Trittin zu Aiwanger-Eklat: Söder ist Wahlkampf "entglitten"

    Aiwanger-Skandal:Trittin: Söder ist Wahlkampf "entglitten"

    von Pierre Winkler
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    Grünen-Politiker Jürgen Trittin hält Hubert Aiwanger für das größte Problem von Bayerns Ministerpräsident. Söder könne sich jetzt nicht mehr aufs Grünen-Bashing konzentrieren.

    Grünen-Politiker Jürgen Trittin zu Gast in der Sendung von Markus Lanz.
    Jürgen Trittin und weitere Gäste bei Markus Lanz - die ganze Sendung.30.08.2023 | 74:55 min
    Keine sechs Wochen vor der Landtagswahl in Bayern sei die Stimmung in der CSU "sehr schlecht", sagt der Grünen-Politiker Jürgen Trittin am Mittwochabend bei Markus Lanz. Das habe genau einen Grund: Hubert Aiwanger. In der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt in seiner Schulzeit steht Bayerns Vize-Regierungschef Aiwanger (Freie Wähler) unter Druck.
    "Der Wahlkampf hat in Bayern plötzlich ein Thema bekommen", so Trittin. "Die CSU steht vor einer Frage: Lässt sie ihn fallen, auf die Gefahr hin, dass das Solidarisierungseffekte in den Milieus auslöst und er ist nach der Wahl wieder da?". Oder halte die CSU trotz der Flugblatt-Affäre am Chef ihres Koalitionspartners fest?
    Vorwürfe gegen Aiwanger
    In der Aufarbeitung der Flugblatt-Affäre meldet sich Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger zu Wort: "Ich bin weder Antisemit noch Extremist, sondern ich bin ein Demokrat."30.08.2023 | 0:40 min
    Wenige Wochen vor der Landtagswahl gibt es schwere Vorwürfe gegen Aiwanger. Das sagt er dazu:

    Trittin: Kaum jemand redet noch über Söder

    Egal wie sich die CSU entscheide, sei "Herrn Söder die geplante Wahlkampfkampagne entglitten". "Das Themensetting: er isst gerne Fleisch, er nimmt an jedem Volksfest teil, die Grünen sind böse", so Trettin. "All dieses, da redet kaum noch jemand drüber". Stattdessen werde Söder jetzt ständig zu Aiwanger befragt.

    Ich glaube, das ist aus Sicht der CSU das, weswegen die zurzeit auf die Freien Wähler nicht gut zu sprechen sind.

    Jürgen Trittin, Grünen-Politiker

    Der Druck auf Hubert Aiwanger wächst. So hatte etwa Bundeskanzler Olaf Scholz gefordert, gegebenenfalls müssten "notwendige Konsequenzen" gezogen werden. "Alles, was bekannt geworden ist, ist sehr bedrückend", so Scholz. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese forderte in der "Rheinischen Post" Aiwangers Rücktritt.
    Markus Söder und Hubert Aiwanger vor dunklem Hintergrund
    ZDFheute live überträgt die Pressekonferenz nach dem Koalitionsausschuss und ordnet ein. 29.08.2023 | 34:20 min
    Ministerpräsident Söder hält trotz der Vorwürfe an seinem Stellvertreter fest:

    Zweifel in CSU an Aiwanger?

    Ob Aiwanger der Autor des Flugblatts war oder Exemplare davon lediglich bei sich trug, ist bislang noch nicht geklärt. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe hatte sein Bruder Helmut angegeben, der Verfasser gewesen zu sein.
    Journalist Roman Deininger von der "Süddeutschen Zeitung", der die Geschichte mit aufgedeckt hatte, sagte:

    In der CSU glaubt niemand Hubert Aiwanger diese Erklärung mit dem Bruder.

    Roman Deininger, Journalist

    "Aber das ist ja auch gar nicht mehr so entscheidend. Es ist klar: Der stellvertretende Ministerpräsident des Freistaats Bayern hat rechtsextremistische Haltungen gehabt in seinen Jugendjahren. Das schält sich jetzt heraus, aus seinen eigenen Aussagen und Zeugenaussagen, die jetzt auch noch andere Medien recherchieren."
    So gab ein ehemaliger Mitschüler etwa im ARD-Magazin "Report München" an, Aiwanger habe öfter im Klassenzimmer "einen Hitlergruß gezeigt".
    Das sagte Hubert Aiwanger zu den Vorwürfen:

    Trittin vermisst Verantwortungsbewusstsein

    Angesichts der weit zurückliegenden Vorwürfe betonte Trittin, "dass man mit dem 17-Jährigen nachsichtig umgehen muss, wenn der 52-Jährige damit erwachsen und verantwortungsvoll umgeht". Genau das habe aber eben nicht stattgefunden.
    "Ich würde auch sagen: Selbstverständlich gehören die Freien Wähler nicht in die rechtsradikale Ecke", fuhr Trittin fort. "Aber das, was er in Erding gemacht hat, das ist ein klassisch rechter, antidemokratischer Topos gewesen."
    Damit bezog er sich auf Aiwangers Auftritt bei einer Demonstration gegen das Gebäudeenergiegesetz im oberbayerischen Erding Mitte Juni. Dort hatte der Parteivorsitzende der Freien Wähler gesagt: "Jetzt ist der Punkt erreicht, wo endlich die schweigende große Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen muss."

    Grünen-Politiker: Bekenntnis zur Demokratie wäre wichtig

    Trittin zufolge wären eine Entschuldigung und Distanzierung von Aiwanger bezüglich des Flugblatts nötig gewesen sowie ein Bekenntnis zur Demokratie. "Genau eine solche Form des Umgehens wäre ja die Chance gewesen, die Herr Aiwanger gehabt hat, als er mit den Ergebnissen der Recherche konfrontiert wurde", sagte er.

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