Berlin: Mehrheit für Wachstumspaket, aber keine Einigung
Union-Zustimmung weiter unsicher:Wachstumschancengesetz: Weiter keine Einigung
|
Im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat gibt es eine Mehrheit für ein Wachstumspaket für Unternehmen. Ob die Union im Bundesrat zustimmt, ist aber weiter unklar.
Im Streit um das blockierte Wachstumspaket der Ampel-Koalition haben Bund und Länder einen Anlauf für eine Einigung unternommen - doch worum geht es beim Wachstumschancengesetz?21.02.2024 | 1:02 min
Im Ringen um ein Wachstumspaket für Unternehmen hat die Ampel-Koalition den Druck auf die Union erhöht. Zwar kam es im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag am Mittwochabend nicht zu einer echten Einigung.
Der Ausschuss nahm mit den Stimmen der Ampel-Mehrheit aber ein Verhandlungsergebnis zum Wachstumschancengesetz an. Weil die Union nicht zustimmte, kommt es nun zum Showdown am 22. März im Bundesrat. Dann wird erneut über das umstrittene Gesetz abgestimmt.
Der Vermittlungsausschuss ist ein Gremium, das die beiden Kammern des deutschen Parlaments verbindet: den Bundestag und den Bundesrat. Seine Aufgabe liegt darin, einen Konsens zwischen beiden Häusern zu finden, wenn vom Bundestag beschlossene Gesetze im Bundesrat keine Mehrheit finden - so wie zuletzt der Gesetzentwurf der Koalition zum Wachstumschancengesetz.
Ein sogenanntes Selbstbefassungsrecht hat der Ausschuss nicht: Er kann sich also nicht aus eigenem Antrieb mit Gesetzesvorhaben befassen. Er wird nur aktiv, wenn er dazu aufgerufen wird - vom Bundestag, vom Bundesrat, oder - wie im Fall des Bürgergelds - von der Bundesregierung. Seit seiner Einrichtung 1949 ist es dem Vermittlungsausschuss gelungen, in den allermeisten Streitfällen einen Kompromiss vorzulegen und die Verabschiedung des strittigen Gesetzes letztlich zu ermöglichen.
Der Vermittlungsausschuss besteht aus je 16 Mitgliedern von Bundesrat und Bundestag. Die Anzahl der vom Bundestag entsandten Abgeordneten pro Partei orientiert sich an deren Mandatszahlen im Bundestag. Derzeit haben Union und SPD je vier Sitze im Vermittlungsausschuss, die Grünen drei, die FDP und die AfD je zwei und die Linke einen. Für die Bundesrats-Seite ernennt jedes Bundesland ein Ausschussmitglied - in der Regel ist es der Ministerpräsident oder die Ministerpräsidentin persönlich. Derzeit stellen Union und SPD auf Länderseite jeweils sieben Mitglieder, Grüne sowie Linke jeweils einen.
Kommt es in einem Gesetzgebungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat zum Streit, soll der Vermittlungsausschuss politische Kompromisse finden und beiden Häusern Einigungsvorschläge machen. Die Sitzungen des Ausschusses sind geheim, er fasst seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit. Empfiehlt der Vermittlungsausschuss, das Gesetz zu ändern, muss dieser Vorschlag im Bundestag angenommen werden; der Gesetzesbeschluss wird dann wiederum dem Bundesrat zur Beratung zugeleitet.
In den vergangenen Jahren musste der Vermittlungsausschuss vergleichsweise selten zusammentreten. Nur zwei Verfahren hat der Ausschuss seit der Bundestagswahl 2021 abschließen müssen. In den vorangegangenen acht Jahren der Großen Koalition (von 2013 bis 2021) gab es insgesamt nur zehn Vermittlungsverfahren. Zum Vergleich: Allein in der dreijährigen Wahlperiode von 2002 bis 2005 unter der rot-grünen Bundesregierung musste der Ausschuss 100 Vermittlungsverfahren erledigen.
Der Grund für die sinkende Zahl der Verfahren liegt vor allem darin, dass es in den vergangenen Jahren in Bund und Ländern immer mehr lagerübergreifende Koalitionen gab - etwa die Groko auf Bundesebene oder schwarz-grüne Bündnisse auf Landesebene. Diese Konstellationen führten dazu, dass Streitpunkte bei der Gesetzgebung oftmals ausgeräumt wurden, bevor der Vermittlungsausschuss benötigt wurde. (Quelle: AFP)
Union knüpft Zustimmung an Bedingungen
Die Ampel-Regierung habe zugesagt, mit der Landwirtschaft weitere Gespräche über Entlastungen zu führen, sagte Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig nach Ende der Beratungen in Berlin.
Die Union hatte ihre Zustimmung zu dem Gesetz daran geknüpft, dass die Ampel die Streichung beim Agrardiesel zurücknimmt. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, er habe kein Vertrauen, dass die Ampel bis zum 22. März substanzielle Entlastungen für die Landwirtschaft vorlege.
Das Wirtschaftschancengesetz soll der deutschen Wirtschaft wieder auf die Beine helfen. Doch der Bundesrat blockiert das Gesetz noch. Shakuntala Banerjee berichtet.21.02.2024 | 1:21 min
ZDF-Korrespondentin: Union blockiert
Die Union habe festgehalten an ihrer Forderung, dass die Bundesregierung die Kürzungen bei den Subventionen beim Agrardiesel zurücknehmen soll, sagt ZDF-Korrespondentin Shakuntala Banerjee.
