Grünen-Politikerin Kaddor: Neue Dimension des Antisemitismus

    Interview

    Grünen-Innenpolitikerin Kaddor:"Neue Dimension" des Antisemitismus

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    Das Thema Antisemitismus wird zu oft verdrängt, mahnt Grünen-Politikerin Lamya Kaddor und fordert "schonungslose Selbstreflexion". Es reiche nicht, kleine Projekte zu finanzieren.

    Kaddor: "Antisemitismus ist alltäglich"
    "Wir brauchen eine schonungslose Selbstreflexion mit dem Thema", appelliert Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor (Bündnis 90/Die Grünen) zum Umgang mit Antisemitismus in Deutschland.19.10.2023 | 6:27 min
    Ein versuchter Anschlag auf eine Synagoge in Berlin, Jüdinnen und Juden, die Angst haben - Grünen-Innenpolitikerin Lamya Kaddor spricht mit Blick auf die judenfeindlichen Vorfälle im Zuge der Nahost-Eskalation von einer neuen Dimension des Antisemitismus in Deutschland.
    Die Politik habe das Problem zu lange verdrängt, kritisiert die Islamwissenschaftlerin im ZDF-Morgenmagazin. Doch auch die Islamverbände nimmt sie in die Pflicht - und warnt zugleich vor einer Pauschalisierung von Muslimen in Deutschland. Lesen Sie das Interview hier in Auszügen oder schauen Sie sich das gesamte Gespräch im Video oben an. Das sagt Lamya Kaddor über ...

    ... den offenen Antisemitismus in Deutschland

    "Für Jüdinnen und Juden und für unser innenpolitisches Geschehen ist das eine neue Dimension", so Kaddor. Sie spricht von einer "Zäsur", in der Qualität und der Massivität.

    Wenn Davidsterne wieder auf Haustüren geschmiert werden, dann erinnert das an sehr finstere Zeiten.

    Lamya Kaddor

    Sicherheitslage in Deutschland
    Neben einem versuchten Brandanschlag auf eine jüdische Synagoge in Berlin kommt es trotz des Verbotes pro-palästinensischer Versammlungen erneut zu Ausschreitungen.19.10.2023 | 2:36 min

    ... Fehler der Politik im Umgang mit Antisemitismus

    Kaddor meint zwar, die Politik habe das Problem immer wieder "adressiert". Aber: "Was nicht passiert ist, ist, dass wir verstehen wollen, dass sehr viele Menschen alltäglich von Antisemitismus betroffen sind. Wir wollen es verdrängen." Deshalb habe die Politik zu oft "Entlastungsdebatten" geführt und das Problem auf "importierten Antisemitismus" reduziert.
    Kaddor fordert:

    Wir brauchen eine schonungslose Selbstreflexion bei dem Thema.

    Lamya Kaddor

    "Es reicht natürlich nicht nur, das zu benennen oder jetzt endlich auch mal Verbote auszusprechen." Die Politik müsse sich etwa fragen: "Müssen wir mehr Geld in die Hand nehmen, um nicht nur kleine Projekte zu finanzieren, die Antisemitismus bekämpfen, sondern systematisch und strukturell zu fördern?" Demokratiebildung, Antirassismustrainings und Training gegen Antisemitismus - solche Maßnahmen "haben wir noch nicht so richtig stark verankert".
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    "Die Hamas nimmt die Palästinenser in Geiselhaft, sie nimmt sie als menschliche Schutzschilde", so Norbert Röttgen (CDU), Mitglied Auswärtiger Ausschuss.19.10.2023 | 6:18 min

    ... Forderungen zu Konsequenzen in der Migrationspolitik

    Dass einige Unionspolitiker fordern, Menschen mit antisemitischer Haltung nicht als Flüchtlinge anzuerkennen und Doppelstaatlern den deutschen Pass zu entziehen, hält Kaddor für schwierig umzusetzen. "Doppelstaatlern den deutschen Pass zu entziehen, ist rechtlich gar nicht so einfach", so die Grünen-Politikerin. Im Moment sei das nur möglich, wenn sich jemand "aktiv an terroristischen Organisationen im Kampf beteiligt und das nachweisbar ist". Das derzeitige "Demonstrationsgeschehen" sei aber nicht das Gleiche wie eine solche Beteiligung.
    Auch, ob man Menschen, die geflüchtet sind, eindeutig antisemitistisches Gedankengut nachweisen kann, um ihnen gar nicht erst die Staatsbürgerschaft zu geben, hält Kaddor für fraglich. "Was richtig ist: Wenn sich jemand dazu bekennt, demokratiefeindlich zu sein und sich damit letztlich auch gegen den gesellschaftlichen Frieden ausdrückt und zum Beispiel antisemitisch agiert, ja, dann können wir darüber nachdenken, dass diese Person nicht die deutsche Staatsbürgerschaft bekommt." Direktes Ausweisen lasse das geltende Recht aber nicht so einfach zu.
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    ... die Haltung der Islamverbände

    Viele Verbände hätten inzwischen die Einsicht gezeigt, sich nicht eindeutig genug positioniert zu haben. Doch Kaddor beobachtet auch "Verteidigungsreflexe" bei Verbänden, die sagen würden: Wir wollen uns eigentlich gar nicht distanzieren, weil Distanz ja Nähe voraussetzt. "Ich habe mehrfach angesprochen: Ihr müsst euch ja auch nicht distanzieren, aber ihr solltet euch vielleicht dazu mal positionieren", so die Islamwissenschaftlerin. Antisemitismus sei keine Aufgabe nur einer bestimmten Gruppe, sondern von uns allen.
    Diese Erkenntnis habe es jetzt gegeben, "aber ehrlich gesagt etwas zu spät". Kaddor meint: "Wir müssen als Staat deutlich adressieren, dass wir von muslimischen zivilgesellschaftlichen Akteuren erwarten, dass sie sich als Teil dieses Bündnisses gegen Antisemitismus begreifen."
    Kaddor betont: "Nicht jeder Muslim ist antisemitisch, obwohl diese antisemitische Erzählung sehr weit verbreitet ist - gerade auch in vielen muslimischen Communities." Das müsse man benennen, "ohne selbst islamfeindlich zu werden". Das sei ein sehr schmaler Grat.

    Regierungserklärung des Kanzlers
    :Scholz: "Klare Kante" gegen Antisemitismus

    Bundeskanzler Scholz kündigt mit Blick auf pro-palästinensische Demos eine "klare Kante" gegen Antisemitismus an. Im Bundestag spricht er auch über Ukraine-Hilfen und Migration.
    Olaf Scholz spricht im Bundestag am 19.10.2023
    mit Video
    Quelle: ZDF

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