Eine Batteriafabrik spaltet Dithmarschen

    Schleswig-Holstein:Batteriefabrik: Letzte Hürde Gemeinderat

    Winnie Heescher
    von Winie Heescher, Kiel
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    Brüssel will sie, Berlin will sie, Kiel will sie - die Ansiedlung der schwedischen Batteriefabrik Northvolt in Dithmarschen. Alles hängt nun von einem kleinen Gemeinderat ab. 

    Schleswig-Holstein, Heide: Ein LKW transportiert Sand auf einer Baustelle im Kreis Dithmarschen ab.
    Ein LKW transportiert Sand auf einer Baustelle im Kreis Dithmarschen ab. Hier soll die Northvolt-Batteriefabrik für Elektroautos entstehen.
    Quelle: Frank Molter/dpa

    Knarzende Stühle mit Samtkissen. Eine echte Wurlitzer-Musikbox. Auf der Speisekarte Sauerfleisch, Matjes und Spiegeleier mit Speck. Hier im "Landgasthof Oldenwöhrden" tagt am Abend der Gemeinderat von Norderwöhrden.
    Norderwöhrden ist eine Gemeinde mit knapp 300 Einwohnern, die Region ist vor allem bekannt als Ferienland. Wer sich in den Kreis Dithmarschen aufmacht, fährt lange über Land, sieht Schafe, viele Windräder, mal einen Hofladen.
    Wirtschaftsminister Robert Habeck und EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager bei einer Pressekonferenz in Brüssel
    Der schwedische Konzern Northvolt darf in Schleswig-Holstein die geplante Batteriefabrik für E-Autos bauen. Die EU-Kommission hat dafür benötigte deutsche Fördergelder genehmigt.08.01.2024 | 0:22 min

    Schleswig-Holstein hofft auf Wirtschaftswunder

    Tatsächlich wird man diesen Abend sehen, ob ein kleiner Gemeinderat ein Milliardenbauprojekt, das schon in von der Politik in Brüssel, Berlin und Kiel abgesegnet wurde, stoppt. Unter Tagesordnungspunkt fünf und sechs der Gemeinderatssitzung ist "Bebauungsplan Batteriefabrik" aufgesetzt.
    Die Batteriefabrik heißt Northvolt. Das schwedische Unternehmen, das Batterien für Elektroautos produziert, will in Heide, sieben Kilometer entfernt von Norderwöhrden, bauen. 3.000 Arbeitsplätze schaffen, 4,5 Milliarden Euro investieren. Diese Entscheidung ist erst wenige Tage alt - das Unternehmen hatte hart mit Kanzleramt, Wirtschaftsministerium und der Landesregierung von Schleswig-Holstein gerungen, immer wieder öffentlich über eine Ansiedlung in den USA spekuliert.
    Nun bekommt Northvolt direkte und indirekte Subventionen von Bund und Land über 1,3 Milliarden Euro. Dahinter steht die Hoffnung der Politik auf ein norddeutsches Wirtschaftswunder in einer strukturschwachen Region: Erwartet wird, dass Tausende weitere Arbeitsplätze im Umland entstehen durch die Ansiedlung von Zulieferbetrieben und dass Deutschlands Automobilindustrie auch nach dem Verbrenner-Aus wettbewerbsfähig bleibt.

    Norderwöhrden kann über das Baurecht Veto einlegen

    Doch für die Ansiedlung braucht es die Zustimmung des Gemeinderats von Norderwöhrden, denn der Gemeinde gehören Teile der insgesamt 110 Hektar Land, die Northvolt für den Bau braucht.
    Das Baurecht in Deutschland sieht vor, dass die Gemeinde beteiligt wird. Macht liegt also nicht nur bei der großen Politik ganz oben, sondern auch im Kleinen, im Gemeinderat.
    ZDF-Börsenexperte Frank Bethmann im Gespräch mit Moderatorin Gundula Gause.
    Die EU-Kommission erlaubt Deutschland, eine Batteriefabrik der Firma Northvolt in Schleswig-Holstein in Höhe von rund 900 Millionen Euro zu fördern. Frank Bethmann an der Börse.08.01.2024 | 1:14 min

    Es wird knapp für die Batteriefabrik

    Neun ehrenamtliche Lokalpolitikerinnen und -politiker sitzen in diesem Gemeinderat. Zwei dürfen am Montagabend nicht abstimmen. Sie gelten als befangen. Bleiben sieben. Es stehe vier zu drei, sagt Kay Uwe Evers. Evers ist schon lange Bürgermeister in Norderwöhrden und er sagt schon lange auf die Frage, wie’s ausgehen wird: "Vier zu drei".
    Das heißt: Es ist knapp. Und: Die Gemeinde ist gespalten. Evers selbst ist für die Ansiedlung von Northvolt. Er war in Schweden, hat sich das Unternehmen angeschaut und glaubt an eine Chance insbesondere für jüngere Menschen in der Region.

    Sorgen wegen Folgen der Northvolt-Ansiedlung

    Die drei Gemeindevertreter, die gegen das Projekt sind, geben so gut wie keine Interviews mehr. Sie haben Sorge, dass die Batteriefabrik für extreme Verkehrsbehinderungen sorgen wird, die versprochene Bahnanbindung nicht realisiert wird, dass sie Wohncontainer vor die Nase gesetzt bekommen, dass ihnen Schul- und Kitaplätze fehlen werden und der Arzt auch keine Zeit für sie hat. Außerdem fürchten sie eine Flächenversiegelung und dass die Bodenpreise noch weiter steigen.

    Wie viel Veränderung verträgt die Gegend?

    In der Gaststätte, in der der Gemeinderat tagen wird, liegen in der Ecke einige Bücher über Dithmarschen, teilweise mit schwarz-weiß-Fotos, wie Frauen Kühe melken, Männer Felder mähen mit Sich und Matthaken, Pferde Äcker pflügen.
    Und jetzt eine Batteriefabrik? Wie viel Veränderung verträgt diese Landschaft im Norden? In der Nachbargemeinde Lohe-Rickelsdorf, die den Bebauungsplan auch absegnen muss, haben sie vergangene Woche einstimmig zugestimmt. In Norderwöhrden demonstriert niemand gegen Northvolt.
    Keine Plakate auf den Feldern, keine Bürgerinitiative, keine polarisierte Erzählung. Weil alle im Gemeinderat Mitglieder der freien Wählergemeinschaft Norderwöhrden (FWN) sind? Oder weil man im hier so miteinander umgeht? "Ist ja nu auch alles gesagt", fasst ein Landwirt die vergangenen Monate zusammen.
    Winnie Heescher ist Korrespondentin im ZDF-Landesstudio Schleswig-Holstein.

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