Corona: Spahn verteidigt Formulierung zu Ungeimpften
Interview
Ehemaliger Gesundheitsminister:Wie Spahn seine Corona-Entscheidungen verteidigt
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Lage wie im "Wilden Westen"? So verteidigt Ex-Gesundheitsminister Spahn "aus heutiger Sicht irrsinnige Preise" für Masken - und rechtfertigt die Aussage "Pandemie der Ungeimpften".
Die Veröffentlichung von ungeschwärzten Protokollen des Robert Koch-Instituts zur Corona-Pandemie zeigt: Es gab in der Behörde Kritik am Narrativ der "Pandemie der Ungeimpften".25.07.2024 | 3:04 min
Der ehemalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sieht sich Vorwürfen ausgesetzt, den Begriff "Pandemie der Ungeimpften" genutzt zu haben, obwohl der laut Robert-Koch-Institut (RKI) fachlich nicht korrekt war. Auch muss er Maskenkäufe rechtfertigen, die er ausgelöst hat: Im Jahr 2020 hatte er Lieferanten eine unbegrenzte Abnahme von Masken zu einem Preis von 4,50 Euro pro FFP2-Maske garantiert. Später verweigerte das Ministerium teils die Bezahlung, unter anderem mit Verweis auf fehlerhafte oder verspätete Lieferungen. Im ZDFheute-Interview nimmt er Stellung zu den Vorwürfen.
ZDFheute: Sie haben als Minister den Begriff "Pandemie der Ungeimpften" genutzt. Das RKI hielt den Begriff für fachlich nicht korrekt, schließlich haben auch Geimpfte das Virus weitergebeben.
Jens Spahn: Ich sehe den konstruierten Widerspruch da gar nicht. Damit meinte ich, dass wir auf den Intensivstationen damals vor allem Menschen ohne Impfung gesehen haben, die schwere und schwerste Verläufe hatten. Das war die Situation, die das Gesundheitswesen zu überfordern drohte. Das RKI hat zu Recht darauf hingewiesen, dass natürlich auch Geimpfte zum Pandemie-Geschehen beigetragen haben, aber eben mit deutlich weniger schweren und schwersten Verläufen. Ich kann da keinen Gegensatz erkennen.
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ZDFheute: Bei vielen entstand aber der Eindruck, dass man die Verantwortung, gar die Schuld für die Situation den Ungeimpften zuschieben wollte. Hatte der Begriff nicht einen diskriminierenden Effekt?
Spahn: Was klar war, und was auch das Robert-Koch-Institut immer wieder gesagt hat. (…) Das war die zentrale Botschaft: Wenn sich möglichst viele impfen lassen, geht es auch schneller in die Normalität zurück. Das mag auch moralischen Druck bedeutet haben für manche, die sich noch nicht haben impfen lassen, aber das lag natürlich auch in der Pandemiezeit damals begründet.
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ZDFheute: Wieso haben Sie nicht das Bundesbeschaffungsamt mit den Käufen der Masken betraut? Das ist doch eigentlich zuständig.
Spahn: Die Beschaffungsämter des Bundes waren schlicht nicht in der Lage, die Masken zu besorgen. Wir hatten sie ja beauftragt! Wir haben Tag um Tag, Woche um Woche gewartet, dass sie Masken besorgen. Doch auf ihren regulären Wegen, den eingespielten Vergabewegen, hat das in dieser damaligen Wild-West-Zeit für Masken nicht funktioniert.
Gleichzeitig war die Not immer größer. Ärzte, Pflegekräfte haben gesagt: 'Schickt uns nicht ohne Masken an die Front zu diesem neuen Virus!' Deswegen haben wir gesagt, dann müssen wir halt versuchen, Masken zu beschaffen. Niemand im Ministerium für Gesundheit wollte Masken beschaffen, auch ich nicht.
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ZDFheute: Der Rat der Fachabteilung im BMG - so berichtete die "FAZ" zuerst - war ein Preis von 3,50 Euro pro Maske. Sie haben dann entschieden, auf 4,50 Euro hochzugehen. Warum?
Spahn: Die entscheidende Frage ist ja, warum hätte jemand einen überhöhten Preis setzen sollen oder warum hätte auch jemand zu viele Masken kaufen sollen? Das, was uns getrieben hat, was mich angetrieben hat, war, wir wollten möglichst schnell, möglichst viele Masken besorgen, um Ärzte, Pflegekräfte, um Deutschland zu schützen in dieser Pandemie. Wir haben stundenlang auch im Ministerium, auch mit der Fachabteilung über die Frage beraten, zu welchem Preis bekommen wir überhaupt Angebote. Und am Ende haben wir uns eben auf diese 4,50 Euro festgelegt.
2020 bestellte der damalige Gesundheitsminister mehrere Milliarden Masken. Bezahlt wurde nur teils, mit Verweis auf Qualitätsmangel. Nun muss sich Spahn im Bundestag rechtfertigen.27.06.2024 | 2:45 min
ZDFheute: Gegen den Rat der Fachabteilung. Auch die Länder haben zu der Zeit bereits Masken gekauft, zu niedrigeren Preisen. Die Grünen sprechen von "Verschwendung", von mindestens 470 Millionen Euro, die der Steuerzahler extra aufgebürdet bekam.
Spahn: Auch in den Vereinbarungen mit den Ländern (…) waren wir regelmäßig von Maskenpreisen von über 4 Euro ausgegangen. Das war die damalige Situation, dass es Masken in größerer Menge nur zu höheren Preisen gab. Aus heutiger Sicht irrsinnige Preise, wahnwitzige Preise. Aber so war die Lage damals. (…) Auch die Grünen haben damals gefordert: 'Besorgt die Masken endlich!'. Und wir haben sie besorgt, wir haben den Mangel abstellen können.
ZDFheute: Sie haben dann in der Folge Maskenlieferungen unter anderem zurückgewiesen mit der Begründung, die Masken seien schadhaft gewesen. Die Gegenseite bestreitet das.
Spahn: Wenn die Qualität nicht stimmt und nicht das geliefert wird, was bestellt worden ist, dann finde ich, ist es im Sinne des Steuerzahlers zu sagen, dann zahlen wir nicht. Das ist übrigens gerichtlich mehrfach bestätigt worden, dass es Qualitätsmängel gab.
Das Interview führte ZDF-Hauptstadtkorrespondentin Ines Trams.
Der Bund ist wegen der Beschaffung von Masken zu Festpreisen in der Corona-Frühphase einem Milliardenrisiko ausgesetzt. Es gab mehrere Rechtsstreits - etwa 100 Klagen laufen noch.