Folgen Haushalts-Urteil: Ratlos in Berlin, ratlos in Kiel
Folgen des Haushalts-Urteils:Irritationen bis nach Schweden
von Winnie Heescher, Kiel
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Nicht nur der Bund, auch die Länder haben Notkredite kreativ genutzt. Schleswig-Holstein hat aus einem Ukraine-Notkredit eine schwedische Batteriefabrik gefördert. Was heißt das?
Das BVerfG-Urteil hat auch Auswirkungen auf die Haushalte der einzelnen Bundesländer.17.11.2023 | 1:49 min
Einem Schleswig-Holsteiner raucht in Berlin der Kopf, dem anderen in Kiel: Robert Habeck und Daniel Günther. Der grüne Wirtschaftsminister und der CDU-Ministerpräsident haben ein gemeinsames Herzensprojekt, eines, das Autobatterien, Arbeitsplätze und Ansehen bringen soll: die Ansiedlung des schwedischen Unternehmens Northvolt in ihrer norddeutschen Heimat.
Das bedeutet: 3.000 Arbeitsplätze direkt in der Fabrik in Heide an der strukturschwachen Westküste, einige Tausend drumherum, Autobatterien, die mit Strom aus der Windkraft nebenan produziert werden, ab 2025 für eine Million E-Autos im Jahr. Die EU-Kommission muss noch zustimmen.
Durch Haushalts-Urteil fehlen Millionen für Northvolt-Projekt
Daniel Günther und Robert Habeck dachten also bislang, ihr Problem säße in Brüssel. Nun aber kam der Schrecken am Mittwoch aus Karlsruhe. Denn das Urteil des Bundesverfassungsgerichts stellt vorerst das Versprechen in Frage, das die deutsche Politik den Schweden gegeben hat:
Wirtschaftsministerium und das Land Schleswig-Holstein hatten zugesagt, sich an der Finanzierung der Batteriefabrik zu beteiligen: das Land mit 137 Millionen, der Bund mit 109 Millionen und einer staatlichen Anleihe von 600 Millionen Euro. Eine wichtige Zusage für Northvolt, das auch heftig von den USA umworben wird.
Das einzige Unternehmen in Europa, das über eine vollständige Kette der Elektrobatterieproduktion verfügt, ist die belgische Firma Umicore.10.03.2023 | 1:57 min
Auch Kieler Finanzierungsanteil von Gericht kritisiert
Das akute Problem: Das Geld vom Bund sollte aus dem Klima- und Transformationsfonds stammen, den Karlsruhe nun kassiert hat. Das Geld vom Land sollte aus einem Ukraine-Notkredit kommen. Ein Finanzierungsmechanismus, den der Landesrechnungshof in Schleswig-Holstein schon vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts kritisiert hat:
"Das ist eine Wirtschaftsförderungsmaßnahme, die man aus dem laufenden Haushalt finanzieren muss, das hat gar nichts mit einer Notlage zu tun", so Schäfer weiter.
Habeck: "Das Geld an anderer Stelle finden"
Nun rätselt man in Berlin und in Kiel, wie man das Geld trotzdem zusammenbringen kann und dabei die Grenzen, die das Bundesverfassungsgericht gesetzt hat, nicht gleich wieder überschreitet.
Robert Habeck hatte unmittelbar nach dem Urteil gesagt, "dass alle zugesagten Verpflichtungen eingehalten werden". Fragt man im Wirtschaftsministerium nach, ob das auch für Northvolt gilt, erhält man von dort einen Einzeiler: "Was die Neuaufstellung des Wirtschaftsplans des KTF anbetrifft, so wird diese jetzt zügig und in aller Gründlichkeit gemeinsam in der Regierung erfolgen."
Bei einem Auftritt vor der Energiewirtschaft erzählt der Wirtschaftsminister von SMS, die er aus der Industrie erhalte, von der Verunsicherung auf allen Seiten. Das Urteil sei eine ganz bittere Nachricht, vor allem für die Menschen in der Region. Dazu sagt der Minister kämpferisch-vage:
Schleswig-Holstein hält an Klima-Projekt Northvolt fest
In Kiel will die schwarz-grüne Koalition nächste Woche eine Haushaltsnotlage absegnen lassen, damit man den Ukraine-Notkredit in diesem Jahr noch verwenden kann. Und dann will man weiterschauen, woher man das Geld für Northvolt nimmt.
"Wichtig ist, dass wir zum einen das Urteil des Verfassungsgerichts ernst nehmen," erklärt Heinold, "aber zum anderen nicht aus den Augen verlieren, dass wir dringend und zwingend in die ökologische Transformation investieren müssen für unsere Kinder und für die Zukunft unseres Landes."
Mit Projekten wie Northvolt soll Schleswig-Holstein das erste klimaneutrale Industrieland 2040 werden – damit wirbt Daniel Günther. Er und Robert Habeck müssen nun eine Lösung finden, woher sie die Millionen nehmen wollen.
Das ist die eine Herausforderung, die zu stemmen sein dürfte, weil es sich im Gegensatz zu Projekten wie Intel in Magdeburg um vergleichsweise kleine Summen handelt.
Viel schwerer aber wiegen die Irritationen, die das Karlsruher Urteil auch in Schweden ausgelöst hat. Die Amerikaner haben noch nicht aufgehört, den Batteriehersteller zu umwerben. Und noch ist außer der Umsiedlung einiger Schafe und Baggerarbeiten in Heide noch nicht viel passiert.
Winnie Heescher ist Reporterin im ZDF-Landesstudio Kiel.