Vogel zu Antisemitismus: Kein "rein importiertes Problem"
Debatte um Antisemitismus:Vogel: Kein "rein importiertes Problem"
von Pierre Winkler
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Für FDP-Vize Vogel ist Antisemitismus hierzulande trotz der Debatten um muslimische Communities auch ein Problem von rechts und links. Als Beispiel nennt er Greta Thunberg.
Zum außenpolitischen Kurs der Bundesregierung, den Beziehungen zu Iran u. zum wachsenden Antisemitismus in Deutschland, über die aktuelle Entwicklung des Israel-Krieges u. Strukturen innerhalb der Hamas31.10.2023 | 61:15 min
Bilder von Menschen mit muslimischem Hintergrund, die auf deutschen Straßen die Terrorangriffe der Hamas auf Israel feiern oder das Existenzrecht Israels negieren, haben in den vergangenen Wochen quer durch alle Parteien Entsetzen und Forderungen nach harten Konsequenzen ausgelöst.
Antisemitismus schwappe "heute durch die muslimische Welt und durch muslimische Communitys, auch in Europa", sagte Johannes Vogel am Dienstagabend bei Markus Lanz. Allerdings nehme er die Diskussion darum "so wahr, dass es manche gibt, denen es gerade sehr zupass kommt, so tun zu können, als sei das ein rein importiertes Problem, was man lösen könnte, indem man Menschen abschiebt. Das springt natürlich viel zu kurz."
FDP-Vize Vogel kritisiert Thunberg
In Deutschland gebe es weiterhin Antisemitismus von rechts, wobei Vogel den Anschlag in Halle 2019 als Beispiel nannte. Damals habe lediglich "die Dicke einer Holztür" verhindert, "dass wir das schlimmste antisemitische Massaker in Deutschland hatten seit dem Zweiten Weltkrieg".
Genauso sei allerdings auch Antisemitismus von links eine Realität: "Wir erleben es von Greta Thunberg bis zu manchen Debatten, wo Israel als Apartheidstaat - völlig irrerweise, ein Staat mit 1,9 Millionen arabischstämmigen Staatsbürgern - bezeichnet wird", sagte der stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP.
Greta Thunberg, Gründerin von "Fridays for Future", hatte unter anderem einen Beitrag einer pro-palästinensischen Organisation geteilt, in dem zum Streik gegen den "Genozid in Gaza" aufgerufen wird. Auf dem Foto zu sehen war ein Kraken-Stofftier. In der NS-Propaganda war die jüdische "Krake", die die Welt im Griff habe, ein bekanntes Symbol.
Posts zu Israel und Gaza der internationalen Sektion von Fridays for Future sorgen für Aufsehen. Dahinter stecken nur einige wenige Aktivisten - die so aber das Gesamtbild prägen.
von Elisa Miebach
Vogel: Antisemitismus auch von Deutschen
In "westlichen Gesellschaften, teilweise auch in linken Milieus, an Universitäten" erlebe Vogel gerade, dass "man nicht eine klare Distanzierung vom Hamas-Terror hinkriegt".
Es gebe zwar ein "Problem mit Antisemitismus in muslimischen Communitys", aber sich einzureden, "es seien nicht auch deutsche Staatsbürger darunter, die vom Antisemitismus verhetzt sind, ist natürlich völlig irre".
Gleichzeitig müsse der Rechtsstaat "entschlossener werden". So müsse man in Zukunft "Personalien aufnehmen bei Demonstrationen, wo es zu antisemitischen Straftaten kommt", das passiere "heute nicht flächendeckend". Vogel plädierte dafür, "im Rahmen der Staatsbürgerschaftsreform" festzuschreiben: Wenn jemand "nachweislich von einem Gericht" für eine antisemitische Straftat verurteilt worden sei, müsse das bei Ausländern einer Einbürgerung entgegenstehen.
In Dortmund ist ein Meldebutton für antisemitische Vorfälle vorgestellt worden. Neben der Sichtbarmachung geht es auch darum, Erkenntnisse für die Präventionsarbeit zu erhalten.31.10.2023 | 1:51 min
"Staatsräson": Wolffsohn rechnet mit Ära Merkel ab
Der in Tel Aviv geborene Historiker Michael Wolffsohn entgegnete Vogels Argumentation mit Blick auf die Zeit vor dem jüngsten Terror-Angriff der Hamas: "Bis zum 7. Oktober hieß es immer nur, dass die größte Gefahr für den Antisemitismus im Rechtsextremismus bestehe." Eine derartige "Verengung" und gleichzeitige Ausblendung des muslimischen Antisemitismus sei "immer tagespolitisch argumentiert".
Zur Frage, ob Israels Sicherheit wie von Angela Merkel 2008 formuliert "deutsche Staatsräson" sei, sagte Wolffsohn:
Wolffsohn kritisierte dabei explizit die Außenpolitik der Ära Merkel, "wo man in der UNO noch viel schlimmer abgestimmt hat als vor wenigen Tagen, wofür Frau Baerbock schrecklich beschimpft wird, wobei sie sich 'nur' der Stimme enthalten hat". Deutschland hatte sich bei einer UN-Resolution enthalten, die jegliche Gewalt gegen die israelische und palästinensische Zivilbevölkerung verurteilt, eine sofortige Waffenruhe fordert und den Terror der Hamas als Auslöser des Kriegs nicht erwähnt.