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Friedensgutachten:Forscher sehen noch lange keinen Frieden
von Florence-Anne Kälble
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Führende deutsche Friedensforschungsinstitute fordern weitere Unterstützung der Ukraine. In ihrem Gutachten nennen sie weitere Gefahren für Frieden und Demokratie in der Welt.
Frieden in der Ukraine – laut dem neuesten Friedensgutachten liegt der noch in weiter Ferne.
Quelle: dpa
Die globalen Auswirkungen des russischen Kriegs gegen die Ukraine treten immer stärker hervor: Das ist eines der zentralen Ergebnisses des Friedensgutachtens 2023, das heute in Berlin vorgestellt wurde. Laut den Forschenden untergräbt der Krieg nicht nur die Funktionsfähigkeit internationaler Organisationen, sondern erschwert darüber hinaus auch dringend notwendige Kooperationen beim Klimaschutz sowie der Handelspolitik. Daneben zeigen sich Auswirkungen auf die deutsche Innenpolitik: Polarisierung und Verschwörungstheorien nehmen zu und wirken sich negativ auf die Demokratie aus.
Das Friedensgutachten ist die jährlich erscheinende Publikation des Bonn International Centre for Conflict Studies (BICC), des Leibniz-Instituts Hessische Stiftung Frieden- und Konfliktforschung (HSFK), des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) und des Instituts für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg-Essen (INEF). Die führenden deutschen Friedens- und Konfliktforschungsinstitute analysieren darin seit 1987 aktuelle internationale Konflikte, zeigen Trends der internationalen Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik auf und geben klare Empfehlungen für die Politik. Interdisziplinäre Teams aus Politikwissenschaft, Soziologie, Ethnologie, Physik und Religionswissenschaften arbeiten gemeinsam an den Kapiteln und bringen dabei verschiedene Blickwinkel ein.
Die Forscher sind sich sicher, dass es in der Ukraine noch lange keinen Frieden geben wird. Es zeichne sich ab, dass der völkerrechtswidrige russische Überfall sich zu einem lange andauernden Abnutzungskrieg entwickeln werde. Obgleich einzelne gesellschaftliche Gruppen die Einstellung der militärischen Unterstützung der Ukraine gefordert haben, warnen die deutschen Friedensforschungsinstitute ausdrücklich davor.
Die Konsequenz wäre eine Verschlechterung der europäischen Sicherheitslage, da Russland seinen Expansionsdrang weiterverfolgen würde. Die Forschenden empfehlen der Bundesregierung die Vorbereitung einer internationalen Verhandlungsinitiative, die zwischen Russland und der Ukraine vermitteln soll.
Wagner-Gruppe sanktionieren
Bei den weltweiten Gewaltkonflikten spielen laut den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nichtstaatliche bewaffnete Söldnerarmeen eine immer größere Rolle. Im Besonderen wird hier auf die russische Wagner-Gruppe verwiesen, die autark und ohne direkte Kontrolle durch ihre Auftraggebenden besonders brutal agiert.
Sie trägt zur Destabilisierung ganzer Regionen, wie beispielsweise im Sahel, bei. Die Friedensforschungsinstitute fordern seitens der Bundesregierung eine Einstufung als kriminelle Gruppierung sowie ein Setzen auf die Sanktions- und Fahndungslisten.
Afrika bleibt Krisenhotspot
Das weltweite Konfliktgeschehen stagnierte 2022 auf einem unverändert hohen Niveau. In Afrika fand die Hälfte der bewaffneten Konflikte statt, in jedem zweiten innerstaatlichen Konflikt waren transnational operierende dschihadistische Gruppen wie beispielsweise der sogenannte Islamische Staat (IS) beteiligt.
Nachhaltiger Frieden in einer Welt multipler Krisen
Risiken für das friedliche Zusammenleben in Deutschland, Europa und weltweit sind neben zunehmender Armut auch die Auswirkungen des Klimawandels und die gesellschaftliche Polarisierung. Eine rein verteidigungspolitisch verstandene Zeitenwende, die hauptsächlich auf den Ausbau militärischer Kapazitäten setzt, wäre nicht ausreichend.
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Um sich diesen komplexen Herausforderungen zu stellen, werden entwicklungspolitische Strategien benötigt, die die Resilienz besonders gefährdeter Gesellschaften im globalen Süden stärken und gleichzeitig die Ernährungssicherheit der Bevölkerung gewährleisten.
Die Friedensforschungsinstitute mahnen, dass auch westliche Demokratien Strategien benötigen, um der gesellschaftlichen Polarisierung entgegenzuwirken und sich gegen Desinformationskampagnen und antidemokratische Ideologien zu schützen.
Politische Proteste nicht kriminalisieren
Politische Proteste sind als Ausdruck demokratischer Vitalität zu verstehen und sollen, solange sie nicht für extremistische Botschaften genutzt werden und gewaltfrei sind, nicht kriminalisiert werden. Eine Verschärfung des Strafrechts sei keine angemessene Antwort auf zivilen Ungehorsam, argumentieren sie.
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Handelsbeziehungen unterstützen den Frieden
Die Forschenden warnen davor, Handelsbeziehungen und wirtschaftliche Verflechtungen - wie beispielsweise zwischen westlichen Staaten und China - vorschnell und einseitig zurückzubauen. Diese seien zwar kein Garant für Frieden, können ihn aber fördern, wenn bestimmte wirtschaftliche Abhängigkeiten vermieden werden.
Multilaterale Rüstungskontrolle stärken
Laut den Friedensforschungsinstituten sollte aufgrund der angespannten weltpolitischen Lage alles getan werden, um einen Rüstungswettlauf und die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen zu verhindern. Staaten wie Brasilien, Indien oder China sollten stärker als bislang in die Rüstungskontrolle eingebunden werden.
Werteorientierung in der Außen- und Entwicklungspolitik
Eine weitere Forderung ist die konsequentere Umsetzung einer wertorientierten feministischen Außen- und Entwicklungspolitik. Hier müsse eine entschiedenere Positionierung als bislang erfolgen.