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Partei im Krisenmodus:Grüne Jugend: Vorstand tritt aus Partei aus
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Bei den Grünen kracht es richtig: Nach dem Rücktritt des Parteivorstands kündigt auch der Vorstand der Grünen Jugend den Rücktritt an - und zugleich den Austritt aus der Partei.
Die Co-Chefin der Grünen Jugend, Katharina Stolla.
Quelle: dpa
Der Vorstand der Grünen Jugend will nicht wieder kandidieren und hat angekündigt, geschlossen aus der Partei auszutreten. Das geht aus einem internen Brief an die Partei- und Fraktionsführung hervor, den alle zehn Vorstandsmitglieder der Nachwuchsorganisation unterzeichnet haben.
Die Entscheidung zum Parteiaustritt sei bereits "in den letzten Wochen" getroffen worden, also noch vor dem Rücktritt des Parteivorstands am Mittwoch, schrieben die Bundessprecherinnen Svenja Appuhn und Katharina Stolla weiter. Ihr Brief ist an die scheidenden Parteivorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour sowie die Vorsitzenden der Bundestagsfraktion, Katharina Dröge und Britta Haßelmann, gerichtet.
"Vorstellungen gehen immer weiter auseinander"
"Wir merken, dass unsere inhaltlichen, aber auch strategischen Vorstellungen von Politik immer weiter auseinander gehen - und glauben, dass es mittelfristig keine Mehrheiten in der Partei für eine klassenorientierte Politik gibt, die soziale Fragen in den Mittelpunkt rückt und Perspektiven für ein grundsätzlich anderes Wirtschaftssystem aufzeigt", heißt es in dem Schreiben, das mehreren Medien vorliegt.
- Neue Gesichter reichen nicht - Kommentar zum Rücktritt der Grünen-Spitze
- Was der Grünen-Rücktritt mit der Ampel macht
Der Vorstand werde seine Amtsgeschäfte bis zum Bundeskongress der Grünen Jugend vom 18. bis 20. Oktober in Leipzig gewissenhaft zu Ende führen, die Wahl des neuen Bundesvorstands ermöglichen und danach auch aus der Grünen Jugend austreten.
Gründung eines neuen Jugendverbands angekündigt
"Wir werden uns danach aufmachen, einen neuen, dezidiert linken Jugendverband zu gründen", so die zehn Vorstandsmitglieder. Dauerhaft sei nicht möglich, gleichzeitig Teil einer Partei zu sein und für eine grundsätzlich andere Politik zu werben, als die eigene Partei umsetzt, schreibt der Vorstand an die Parteispitze.
Jamila Schäfer, Ex-Bundessprecherin der Grünen Jugend, bedauert den Schritt auf X:
X-Post von Jamila Schäfer
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Die Entscheidung der Grünen Jugend zeige, "wie tief die Unzufriedenheit" mit der Richtung der Ampel und damit "eben auch der grünen Minister" sitze, sagt Parteienforscher Thorsten Faas im heute journal update. Man wisse offenkundig als Partei nicht, wo man hinwolle.
Am Vormittag hatte der komplette Bundesvorstand der Partei mit den Co-Vorsitzenden Omid Nouripour und Ricarda Lang an der Spitze seinen Rücktritt für Mitte November angekündigt. Dann soll auf dem Bundesparteitag der Grünen ein neuer Vorstand gewählt werden, der die Grünen in den Bundestagswahlkampf begleiten soll.
Politologe Faas: Sehr drastischer Schritt
Politologe Faas bezeichnete das im ZDF-Interview als einen "sehr, sehr drastischen und sehr, sehr überraschenden Schritt", den niemand erwartet habe. Das betreffe auch Vize-Kanzler Robert Habeck. Dieser hatte im Interview mit dem ZDF heute journal beteuert, wie gut er mit Lang und Nouripour zusammengearbeitet habe. Deren Rücktritt bezeichnete Habeck als "Geschenk" an die Partei und als "Chance" für einen Neuanfang.
"Es ist wirklich unklar, auch aus Sicht der Grünen intern, was genau das Problem ist", sagte Faas mit Blick auf das Habeck-Interview.
Dann ist das Naheliegendste natürlich, erstmal die Parteiführung auszuwechseln.
Politologe Thorsten Faas
Regierungspositionen auszutauschen, sei eben offenkundig doch viel schwieriger, betonte Faas mit Verweis auf das Gespräch. Dass das grüne Kernthema Klimaschutz nicht mehr unbedingt verfange, schiebt der Wissenschaftler auf drei Faktoren.
Faas: Erwartungen junger Menschen enttäuscht
"Das Erste ist, dass die Themen einfach nicht mehr so wichtig sind, wir sprechen einfach über andere Dinge." Zudem gebe es inzwischen auch explizite Gegenpositionen gegen die Vorschläge der Grünen. Als Drittes habe man die Erwartungen vieler junger Menschen an eine grüne Regierungsbeteiligung nicht wirklich - "zumindest in der Wahrnehmung dieser Menschen" einlösen können. Der Schritt des Bundesvorstandes und eben auch der Grünen Jugend zeige, wie groß die Unsicherheit sei.
Quelle: ZDF, AFP, dpa
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