Nach Sondersitzung: Kann Habeck die Atom-Vorwürfe ausräumen?
Analyse
Minister vor Ausschuss zitiert:Kann Habeck die Atom-Vorwürfe ausräumen?
von Nils Metzger und Oliver Klein
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Haben führende Beamte den Wirtschaftsminister zum Atomausstieg falsch infomiert, um einen Streckbetrieb zu verhindern? Habeck weist die Vorwürfe zurück - doch Fragen bleiben offen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat nach Vorwürfen zu den Umständen des Atomausstiegs volle Transparenz zugesagt, ein Fehlverhalten aber von sich gewiesen. "Die Unterlagen erzählen eine andere Geschichte, als es kolportiert wurde", sagte der Politiker der Grünen am Rande einer Sondersitzung des Energie-Ausschusses im Bundestag.
Auslöser der Sondersitzung war ein Bericht des Magazins "Cicero". Ein zentraler Vorwurf: Bestimmte Einschätzungen der zuständigen Fachabteilungen im Wirtschafts- und Umweltministerium, in denen sie Argumenten für einen Streckbetrieb der drei Kernkraftwerke liefern, hätten nicht den Schreibtisch des Ministers erreicht.
Im Ausschuss sah sich Habeck hingegen ausreichend informiert:
Insofern ist also die Annahme, dass da eine Art Geheimwissen wäre, das mich nicht erreicht hätte, falsch.
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Robert Habeck, Wirtschaftsminister
Wirtschaftsminister Habeck und Umweltministerin Lemke haben sich heute zum Atomausstieg geäußert und wiesen Vorwürfe zurück, dass sie Bedenken von Experten zum frühzeitigen Ausstieg ignoriert hätten.26.04.2024 | 4:05 min
Nahmen leitende Beamte unzulässig Einfluss auf Bewertungen?
"Cicero" hatte zahlreiche interne Dokumente aus den beteiligten Ministerien ausgewertet und in der Folge scharfe Vorwürfe geäußert. Nur ein Teil der Dokumente ist aktuell öffentlich einsehbar, die Kommunikation und Entscheidungsprozesse rund um Habeck sind bislang also nur in Bruchstücken nachvollziehbar. Das Magazin erhebt den Vorwurf, Habeck sei in wesentlichen Punkten durch Papiere und Vermerke unterrichtet worden, auf die hochrangige Beamten wie sein damaliger Staatssekretär Patrick Graichen manipulativ Einfluss genommen hätten.
Mehrere vom "Cicero" veröffentlichte Papiere erwecken den Eindruck, Graichen und weitere Beamte auch aus dem Umweltministerium von Steffi Lemke (ebenfalls Grüne) könnten Einschätzungen ihrer Fachabteilungen durch persönliche Wertungen und Veränderungen gefärbt oder gar umgedeutet haben.
Dass Staatssekretäre parteipolitische Haltungen vertreten, ist zunächst nicht ungewöhnlich - auch darum werden sie nach einem Regierungswechsel häufig ausgetauscht, die Ämter nach Parteibuch vergeben oder Vertrauten zugeschanzt. Dass sie entlang politischer Überzeugungen Einfluss auf Papiere nehmen, ist zunächst kein Beleg für unzulässige Manipulation - sofern mögliche Anpassungen fachlich fundiert und inhaltlich nachvollziehbar sind.
Unter welchen Bedingungen wäre ein Weiterbetrieb möglich gewesen?
Die Diskussion dreht sich insbesondere um bestimmte Einschätzungen zur Reaktorsicherheit. Das Umweltministerium (BMVU) machte zwischenzeitlich mehrere Dokumente aus der fraglichen Zeit zugänglich, die auch ZDFheute vorliegen. Daraus geht hervor, dass das Ministerium prüfen ließ, ob und unter welchen Umständen ein Weiterbetrieb der letzten verbleibenden deutschen Kernkraftwerke machbar wäre.
In einem Papier vom 1. März 2022 wird sogar ein Szenario geprüft, bei dem die Anlagen über Jahre weiterbetrieben werden. Dafür müssten aber nicht nur frische Brennelemente beschafft, sondern auch die Sicherheit der Kraftwerke neu überprüft werden und das notwendige Personal zur Verfügung stehen, heißt es. Ob diese Probleme lösbar wären, bleibt im Vermekt zunächst offen. Kraftwerksbetreiber äußern sich einige Tage darauf ablehnend zu dieser Idee.
Allerdings: Schon am 3. März kommt ein weiterer Vermerk, den laut "Cicero" der zuständige BMVU-Abteilungsleiter verfasst hat, zu dem Schluss, dass jede Laufzeitverlängerung "sicherheitstechnisch nicht vertretbar" sei - plötzlich also eine deutlich andere Einschätzung. Wie der Mitarbeiter zu dieser pauschalen Schlussfolgerung kam, bleibt unklar. "Cicero" folgert daraus eine Manipulationsabsicht.
Vorbehalte bei Reaktorsicherheit konnten ausgeräumt werden
"Im Kern geht es hier um den Unterschied zwischen Interpretieren und Manipulieren", ordnet ZDF-Hauptstadtkorrespondent Karl Hinterleitner die Situation ein. Der zentrale Vorwurf lautet ja, Informationen seien so zurecht gebogen worden, dass sie ins Konzept des Atomausstiegs passen. Und in diesem Fall war die Einschätzung offenkundig falsch: Denn genau eine solche Laufzeitverlängerung - zumindest für drei Monate - hatte die Ampel nach langer Debatte ja letztendlich beschlossen, die Sicherheitsaspekte konnten also ausgeräumt werden.
Außerdem steht der bislang nur dünn belegte Vorwurf im Raum, dass Habeck bestimmte Dokumente und Argumente von Beamten gezielt vorenthalten wurden. Ein Dokument, worin der Streckbetrieb als mögliche Lösung gegen stark steigende Strompreise genannt wird, "lag in der Leitungsebene nur Staatssekretär Patrick Graichen vor", so das Wirtschaftsministerium gegenüber dem "Cicero".
Das Magazin mutmaßt, ob Graichen es bewusst habe "in der Schublade verschwinden lassen". Das könnte in Widerspruch stehen zu Habecks Zusicherung Ende Februar 2022, den Weiterbetrieb prüfen zu lassen, ohne eine Option "ideologisch abwehren" zu wollen. Aber ein handfesten Beleg für diese Deutung liegt bislang nicht vor.
Wie geht es jetzt politisch weiter?
Der klimapolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Olaf in der Beek, äußerte sich zufrieden über Habecks Erläuterungen. Es mache keinen Sinn, "über irgendwelche Rücktritte zu philosophieren", sagte der Abgeordnete nach der Sondersitzung. "Und ich möchte auch sagen, so wie der Minister es heute dargestellt hat, ist es völlig logisch, wie er entschieden hat." Habeck versicherte, dem Ausschuss alle Daten zur Verfügung zu stellen.
Beide Ministerien betonen unterdessen fortlaufend, den eigentlichen Atomausstieg hätten schon viele Jahre zuvor Union und FDP beschlossen. Zuletzt sei es nur noch um den Weiterbetrieb von drei Meilern um einige Monate gegangen. Die Union hofft dennoch, Habeck politischen Schaden zufügen zu können und fordert weiter Aufklärung, bringt sogar einen Untersuchungsausschuss ins Spiel.
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