Wohnungsnot: Wie die Mieten in Großstädten sinken könnten
Wohnungsnot:Wie die Mieten in Großstädten sinken könnten
von Julian Schmidt-Farrent
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Die Menschen in Berlin, München und Köln haben eines gemein: Sie zahlen oft viel zu hohe Mieten. Drei Lösungsvorschläge für die Wohnungsnot in deutschen Metropolen.
Städte wie München lechzen nach mehr Bauland.
Quelle: dpa/Sina Schuldt, Archivbild
Ob er mit den Münchner Preisen klarkommt, fragen wir Kawar Mahmadan in seinem Schnellrestaurant. "Ganz ehrlich?", antwortet er lächelnd, der Blick starr. "Nein."
1.500 Euro zahlt Mahmadan mit seiner Frau für eine Zweizimmerwohnung am Stadtrand - und das sei noch günstig. Trotzdem gilt Münchens Wohnpolitik als Positivbeispiel in Deutschland. Wie kann das sein?
Die Rolle der Dörfer
"Es gab keinen Anlass, die Städte groß zu halten", erklärt Alain Thierstein von der TU München. Bis zur Jahrtausendwende seien viele Menschen aus den Metropolen gezogen, Städte und Länder verscherbelten Sozialwohnungen.
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Die Rechnung zahlen heute die Mieter:innen - auch über die großen Metropolen hinaus. "Es ist ein großer Trugschluss, dass es nur die Stadt ist", erklärt der Ökonom Thierstein. Auch in den Speckgürteln seien die Mieten hoch - "und da liegt auch ein Teil der Lösung."
Die Städte lechzen nach mehr Bauland, viele Flächen gibt es allerdings außerhalb des eigenen Kerns. Doch dort solle die Politik nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen.
Erst Infrastruktur, dann Wohnen: Vor dem Bezug müssten neue Viertel bereits an den ÖPNV angebunden werden, meint Thierstein. Je bequemer die Fahrt zur Arbeit in die City, desto attraktiver das Dorfleben außerhalb. Innerhalb der Städte könnten hingegen ausgerechnet Raumfresser wie Supermärkte helfen.
Es sei "Kernaufgabe des Staates, dafür zu sorgen, dass alle Menschen in Deutschland in der Lage sind, ihre Wohnung zu bezahlen", sagt Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD).16.01.2024 | 4:51 min
Was Supermärkte tun können
Denn in der Vergangenheit trennten die Deutschen das Private vom Beruflichen auch räumlich: Gewerbe- und Bürogebiete entstanden am einen Ende der Stadt, reine Wohnquartiere am anderen. Die Lösung? Mischnutzung.
Nicht nur Wohnhäuser könnten aufgestockt werden, auch auf Gewerbeimmobilien wie Supermärkten seien zusätzliche Wohnungen denkbar. Nebenbei steige für Aldi, Rewe und Co. gleich die Kaufkraft durch die eigene Nachbarschaft, sagt Thierstein. Münchens Stadtbaurätin Elisabeth Merk stimmt zu - sie kritisiert allerdings vor allem etwas anderes: die Bodenpreise.
Dabei investiert München so viel wie keine andere Stadt: Rund zwei Milliarden Euro fließen in Projekte wie Sozialwohnungen oder Wohnförderungen.
Schon eine Familie mit einem Jahresbrutto von 80.000 Euro kann dafür infrage kommen. Doch einer der Haupttreiber für die teuren Wohnungen seien oft die Grundstücke, auf denen sie stehen. "Selbst wenn jemand nicht mit seinem Grundstück spekuliert, ist es nach 20 Jahren das Zigfache wert", kritisiert Merk.
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Die Bodenpreise anpassen
Das Thema Boden sei in Deutschland sträflich vernachlässigt worden, meint auch Thierstein von der TU München. Manche fordern gleich einen Bodenpreisdeckel, Thierstein denkt eher an eine Besteuerung auf den Zuwachs der Bodenpreise.
Der Vorteil? Wenig oder gar nicht genutztes Bauland würde künftig teurer für die Eigentümer:innen - und animiere dazu, mehr Wohnraum auf dem Grundstück zu bauen, um die Steuer zu begleichen. Der Deutsche Mieterbund, Naturschutzverbände und auch das Institut für Wirtschaft fordern die Steuer seit Jahren.
Doch die Handhabe für eine Reform liegt beim Bund. Das Bundesbauministerium hält den Verwaltungsaufwand einer Bodenwertsteuer für zu hoch - allerdings seien Überlegungen um eine Reform der Bodenpreise noch nicht abgeschlossen.
Der Dämpfer
Günstig werde eine Stadt wie München trotzdem nie sein, glaubt Thierstein. Schließlich sei die hohe Nachfrage nach Wohnraum ein Kernelement attraktiver Großstädte. Münchens Rekordmieten seien daneben auch die Folge der florierenden Wirtschaft.
Kawar Mahmadan hat bereits darüber nachgedacht, nach Berlin zu ziehen - wegen günstigeren Mieten. Aber München, das ist seit zwölf Jahren seine Heimat. "Ich würde auch 3.000 Euro zahlen. München verlasse ich nicht."