"Das war nicht zwingend so abzusehen, das war das große Fragezeichen am heutigen Tag, aber wir ja eben auch gehört, dass aus den Bundesländern durchaus vorher Signale kamen, dass der Kompromiss, den man ausgehandelt hat, bis zur heutigen Sitzung eigentlich eine ganz gute Vorlage war."
Ob das politisch klug sei, was die Union so macht, könne man sich fragen. "Offensichtlich hat sie momentan eher den Eindruck, dass sie nicht ohne das Signal nach Hause gehen kann, dass sie für die Bauern etwas getan hat und sich für die Bauern eingesetzt hat." Es ginge bei allen Parteien viel um die Frage, ob die Bauern nicht benachteiligt werden in der aktuellen Situation.
"Immer noch keine Einigung im Vermittlungsausschuss", so ZDF-Korrespondentin Skakuntala Banerjee. Streitpunkt sind Subventionen beim Agrardiesel. 21.02.2024 | 3:20 min
ZDF-Korrespondentin: Wirtschaft konnte nicht zur Union durchdringen
"Tatsächlich haben die Bundesländer das Paket ungefähr auf die Hälfte runtergehandelt, es ging vorher um über sieben Milliarden, die die Bundesregierung sich da vorgestellt hat", sagt ZDF-Korrespondentin Banerjee. Die Bundesländer fanden, das sei zu viel, weil es auf Kosten der Kommunen ging.
"Und die Wirtschaft hat ja auch tatsächlich im Vorfeld die Union dazu gedrängt deswegen das Wachstumschancengesetz heute nicht zu blockieren. Damit ist sie offensichtlich nicht durchgedrungen zur Union."
Lindner wirft Union Verweigerungshaltung vor
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat der Union eine Verweigerungshaltung vorgeworfen. Lindner sagte nach der Sitzung des Vermittlungsausschusses, die deutsche Wirtschaft brauche dringend Impulse.
CDU und CSU hätten sich dem Ruf der deutschen Wirtschaft nach einer Entlastungsperspektive und Wachstumsimpulsen aber verweigert. Er habe die Hoffnung, dass es ein Umdenken gebe bei der Union in den nächsten Wochen.
Zwar wurde dort mit einer Mehrheit für das Wachstumspaket gestimmt, trotzdem könne es im Bundesrat zu keiner Mehrheit kommen, so Thorsten Frei, Parl. Geschäftsführer der Union.22.02.2024 | 5:58 min
Bundesrat blockiert Wachstumspaket
Der Bundesrat hatte das Wachstumspaket mit dem Argument blockiert, Länder und Kommunen müssten einen Großteil der Kosten und Steuerausfälle schultern.
In ersten Gesprächen strichen die Verhandlungspartner das Volumen der Entlastungen daraufhin bereits von einst geplanten sieben Milliarden Euro jährlich auf 3,2 Milliarden Euro zusammen.
Übrig blieb im Grunde nur eine Light-Variante der ursprünglichen Pläne. Auch eine Prämie für Investitionen in den Klimaschutz wurde bereits gekippt, die ursprünglich als Kern des Gesetzes galt.
SPD-geführte Länder zufrieden
SPD-geführte Länder zeigten sich mit der abgespeckten Lösung zufrieden, die Union jedoch machte für ihre Zustimmung eine zusätzliche Bedingung: SPD, Grüne und FDP müssten auf die vom Bundestag bereits beschlossene Streichung der Steuervergünstigung beim Agrardiesel für Landwirte verzichten.
Während Koalitionspolitiker kritisierten, die beiden Themen hätten nichts miteinander zu tun, argumentierten Unionspolitiker, beide Male gehe es um Lasten für die Wirtschaft.
"Ich sehe vor allem die Chance, dass man den Agrardiesel zum Anlass nimmt, über all die Themen zu reden, die seit Jahren in der Landwirtschaft liegen geblieben sind", so Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, B‘90/Grüne.05.02.2024 | 7:58 min
Es sei eine Chance vertan worden, sagte Dobrindt nach den Verhandlungen. Es könne nicht ein Teil der Wirtschaft, nämlich die Landwirtschaft, belastet werden. Die Möglichkeit, eine Brücke zu bauen, sei vertan worden. Er bedauere das ausdrücklich.
Wachstumschancengesetz: Steuererleichterungen für Firmen
Das Wachstumschancengesetz sieht eine Reihe von steuerlichen Erleichterungen für Firmen und eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren vor. Unter anderem sollen bessere steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten den kriselnden Wohnungsbau ankurbeln.
Zur Förderung von Investitionen soll eine sogenannte degressive Abschreibung eingeführt werden.
Für kleine und mittlere Unternehmen soll die Sonderabschreibung substanziell verbessert werden. Forschung und Entwicklung von Unternehmen soll ebenfalls stärker steuerlich gefördert werden.
Was wird aus dem sogenannten Wachstumschancengesetz? Vom Bundestag längst abgesegnet, hatte der Bundesrat sein Veto eingelegt. Deswegen tagte am Mittwoch der Vermittlungsausschuss.