Wachstumschancengesetz:Jetzt ist der Vermittlungsausschuss gefragt
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Was wird aus dem sogenannten Wachstumschancengesetz? Vom Bundestag längst abgesegnet, hatte der Bundesrat sein Veto eingelegt. Heute tagt der Vermittlungsausschuss.
Im Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat soll der Weg für das Wachstumschancengesetz geebnet werden. Das Gesetz sieht Steuererleichterungen vor.
21.02.2024 | 2:53 min
Bundestag und Bundesländer ringen um einen Kompromiss für ein milliardenschweres Wachstumspaket für Unternehmen. Vor dem Vermittlungsausschuss an diesem Abend im Bundesrat fordern die deutschen Städte deutliche Nachbesserungen an dem Gesetz.
"Nach schmerzhaften Kürzungen im Haushalt 2024 können die Kommunen keine weiteren milliardenschweren Steuerausfälle durch das Wachstumschancengesetz verkraften", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy.
Arbeitgeber fordern verlässliche Rahmenbedingungen
Angesichts einer lahmenden Konjunktur hatten Unternehmen, Wirtschaftsexperten und Verbände entschiedene Maßnahmen der Bundesregierung gefordert. Diese wollte unter anderem mit dem sogenannten Wachstumschancengesetz reagieren: Das Vorhaben von Finanzminister Christian Lindner (FDP) sollte die Wirtschaft stärken und Unternehmen entlasten.
Der Chef der Deutschen Arbeitgeberverbände, Steffen Kampeter, sieht im Wachstumschancengesetz nur "eine von vielen Baustellen“. Es brauche unter anderem "die Steigerung des Arbeitsvolumens".21.02.2024 | 5:21 min
Der Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände, Steffen Kampeter, selbst CDU-Mitglied, forderte im ZDF-Morgenmagazin verlässliche steuerliche Rahmenbedinungen für die Wirtschaft. Alle müssten sich jetzt bewegen: Die Regierung sei zum Regieren da und nicht nur zum Diskutieren, aber auch die Opposition habe eine Verantwortung. Er forderte:
Länder stoppten Gesetz
Der Gesetzentwurf wurde bereits im August vom Kabinett und im November vom Bundestag beschlossen - doch anschließend im Bundesrat gestoppt.
Der Vermittlungsausschuss ist ein Gremium, das die beiden Kammern des deutschen Parlaments verbindet: den Bundestag und den Bundesrat. Seine Aufgabe liegt darin, einen Konsens zwischen beiden Häusern zu finden, wenn vom Bundestag beschlossene Gesetze im Bundesrat keine Mehrheit finden - so wie zuletzt der Gesetzentwurf der Koalition zum Wachstumschancengesetz.
Ein sogenanntes Selbstbefassungsrecht hat der Ausschuss nicht: Er kann sich also nicht aus eigenem Antrieb mit Gesetzesvorhaben befassen. Er wird nur aktiv, wenn er dazu aufgerufen wird - vom Bundestag, vom Bundesrat, oder - wie im Fall des Bürgergelds - von der Bundesregierung. Seit seiner Einrichtung 1949 ist es dem Vermittlungsausschuss gelungen, in den allermeisten Streitfällen einen Kompromiss vorzulegen und die Verabschiedung des strittigen Gesetzes letztlich zu ermöglichen.
Der Vermittlungsausschuss besteht aus je 16 Mitgliedern von Bundesrat und Bundestag. Die Anzahl der vom Bundestag entsandten Abgeordneten pro Partei orientiert sich an deren Mandatszahlen im Bundestag. Derzeit haben Union und SPD je vier Sitze im Vermittlungsausschuss, die Grünen drei, die FDP und die AfD je zwei und die Linke einen. Für die Bundesrats-Seite ernennt jedes Bundesland ein Ausschussmitglied - in der Regel ist es der Ministerpräsident oder die Ministerpräsidentin persönlich. Derzeit stellen Union und SPD auf Länderseite jeweils sieben Mitglieder, Grüne sowie Linke jeweils einen.
Kommt es in einem Gesetzgebungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat zum Streit, soll der Vermittlungsausschuss politische Kompromisse finden und beiden Häusern Einigungsvorschläge machen. Die Sitzungen des Ausschusses sind geheim, er fasst seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit. Empfiehlt der Vermittlungsausschuss, das Gesetz zu ändern, muss dieser Vorschlag im Bundestag angenommen werden; der Gesetzesbeschluss wird dann wiederum dem Bundesrat zur Beratung zugeleitet.
