Ampel beschließt Gesetz:Wie Lauterbach das Hausarztproblem lösen will
von Kristina Hofmann
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Hausärzte, die für ihre Leistung kaum mehr bezahlt werden. Denen man fürs gleiche Rezept die Chipkarte bringen muss. Die Ampel will das nun ändern. Steigen jetzt die Beiträge?
Um die Arbeitsbedingungen in Hausarztpraxen zu verbessern, stellt Gesundheitsminister Lauterbach im Kabinett einen entsprechenden Gesetzentwurf vor.22.05.2024 | 1:33 min
In Hausarztpraxen herrscht seit Jahren der Mangel. Die von den Krankenkassen zugewiesenen Budgets reichen oft nicht. Die Folge: Entweder bekommen gesetzlich Versicherte keinen Termin mehr. Oder die Mediziner arbeiten nahezu umsonst. Der Hausarzt-Beruf wurde immer unattraktiver. Das will die Bundesregierung nun ändern.
Lauterbach befürchtet "medizinische Banlieues"
Gesundheitsversorgungsgesetz heißt das fast 80 Seiten lange Vorhaben, das das Bundeskabinett heute beschlossen hat und nun noch durch den Bundestag muss. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erhofft sich dadurch eine bessere hausärztliche Versorgung.
Derzeit seien deutschlandweit 5.000 Hausarztpraxen nicht besetzt. Handele man jetzt nicht, seien "medizinische Banlieues“ zu befürchten, die es zum Teil in den ländlichen Gebieten schon gebe. Das Gesetz wirke dort, wo es jetzt schon Unterversorgung gebe und mache den Hausarztberuf attraktiver.
Wo Hausärtz*innen fehlen
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Die gesetzlichen Krankenkassen streichen für Hausarztpraxen alle Mengenbegrenzungen oder honorarmindernden Maßnahmen.
Chronisch kranke Patienten müssen nicht mehr jedes Quartal ihre Chipkarten einlesen lassen, wenn sie das immer gleiche Rezept bekommen wollen. Dafür sollen die Praxen nun eine Versorgungspauschale bekommen.
Auch für eine Krankschreibung für den Arbeitgeber soll das Einlesen der Chipkarte pro Quartal nicht mehr nötig sein.
Vertragsärzte sollen von bürokratischem Aufwand entlastet werden, indem die Geringfügigkeitsgrenze bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung auf 300 Euro festgelegt wird.
Es soll mehr Niederlassungen für Psychotherapeuten geben, die sich hauptsächlich um die schweren Fälle kümmern sollen. Damit gibt es oft um Suchtkranke, Suizidgefährdete, Menschen mit Drogenerfahrungen, die nach Klinikaufenthalten ambulant nicht behandelt wurden und dann wieder im teuren Klinikum landeten.
Die Gründung von Medizinischen Versorgungszentren durch Kommunen soll mit geringeren Haftungsrisiken erleichtert werden.
Kinder und Jugendliche sollen bei psychischen Erkrankungen besser versorgt werden, indem für sie ein eigener Bedarfsplan erstellt wird. Dadurch soll die Versorgung flächendeckender sein.
Erwachsene mit einer geistigen Behinderung sollen nicht mehr umständlich ihre Hilfsmittel bei den Krankenkassen beantragen müssen. Das soll erleichtert werden: Die Krankenkassen sollen davon ausgehen, dass die beantragten medizinisch notwendig sind.
Kranken- und Pflegekassen werden verpflichtet, jährlich einheitlich und verbindlich zu veröffentlichen, welche Leistungen und welchen Service sie anbieten. Das Ergebnis soll auf einer digitalen Vergleichsplattform veröffentlicht werden.
Mediziner sollen mehr die Möglichkeit bekommen, durch die Telemedizin von Zuhause zu arbeiten. Dadurch soll der Beruf attraktiver werden.
Die Hausärzte in Deutschland sollen nach dem Willen der Regierung bessere Arbeitsbedingungen bekommen. "Die Zukunftssicherung der hausärztlichen Versorgung wird damit alleine noch nicht gelingen", so Markus Beier (Bundesvorsitzender Hausärzteverband). 22.05.2024 | 3:51 min
Dreistelliger Millionenbetrag nötig
Allein für die Aufhebung der Hausarztbudgets müssen nach Schätzung des Bundesgesundheitsministeriums die Kassen einen "unteren dreistelligen Millionenbetrag" zusätzlich ausgeben. Minister Lauterbach wollte sich am Mittwoch auf eine Zahl nicht festlegen: "Die Kosten sind schwer abzuschätzen."
Für die quartalsübergreifende Versorgungspauschale sind keine Mehrkosten vorgesehen. Im Gegenteil: Die Patienten würden damit ihre Ärzte weniger sehen. Das hält Lauterbach auch für richtig. In Deutschland gebe es pro Jahr eine Milliarde Arzt-Patienten-Kontakte. Das sei Spitze in Europa. "Viele sind schlicht nicht nötig", so Lauterbach.
Für den Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen sind die Folgen der Pläne jedoch eindeutig: "Wir erwarten deutlich höhere Kosten für die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler", heißt es dort in einer ersten Reaktion. Im Gegenzug gebe es "keine nennenswerte Versorgungsverbesserung - im Gegenteil". Die Entbudgetierung werde kaum ein Anreiz sein, ländliche Praxen zu übernehmen, da sie für alle gelte.
Budgets, Entbürokratisierung, Versorgung in strukturschwachen Gegenden - beim Ärztetag in Mainz liegen viele Probleme auf dem Tisch. Hausärzte können auch Positives vermelden. 08.05.2024 | 2:14 min
Gesundheits-Kioske und Bonussystem gestrichen
Die Hausärzte finden Lauterbachs Gesetz nicht schlecht. Allerdings: Ein "großer Wurf" sei das nicht, moniert der Verband der Hausärzte und Hausärztinnen. Denn am Ende stehe nicht das im Gesetz, was Minister Lauterbach immer wollte: Die sogenannten Gesundheits-Kioske, wo ähnlich wie bei den Pflegestützpunkten die Patienten Hilfe im Leistungs-Dickicht bekommen und so Kosten langfristig gespart werden sollten.
Immer weniger Ärzte im hausärztlichen Bereich
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Gestrichen auch: eine Art Bonussystem, um die Patientenströme zu steuern. Ähnlich wie früher die Praxisgebühr in Höhe von zehn Euro, die einmal im Quartal zu bezahlen war, um Ärzte-Hopping zu vermeiden. Nicola Buhlinger-Göpfarth, Co-Vorsitzende des Verbandes sagt, der Verzicht sei eine "verpasste Chance", die Patientenversorgung voranzutreiben.
Lauterbach hofft auf Bundestag
Minister Lauterbach hofft, dass die Gesundheits-Kioske doch noch ins Gesetz kommen. Er setzt auf das parlamentarische Verfahren im Bundestag, das noch vor der Sommerpause beginnen soll. "Wir haben bislang immer noch wesentliche Verbesserungen erreichen können. Das war bei jedem Gesetz so", so Lauterbach
Andere Parteien hoffen ebenfalls darauf, gegen Lauterbachs Willen, noch etwas ins Gesetz zu bekommen. Zum Beispiel, dass Homöopathie weiter von den Kassen bezahlt wird. Da, so Lauterbach, werde es im parlamentarischen Verfahren, noch viel "zu besprechen" sein.