Haushalt und Klima: Subventionen gegen Klimaschutz

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    Haushalt und Klima:Subventionen gegen Klimaschutz

    von Nathan Niedermeier
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    In einem Bericht der Regierung gehen umweltschädliche Finanzhilfen nahezu unter. Dabei könnte deren Abbau nicht nur das Klima und die Umwelt, sondern auch den Haushalt entlasten.

    Sachsen, Neukieritzsch: Ein Eimerkettenbagger und ein Schaufelradbagger arbeiten im Tagebau Vereinigtes Schleenhain (Archivbild)
    Braunkohletagebau in Sachsen
    Quelle: dpa

    An diesem Dienstag berät der Bundestag über den neuen Haushalt. Darin sind deutliche Einsparungen geplant, etwa beim Elterngeld, den Zuschüssen zur gesetzlichen Renten- und Pflegeversicherung und auch der Bundeszentrale für politische Bildung sollen Mittel gekürzt werden.
    Doch ein Milliardenposten wird bei all den Sparbemühungen wohl kaum angerührt werden: umwelt- und klimaschädliche Subventionen. Die belaufen sich in Deutschland jährlich auf rund 65 Milliarden Euro - laut einer Untersuchung des Umweltbundesamts aus dem Jahr 2018. Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht von einem ähnlichen Umfang an umweltschädlichen Subventionen in Deutschland in den vergangenen Jahren aus.



    Ökonom: Regierung geht aktuell "umgekehrten Weg"

    Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), sieht in dem Abbau dieser Subventionen eine Chance für den Haushalt:

    Der Abbau von klimaschädlichen Subventionen könnte zusätzliche Steuereinnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe schaffen und damit weitere Spielräume für die Bundesregierung öffnen.

    Marcel Fratzscher, DIW-Präsident

    Von Abbau kann jedoch keine Rede sein, in den vergangenen Jahren sind vielmehr noch weitere Subventionen für fossile Brennstoffe hinzugekommen, wie etwa der Tankrabatt oder die Gaspreisbremse.
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    Fratzscher urteilt daher auch mit Blick auf aktuelle Diskussionen: "Zurzeit geht die Bundesregierung den umgekehrten Weg: Ein Industriestrompreis ist letztlich eine weitere Subventionierung fossiler Energieträger, sodass die Klimaziele 2030 noch schwerer zu erreichen sein werden", sagte er gegenüber "frontal".

    Abbau umweltschädlicher Subventionen im Koalitionsvertrag

    Dabei ist der Abbau von umweltschädlichen Subventionen erklärtes Ziel der Bundesregierung. Im Koalitionsvertrag heißt es: "Wir wollen zusätzliche Haushaltspielräume dadurch gewinnen, dass wir im Haushalt überflüssige, unwirksame und umwelt- und klimaschädliche Subventionen und Ausgaben abbauen." Dieser Satz findet sich so auch im jüngst vom Bundeskabinett in Meseberg verabschiedeten Subventionsbericht.
    Bislang gibt es jedoch kaum Bewegung bei dem Thema. Obwohl die Zeit drängt, denn bereits 2025 soll Schluss sein mit der ineffizienten Förderung fossiler Brennstoffe, so haben es die G20-Staaten bereits 2009 in Pittsburgh entschieden. Auch zu diesem Beschluss bekennt sich die Bundesregierung immer wieder.
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    Thema wird seit Jahren verschoben

    Auch gegenüber der EU ist Deutschland verpflichtet, die Subventionierung fossiler Brennstoffe einzustellen. Doch seit Jahren wird das Thema von einem Papier zum nächsten geschoben: In dem 2019 an die EU-Kommission übermittelten "Nationalen Energie- und Klimaplan" wird zum Thema Subventionierung fossiler Brennstoff auf den Subventionsbericht verwiesen.
    Der letzte Subventionsbericht verweist dazu auf den Klimaschutzbericht und im Klimaschutzbericht 2022 heißt es schließlich, dass über den Abbau umweltschädlicher Subventionen erstmalig im Klimaschutzbericht 2023 berichtet werde. Problem also vertagt - so auch wieder im aktuellen Subventionsbericht.
    Der zeigt ebenfalls: Bis heute wird darum gestritten, was als Subvention gilt und was nicht. Das sorgt dafür, dass im Subventionsbericht die allermeisten umweltschädlichen Subventionen gar nicht erst aufgeführt werden.

    Greenwashing im Subventionsbericht?

    Nach Berechnungen von "frontal" auf Basis der Daten des Umweltbundesamtes unterschlägt der aktuelle Subventionsbericht umwelt- und klimaschädliche Subventionen in Höhe von mindestens 55 Milliarden Euro.
    Alleine die niedrigere Besteuerung von Diesel, die Pendlerpauschale und das Dienstwagenprivileg summieren sich laut Umweltbundesamt auf mindestens 17 Milliarden Euro auf. Geld, das Deutschlands Klimaschutzbemühungen sabotiert, sagt der Präsident des Umweltbundesamtes, Dirk Messner:

    Mit klimaschädlichen Subventionen schütten wir Sand ins Getriebe der sozial-ökologischen Transformation, denn sie machen klimaschädliche Produktionsverfahren und Produkte finanziell attraktiv und hemmen den Umstieg auf klimafreundliche Alternativen.

    Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes

    Im Subventionsbericht werden diese großen Posten schlicht weggelassen. Das liegt an der in dem Bericht sehr eng gefassten Definition des Subventionsbegriffs. Die leite sich aus dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz ab, teilt das Bundesfinanzministerium auf Anfrage mit.

    Verschiedene Definitionen

    Das Umweltbundesamt nutzt für seine Auswertungen eine weitergefasste Definition, wie sie auch die Welthandelsorganisation, Weltbank und der IWF verwenden. Der Subventionsbericht unterschlägt aber nicht nur die wichtigsten klimaschädlichen Subventionen, er beschönigt zudem nach Auffassung des Umweltbundesamtes auch die Klimawirkung der gelisteten Subventionen.
    Der mit diesem Bericht erstmalig eingeführte Klimacheck der Subventionen erscheine als "weder systematisch noch auf wissenschaftlich fundierter und ausreichend dokumentierter Grundlage", urteilt die Behörde gegenüber "frontal".
    Das für den Bericht zuständige Finanzministerium teilt auf Anfrage mit, die Prüfung sei auf Basis der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie (DNS) erfolgt. "Zurückgegriffen wird dabei auf das in der DNS entwickelte Managementkonzept für eine nachhaltige Entwicklung", sagte ein Sprecher des Ministeriums dem ZDF.

    Expertenrat erwartet schnelles Handeln

    Tatsächlich drängt die Zeit beim Klimaschutz enorm. So mahnte der Expertenrat für Klimafragen erst kürzlich, es müssten alle verfügbaren Handlungsfelder zur Reduzierung unserer Treibhausgasemissionen berücksichtigt werden, und dazu zähle auch der Abbau klimaschädlicher Subventionen.
    Dafür brauche es jetzt schnell ein Konzept. "Dazu gehört ein konkreter Zeitplan für die Umsetzung und ein Monitoring zur regelmäßigen Prüfung von Subventionstatbeständen," sagte Brigitte Knopf vom Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung gegenüber frontal.

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