Jörg Urban (AfD) polarisiert im Freistaat weniger scharf als etwa Björn Höcke in Thüringen oder Alice Weidel im Bund.
Quelle: dpa
AfD und BSW: Wenig eigene Qualitäten
Wenn auch weniger überzeugend als in früheren Jahren, basiert das CDU-Ergebnis auf einem Mix aus starkem
Spitzenkandidaten, Sachkompetenz und dem Wunsch nach CDU-Regierungsführung. AfD und BSW zeigen wenig eigene Qualitäten. Neben den Themen Flüchtlinge bzw. Ukraine/Russland profitieren beide von Rekord-Unzufriedenheit mit der
Ampel und Defiziten der CDU/CSU-Opposition im Bund.
Speziell im AfD-Lager gibt es auch hohe Distanz zur etablierten Politik im Freistaat. Unter allen Sachsen gilt die AfD für 54 Prozent als Gefahr für die Demokratie; eine AfD-Regierungsverantwortung wird abgelehnt.
Top-Thema Flüchtlinge: Grundstimmung gekippt
Der Hauptgrund, AfD zu wählen, ist nach Ansicht von nur noch 27 Prozent (2019: 51 Prozent) der AfD-Anhänger/innen ein "Denkzettel", für 71 Prozent (2019: 45 Prozent) wird die AfD wegen ihrer politischen Forderungen gewählt. Das überragende Thema der AfD-Wähler heißt "Flüchtlinge/Asyl", wobei hier auch insgesamt die Grundstimmung gekippt ist: Für 70 Prozent aller Befragten (2019: 36 Prozent) kann "Sachsen die vielen Flüchtlinge nicht verkraften" und für 64 Prozent wird "zu viel" für Flüchtlinge getan - darunter 93 Prozent im AfD-Lager, wo sich viele im eigenen Leben benachteiligt fühlen.
AfD bei "Ausländer/Asyl" vorne
Wenn es im Bereich "Ausländer/Asyl" um die beste Politik geht, setzen mehr Befragte auf die AfD als auf die CDU. Die SPD punktet etwas mit "Soziale Gerechtigkeit", bleibt aber ansonsten bei den Parteikompetenzen genau wie Linke, Grüne oder BSW schwach.
Bei "Bildung", "Zukunft" und "Wirtschaft" führt die CDU - in einem Bundesland, das im Benchmark der Ost-Länder noch als relativ gut aufgestellt gilt. Wäre die AfD mit an der Regierung, befürchten 51 Prozent negative Konsequenzen für den Wirtschaftsstandort Sachsen.
Kandidaten: CDU-Zugpferd Kretschmer
Punkten kann die CDU auch mit ihrem Spitzenkandidaten, wobei
Michael Kretschmer etwas an Zugkraft verloren hat. Beim Ansehen auf der +5/-5-Skala mit positiven 1,7 (2019: 2,3), bescheinigen 72 Prozent dem Ministerpräsidenten gute Arbeit.
Jörg Urban (AfD) hat mit minus 1,1 (2019: minus 0,8) ein Negativimage; allerdings polarisiert Urban im Freistaat weniger scharf als etwa Björn Höcke in Thüringen oder Alice Weidel im Bund. Letztlich wollen 65 Prozent Kretschmer als Regierungschef, nur 23 Prozent sind hier für Urban.
Bundespolitik: Ampel-Frust und Unions-Defizite
Beim Parteiansehen im Land rangiert die CDU (+5/-5-Skala: 1,3) weit vor BSW (minus 0,3), SPD (minus 0,6) und Linke (minus 1,3). Die AfD (minus 1,1) liegt vor den Grünen (minus 2,1), die beim Image einbrechen. Für 89 Prozent liegt deren schwache Sachsen-Performance aber primär an "den Grünen im Bund".
Während Bundeskanzler
Olaf Scholz (minus 1,7) sehr kritisch und die Bundesregierung (minus 2,1) so schlecht bewertet wird wie noch nie bei einer Landtagswahl, ist "die Politik der Ampel" für 80 Prozent ein Grund für die AfD-Stärke. Allerdings wäre die AfD für 68 Prozent auch weniger stark, "wenn die CDU/CSU im Bund bessere Politik machen würde".
Wer wählte wen: Gender-Gap und Altersgefälle
Auch wenn die AfD in Sachsen auf breiter Front rekrutiert, ist sie bei Männern noch deutlich stärker als bei Frauen (36 bzw. 26 Prozent). Äußerst erfolgreich ist die AfD zudem bei allen unter 60-Jährigen mit niedrigeren Schulabschlüssen. Unter allen Wählerinnen und Wählern mit Hochschulabschluss kommt die AfD nur auf 16 Prozent. Bei der CDU verläuft der Gender-Gap umgekehrt (Männer/Frauen: 29 bzw. 35 Prozent), auch beim BSW gibt es Unterschiede (Männer/Frauen: zehn bzw. 13 Prozent).
Bei der CDU existiert ein starkes Altersgefälle: Bei den ab 60-Jährigen holt die CDU 42 Prozent, bei den unter 30-Jährigen schafft sie nur 15 Prozent. AfD und BSW holen in der Gruppe der unter 30-Jährigen 30 bzw. zehn Prozent. Linke, SPD und Grüne liegen hier etwas über dem Schnitt (13, neun bzw. neun Prozent).
Regierungsverantwortung: AfD-Beteiligung unerwünscht
Auch wenn die AfD in Sachsen weniger kritisch gesehen wird als in allen anderen Bundesländern, wird eine Beteiligung dieser Partei an der nächsten Regierung abgelehnt (gut/schlecht/egal: 37/57/4 Prozent). Beim BSW gehen die Meinungen hier auseinander (Beteiligung gut/schlecht/egal: 38/34/20 Prozent).
Mehr Klarheit gibt es in einem anderen Punkt: Vor die Wahl gestellt, ob die CDU oder die AfD die nächste Regierung anführen soll, sprechen sich 64 Prozent aller Sachsen für die CDU aus und nur 31 Prozent für die AfD.
Die Zahlen basieren auf einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen unter 1.337 zufällig ausgewählten Wahlberechtigten in Sachsen in der Woche vor der Wahl (telefonisch/online) sowie auf der Befragung von 18.137 Wählerinnen und Wähler am Wahltag.