Friedrich Merz wird Kanzlerkandidat der Union. Für ihn ist es die Erfüllung eines Lebenstraums. Und die späte Genugtuung gegenüber Angela Merkel. Aber kann Friedrich Merz Kanzler?
Diese Entscheidung gaben er und Söder auf einer gemeinsamen Pressekonferenz bekannt. Der CSU-Vorsitzende sicherte Merz seine Rückendeckung und die der CSU zu.17.09.2024 | 3:09 min
Als Markus Söder die entscheidenden Worte sagt: "Friedrich Merz macht’s." Und: "Ich bin damit fein", regt sich kaum eine Mine im Gesicht von Friedrich Merz. Er will sich den Triumph nicht anmerken lassen, dass er es am Ende allen gezeigt hat: Kanzlerkandidat der Union ist seit diesem Mittag er, nicht Markus Söder.
Schäubles Push per SMS
Als Angela Merkel vor fast genau sechs Jahren ankündigte, nicht erneut für den CDU-Vorsitz zu kandidieren, gehörte Friedrich Merz neben Annegret Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn zu denen, die sich um ihr Erbe stritten. Damals kehrte Merz zurück auf eine Bühne, die er Jahre zuvor im Streit mit Angela Merkel verlassen hatte.
Fast zehn Jahre lang arbeitete er als Anwalt und Berater, mit der Politik hatte er nur noch aus der zweiten Reihe zu tun. Aber lassen konnte er es nie ganz. Immer wieder mal kritisierte er Merkels Politik. Etwa beim Atomausstieg oder in der Migrationsfrage.
Die Union hat die K-Frage geklärt: CSU-Chef Markus Söder unterstützt Friedrich Merz. Die Schwesterparteien hätten "keine Streitigkeiten mehr und das tut einfach gut", so Söder. 17.09.2024 | 13:15 min
Seinen Wiedereinstieg hatte er damals, vor sechs Jahren, von langer Hand vorbereitet. Kurz vor der Hessen-Wahl 2018 beantwortet er die SMS seines Vertrauten Wolfgang Schäuble, dass er sich entscheiden müsse, mit: "Hast Recht, bin vorbereitet." So schreiben es seine Biografen Jutta Falke-Ischinger und Daniel Goffart.
Aber der erste Schritt an die Spitze gelingt dann doch erst 2021.
Bei der letzten Wahl hatte Markus Söder immer wieder gegen Kanzlerkandidat Armin Laschet geschossen. Ob das nun wieder bevorsteht? Einschätzungen von Diana Zimmermann.17.09.2024 | 1:38 min
Langer Weg gegen das "Establishment der Partei"
Zuvor musste Merz zwei Niederlagen einstecken. Erst gegen Kramp-Karrenbauer, später dann gegen Armin Laschet. Ein drei Jahre währender Kampf, den Merz selbst als Auseinandersetzung mit dem "Establishment der Partei" bezeichnete.
Ein Begriff, der ihm lange nachhing und parteiintern als Ausdruck für die charakterlichen Schwächen des Sauerländers ausgelegt wurden. Er sei oft zu impulsiv und unbedacht, heißt es in der Partei.
Laschet räumte ein, die Lage im letzten Bundestagswahlkampf sei nicht optimal gewesen. Aber alle hätten aus 2021 gelernt, parteiinterne Scharmützel passten nicht mehr in die Zeit.17.09.2024 | 4:50 min
Und wie zum Beweis wurden in den nächsten Jahren Interviewpassagen des CDU-Vorsitzenden herumgereicht, in denen er junge Migranten als "kleine Paschas" bezeichnete und im Zusammenhang mit Ukraine-Flüchtlingen von "Sozialtourismus" sprach. Auch aus der CDU kam damals der Vorwurf des Populismus.
Aber die Partei wusste, wen sie da 2021 zum Parteivorsitzenden wählt. Und so ist es nicht nur der ungebrochene Wille von Friedrich Merz, sondern vor allem auch die Hoffnung einer ziemlich desillusionierten Parteibasis, die ihn an die Spitze spült.
Schwäche bei Frauen und jungen Wählern
Aber der 68-Jährige überrascht auch seine Beobachter, indem er sich als lernendes System erweist. Die eruptiven Ausbrüche beschränken sich inzwischen auf interne Sitzungen, erzählt man sich in der CDU. In der Öffentlichkeit habe er sich weitgehend im Griff. Seinem notorischen Hang, seinem Umfeld nicht zu vertrauen, versucht er, durch Personalentscheidungen zu begegnen. Mit welchen, die seine Stärke betonen und nicht seine Schwächen unterstützen.
CDU-Chef Merz wird Kanzlerkandidat der Union. Viele in der Union hätten nicht vergessen, was Söder 2021 mit Laschet gemacht habe, so ZDF-Hauptstadtkorrespondentin Nicole Diekmann. 17.09.2024 | 5:23 min
So tauscht er seinen farblosen Generalsekretär Mario Czaja gegen den schon fast hyperaktiv wirkenden Carsten Linnemann aus. Dieser scheut sich nicht, dem eigenen Chef auch mal zu widersprechen. Und Alexander Dobrindt, sein CSU-Konterpart in der Fraktion, bastelt seit geraumer Zeit an einer Strategie, Merz menschlicher erscheinen zu lassen.
Dies ist der mögliche Schwachpunkt seiner Nominierung, der intern immer noch als das größtes Risiko einer Kanzlerkandidatur von Friedrich Merz gesehen wird.
Seine persönlichen Umfragewerte sind die schwächsten unter den jetzt ehemaligen Konkurrenten Merz, Söder und Hendrik Wüst. Seine Zustimmungswerte, insbesondere bei weiblichen Wählern, sind schlecht, genauso wie bei den jungen Wählern.
NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst wird nicht Kanzlerkandidat der Union, er unterstützt Friedrich Merz und appelliert, dass die Union geschlossen auftrete – anders als 2021.16.09.2024 | 3:03 min
Merz knüpft gezielt Kontakte ins Ausland
Fachlich gibt es im eigenen Lager keinen, der Merz die Eignung als Kanzler absprechen würde. Auch wenn seine parteiinternen Kritiker hin und wieder süffisant erwähnen, dass Merz noch nie ein Ministerium geleitet habe und über keinerlei Verwaltungserfahrung verfüge. Das ist wahr. Aber sein politisches Durchsetzungsvermögen und seine Idee von einer Neuaufstellung seiner Partei hat er mit dem neuen Grundsatzprogramm der CDU gezeigt.
Ob das auch eine Blaupause für eine erfolgreiche Kanzlerschaft sein kann, muss sich erst beweisen.
Seit Monaten arbeitet Merz bereits erkennbar daran, mögliche Defizite abzuräumen, auch, indem er gezielt internationale Verbindungen knüpft. Sein auffälliges Engagement in der EVP, der Europäischen Volkspartei, die Besuche beim französischen und demnächst beim türkischen Staatspräsidenten gehören dazu. Auch kommt ihm jetzt zugute, dass er als langjähriger Vorsitzender der Transatlantik-Brücke insbesondere in den US-Kongress belastbare Kontakte knüpfen konnte.
Friedrich Merz würde es für 2025 wohl wie 2018 formulieren: "Bin vorbereitet."
Quelle: ZDF
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