angaben.
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Lobbycontrol: Fall Hofmann ist "besonders"
Gerda Hofmann warnte bei ihrem Auftritt im Sommer das Publikum offenbar, es könne eine bestimmte Steuervergünstigung wegfallen. Zugleich beruhigte sie: Das Problem werde sich lösen lassen. "Wir haben ja Werkzeuge", sagte sie dem Gedächtnisprotokoll zufolge in der Doku. "Da bin ich mir hundertprozentig sicher, dass Sie insofern ruhig schlafen können." Auch, wenn die Causa Gerda Hofmann keine neue Entwicklung ist, sei dieser Fall deshalb besonders, findet Timo Lange von der Initiative Lobbycontrol:
Ein solches Verhalten schade dem Ansehen der Bundesregierung insgesamt, so Lange. Es sei "nicht nachvollziehbar, warum das Bundesfinanzministerium es immer noch duldet, dass seine Steuerbeamten nebenher bei exklusiven Privatveranstaltungen Steuertipps geben und damit zum Teil auch noch Geld verdienen."
Causa Gerda Hofmann Thema im Finanzausschuss
Auch im Finanzausschuss des Bundestages war die Causa Gerda Hofmann am Mittwoch Thema, auf die Agenda gesetzt vom Linken-Abgeordneten Christian Görke. Gegenüber ZDFheute sagte er danach: Das Interesse an Aufklärung sei gering, die Sorge um den Ruf des Ministeriums und der Beamtin dafür erstaunlich groß. "Dass die ehrlichen Steuerzahler sich durch solche Vorträge hintergangen fühlen, kann man im Ministerium offenbar nicht nachvollziehen", so Görke. Finanzminister Christian Lindner müsse den Fall zur Chefsache erklären.
Nun sollen mögliche dienstrechtliche Konsequenzen geprüft werden, heißt es vom Finanzministerium auf Anfrage von ZDFheute. Zudem sei auch eine Prüfung der Verhaltensregelung für Beamtinnen und Beamte in Auftrag gegeben worden.
Schärfere Regeln für Ministerialbeamte gefordert
Ein Schritt, der Timo Lange von Lobbycontrol nicht reicht - er fordert, die Regeln für Ministerialbeamte zu verschärfen, ähnlich wie bereits das Abgeordnetengesetz verschärft wurde. "Die Regeln für Beamte sollten so angepasst werden, dass klar ist: Vorträge zu den Themen, für die Beamte in ihrem Amt zuständig sind, dürfen nicht von privaten Dritten bezahlt werden."