In den vergangenen Jahren musste der Vermittlungsausschuss vergleichsweise selten zusammentreten. Nur zwei Verfahren hat der Ausschuss seit der Bundestagswahl 2021 abschließen müssen. In den vorangegangenen acht Jahren der Großen Koalition (von 2013 bis 2021) gab es insgesamt nur zehn Vermittlungsverfahren. Zum Vergleich: Allein in der dreijährigen Wahlperiode von 2002 bis 2005 unter der rot-grünen Bundesregierung musste der Ausschuss 100 Vermittlungsverfahren erledigen.
Der Grund für die sinkende Zahl der Verfahren liegt vor allem darin, dass es in den vergangenen Jahren in Bund und Ländern immer mehr lagerübergreifende Koalitionen gab - etwa die Groko auf Bundesebene oder schwarz-grüne Bündnisse auf Landesebene. Diese Konstellationen führten dazu, dass Streitpunkte bei der Gesetzgebung oftmals ausgeräumt wurden, bevor der Vermittlungsausschuss benötigt wurde. (Quelle: AFP)
Der Grund für die sinkende Zahl der Verfahren liegt vor allem darin, dass es in den vergangenen Jahren in Bund und Ländern immer mehr lagerübergreifende Koalitionen gab - etwa die Groko auf Bundesebene oder schwarz-grüne Bündnisse auf Landesebene. Diese Konstellationen führten dazu, dass Streitpunkte bei der Gesetzgebung oftmals ausgeräumt wurden, bevor der Vermittlungsausschuss benötigt wurde. (Quelle: AFP)
Dem Gremium liegt eine deutlich abgespeckte Fassung vor: Statt wie ursprünglich geplant knapp sieben Milliarden Euro sieht das Gesetz nach Angaben aus Koalitionskreisen nur noch Entlastungen in Höhe von rund drei Milliarden Euro vor. Dies kommt den Bedenken der Länder entgegen: Sie hatten beklagt, das Gesetz reiße zu große Löcher in ihre Haushalte und die der Kommunen.
Gestrichen wurde nun allerdings auch die Investitionsprämie - das Herzstück des ursprünglichen Gesetzes. Diese Prämie sollte die Unternehmen bei der Umstellung auf klimafreundliches Wirtschaften unterstützen.
Die Blockade der Union bezüglich des Wachstumschancengesetzes sei eine "völlig sachfremde Verknüpfung unterschiedlicher Maßnahmen", so Christoph Ahlhaus (CDU), Vorstand des Bundesverbandes der Mittelständischen Wirtschaft.09.02.2024 | 5:02 min
Weiterhin enthalten ist die Einführung einer degressiven Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter sowie eine ausgeweitete Forschungszulage. Mit letzterer wird die Forschung und Entwicklung von Unternehmen steuerlich gefördert.
Kürzungen für Bauunternehmen
Auch eine degressive Abschreibung für Wohngebäude ist weiterhin Teil des Gesetzes. Allerdings soll diese nun geringer ausfallen: Statt wie ursprünglich vorgesehen sechs Prozent sollen Bauunternehmen nur noch fünf Prozent ihrer Anschaffungs- und Herstellungskosten steuerlich abschreiben können.
Als Maßnahme zur Stärkung der Liquidität des Mittelstands sollte auch der steuerliche Abzug von Verlusten verbessert werden. Dies hätte aber "die Kommunen stark getroffen", sagte Finanzpolitiker Michael Schrodi (SPD). Der Punkt sei im gefundenen Kompromiss deshalb wieder stark eingeschränkt worden.
Teil der Einigung ist darüber hinaus laut Schrodi eine Regelung "für mehr Steuergerechtigkeit". Dabei geht es um grenzüberschreitende Darlehen innerhalb multinationaler Konzerne. Es soll die Praxis eindämmen, dass Unternehmen Gewinne in Niedrigsteuerländer verschieben und einer fairen Besteuerung in Deutschland entziehen.
Blockiert die Union das Gesetz weiterhin?
Dem Kompromissentwurf droht weiterhin eine Blockade der Union. Nach den wochenlangen Bauernprotesten gegen den Wegfall von Subventionen verkündeten die unionsregierten Bundesländer, ihre Zustimmung zum Gesetz von der Rücknahme der Kürzungen abhängig zu machen. Konkret geht es dabei um Subventionen beim Agrardiesel. Vertreter der Ampel-Koalition, aber auch Wirtschaftsverbände kritisieren die Blockade scharf.
Quelle: AFP, dpa