Laut Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ist die Klimaschutzpolitik der Bundesregierung in mehreren Punkten rechtswidrig. Nun muss die Ampel Sofortprogramme vorlegen.30.11.2023 | 2:49 min
Sie warfen sie symbolisch in die Tonne: das Pariser Klimaabkommen, die Sektorziele und sogar ein Pappschild mit der Aufschrift "Klimakanzler". Bevor die Verhandlung vergangenen Donnerstag am Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg begann, machten Umweltaktivisten vor dem Gericht ihrem Ärger Luft. Verkleidet unter anderem als Bundesverkehrsminister
Volker Wissing und als Bauministerin
Klara Geywitz schmissen sie die Klimaziele der Bundesregierung in eine große, rote Mülltonne.
Denn genau das prangerten die Umweltverbände Bund für Umwelt und Naturschutz BUND und die Deutsche Umwelthilfe an: Dass die
Ampel-Regierung sich nicht an ihre selbst gesteckten Ziele zum Klimaschutz hält.
Sektorziele bei Gebäuden und Verkehr gerissen
Das OVG Berlin-Brandenburg gibt ihren Klagen nun, eine Woche später, Recht. Die Bundesregierung muss ein Sofortprogramm beschließen, dass die Einhaltung der im Gesetz genannten Jahresemissionsmengen der Sektoren Gebäude und Verkehr für die Jahre 2024 bis 2030 sicherstellt.
Laut dem Klimaschutzgesetz ist die Regierung dazu immer dann verpflichtet, wenn in einem bestimmen Bereich, beispielsweise im Verkehr, in einem Jahr mehr CO2 ausgestoßen wurde, als die jährlich vorgesehene Höchstgrenze - also das Sektorziel gerissen wurde.
Es ist deshalb kein Zufall, dass sich die Aktivistinnen und Aktivisten vor dem Gericht in
Berlin ausgerechnet Pappmasken der Bundesbauministerin
Klara Geywitz und des Bundesverkehrsministers
Volker Wissing vors Gesicht schnallten: Denn in diesen beiden Bereichen wurden die Sektorziele mehrere Jahre nacheinander gerissen.
Sektorziele sollen Klimaschutz handhabbar machen
Laut Klimaschutzgesetz eigentlich ein klarer Fall für die gesetzlich vorgeschriebenen Sofortprogramme. Sie sollen sicherstellen, dass der Klimaschutz politisch nicht immer weiter in die Zukunft verlagert werden kann, sondern die Regierung direkt gegengesteuert.
Hinter den Sektorzielen und auch den Sofortprogrammen steckt also die Idee, den Klimaschutz in jährliche, für die Regierung handhabbare Schritte aufzuteilen, um das mittelfristige Ziel zu erreichen, bis 2030 65 Prozent weniger CO2 auszustoßen. So schrieb es schon die schwarz-rote Regierung 2019 in das Klimaschutzgesetz. Die Kläger warfen der aktuellen Bundesregierung aber vor, dass diese bisher noch nicht einmal ein Sofortprogramm vorgelegt hatte.
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Regierung vor Gericht: Sofortprogramm heißt anders
Doch die Bundesregierung sah das anders. Auch sie gibt zwar zu, dass die Höchstmengen an CO2 in den Sektoren Gebäude und Verkehr überschritten wurden. Allerdings stellten sich die Regierungsvertreter in der Verhandlung vor Gericht auf den Standpunkt, dass die Bundesregierung sehr wohl ein Sofortprogramm zum Klimaschutz verabschiedet hätte.
Einzige Tücke: Es heißt nicht so - das Programm trägt nämlich nicht den Namen Sofortprogramm, sondern Klimaschutzprogramm. Trotz des anderen Namens habe die Regierung damit bezweckt, in den Sektoren Gebäude und Verkehr nachzusteuern. In dem im Oktober beschlossenen Paket enthalten sind beispielsweise eine Neufassung des Gebäudeenergiegesetzes und das Deutschlandticket.
Klagen sind erfolgreich
Das Gericht erklärte nun, dass die zuständigen Bundesministerien der Bundesregierung im Juli 2022 Sofortprogramme vorgelegt hatten, nachdem die zulässige Jahresemissionsmenge des jeweiligen Sektors überschritten wurde. Diese sollten die Einhaltung der Jahresemissionsmenge für die folgenden Jahre sicherstellen.
Die Bundesregierung reagierte darauf aber nicht, obwohl sie es laut Gericht hätte tun müssen. Denn grundsätzlich ist sie nach dem Klimaschutzgesetz verpflichtet, über die zu ergreifenden Maßnahmen zu beraten und diese "schnellstmöglich" zu beschließen.
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Klimaschutzprogramm reicht nicht aus
Auch das am 4. Oktober 2023 beschlossene Klimaschutzprogramm ändert nach Auffassung des Senats daran nichts. Denn das erfülle nicht die Anforderungen an ein Sofortprogramm.
Die Kläger sind zufrieden mit dem Urteil: "Klimaziele sind nicht verhandelbar", sagt Antje van Brook, BUND-Geschäftsführerin. "Sie sind nicht wie gute Neujahrsvorsätze Jahr für Jahr schiebbar, sondern sie müssen eingehalten werden. Und wenn sie nicht eingehalten werden, dann muss nachgesteuert werden. Das gilt für die ganze Bundesregierung."
Die Deutsche Umwelthilfe zählt mögliche konkrete Maßnahmen für die Sofortprogramme auf: "Zum Beispiel ein Tempolimit auf deutschen Straßen, das wäre eine Sanierungsoffensive für die maroden Kindergärten und Schulen in Deutschland und ein beschleunigter Heizungstausch hin zur Wärmepumpe."
Nach Angaben einer Sprecherin von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) will die Bundesregierung Revision einlegen.
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von Moritz Zajonz