Bilanz nach Abschaltung:Atomausstieg: Gespalten bis zum Schluss
von Jutta Sonnewald
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Nach gut 60 Jahren hat die Ampel-Regierung den Atomausstieg endgültig vollzogen. Für Kernkraft-Gegner Grund zum Jubeln. Kritiker fordern eine Rückkehr zur Atomkraft. Eine Bilanz.
Wohin mit dem hoch strahlenden Atommüll? Mark Hugo, ZDF-Umweltredaktion, im Gespräch.14.04.2023 | 6:17 min
Im April sind hierzulande die drei letzten Kernkraftwerke - Isar 2 in Bayern, Emsland in Niedersachsen und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg - vom Netz gegangen.
Laut Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme hatte die Kernenergie 2023 nur noch einen Anteil von 1,6 Prozent an der öffentlichen Nettostromerzeugung. Erneuerbare Energien decken mit einem Rekordanteil von 58,9 Prozent erstmals über die Hälfte des Stromverbrauchs in Deutschland ab.
In Deutschland ist erstmals mehr als die Hälfte des Stromverbrauchs durch erneuerbare Energien gedeckt worden. Das hat der Verband der Energie- und Wasserwirtschaft errechnet.18.12.2023 | 0:20 min
Ist nach dem Atom-Aus die Versorgungssicherheit gefährdet? Ganz eindeutig 'Nein', sagt Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur: "Andere Kapazitäten waren und sind immer noch verfügbar."
"Wir hätten uns auch selbst versorgen können. Es wäre nur teurer gewesen", so Müller.
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Deutschland hat laut Bundesnetzagentur im Rahmen des gemeinsamen EU-Strommarkts in den letzten Jahren mehr Strom exportiert als importiert, beispielsweise nach Frankreich, wo es aufgrund von Ausfällen zahlreicher Atomkraftwerke immer wieder zu Engpässen kam. Strom aus anderen Ländern werde aus den Nachbarländern nur dann importiert, wenn er dort billiger sei als der heimisch erzeugte Strom, bestätigt Julia Verlinden, Vizefraktionschefin der Grünen im Bundestag:
Für Julia Verlinden und die Grünen ist der Atomausstieg der entscheidende Wendepunkt weg von einer teuren, unflexiblen Hochrisikotechnologie hin zum Ausbau der Erneuerbaren.
Kritik an mangelnden Alternativen zu Atomstrom
Doch erneuerbarer Strom könne kaum gespeichert werden, kritisiert Handwerkspräsident Jörg Dittrich, der der Ampel-Koalition vorwirft, die Energiewende schlecht vorbereitet zu haben: "Immer mehr Energiequellen werden abgedreht, bevor Alternativen vorhanden sind - erst die Atomkraft, dann das Gas zum Heizen und so weiter."
Auch Greenpeace-Chef Martin Kaiser bemängelt: "Es ist der Ampel nicht gelungen, die notwendigen Maßnahmen zum Klimaschutz in einer Form auf den Weg zu bringen, die sicherstellt, dass die deutschen Klimaziele erreicht werden und gleichzeitig Planungssicherheit für Wirtschaft und Konsumenten schafft."
Söder fordert Atomkraft-Revival
Einst als Umweltminister im Freistaat glühender Verfechter des Atomausstiegs, fordert der CSU-Chef Markus Söder heute - zum Wohle des Klimas - ein Atomkraft-Revival:
Deutschland solle seinen Ausstieg aus der Kernkraft noch einmal überdenken, empfahl auch Petteri Taalas, Chef der Weltwetterorganisation, kürzlich auf der Weltklimakonferenz in Dubai, wo sich 22 Staaten entschieden haben, ihre Energieerzeugung aus Atomkraft zu verdreifachen.
"Atomkraft ist eine gute Technologie, um klimafreundliche Energie zu produzieren", so Taalas. Ohne Atomkraft den Kohleausstieg zu bewerkstelligen und trotzdem genügend bezahlbare Energie herzustellen, werde schwierig.
Zwei Wochen lang wurde auf der diesjährigen COP in Dubai über mögliche Maßnahmen gegen den Klimawandel diskutiert. Eine Einordnung.13.12.2023 | 7:36 min
So realistisch wäre es, die Kraftwerke wieder hochzufahren
Die abgeschalteten Kernkraftwerke wieder hochzufahren, sei technisch zwar grundsätzlich möglich, so Uwe Stoll von der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS), doch der Aufwand sei groß und teuer: Schätzungsweise würde das mindestens zwei Jahre dauern und je nach Anlage im niedrigen dreistelligen Millionenbereich liegen. Zudem müsste das Atomgesetz neu aufgemacht und geändert werden, welches derzeit die Wiederinbetriebnahme der Meiler verbietet.
Für RWE-Chef Markus Krebber steht das Atom-Revival nicht zur Debatte. Er baut gerade Deutschlands größten Stromkonzern um hin zu erneuerbaren Energien. Bis 2030, dem Jahr, in dem auch für die Braunkohle Schluss sein soll, will RWE etwa 55 Milliarden Euro in Ökostrom und wasserstofffähige Gaskraftwerke investieren - in Deutschland, aber auch in anderen internationalen Märkten. Das Kapitel Atomkraft sei endgültig abgeschlossen, so Krebber, nun müsse man den Blick nach vorne richten.