Lang und Nouripour gehen:Was der Grünen-Rücktritt mit der Ampel macht
von Kristina Hofmann
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Die Grünen ziehen die Reißleine. Was das nun für die Bundesregierung heißt? Nichts, heißt es in der SPD und bei der FDP. Doch das Ruhe-Mantra klingt bemüht. Es geht ums Überleben.
Die Grünenspitze um die Vorsitzenden Lang und Nouripour haben ihren Rücktritt angekündigt. Sie ziehen hiermit die Konsequenzen aus zuletzt sieben Wahlniederlagen in Folge.25.09.2024 | 3:13 min
Regierungssprecher Steffen Hebestreit schaut ernst, verzieht keine Miene. Den Rücktritt der Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour "bedauert" der Bundeskanzler, sagt er am Mittwoch. In der Demokratie gehörten Wechsel, auch in Parteien, dazu.
Außerdem, so Hebestreit, seien Lang und Nouripour ja bis Mitte November im Amt. Es gebe keine "Lücke", kein Machtvakuum. Alles ein "normaler demokratischer Prozess, den wir zur Kenntnis nehmen".
Ähnlich klingt es in der SPD-Fraktion, der Machtbasis des Kanzlers im Bundestag: "Wir sind im Arbeitsmodus, nach wie vor", sagt die Parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion, Katja Mast. Es gehe um eine "Neusortierung innerhalb der Grünen-Partei" und "nicht innerhalb der Regierung und der Grünen-Fraktion".
Die Lage von SPD und FDP ist jedoch nicht viel besser als die der Grünen.
Wie wirkt sich der Rücktritt der Grünen-Spitze auf die Ampel aus und wer kommt als Nachfolger in Frage? Mehr dazu von ZDF-Korrespondentin Diana Zimmermann.25.09.2024 | 1:53 min
Wahl-Abgründe der FDP noch viel tiefer
Nouripour und Lang hatten ihren Rücktritt auch damit begründet, dass es "einen Neustart" brauche, die Geschicke der Partei müssten "in neue Hände", um sich für die Bundestagswahl in gut einem Jahr aufzustellen. Auch Teile der SPD hadern damit, ob Olaf Scholz der richtige Kanzlerkandidat ist.
Der Wahlsieg in Brandenburg hat der SPD zwar ein bisschen Luft verschafft. Die Umfrage für eine mögliche Bundestagswahl liegen derzeit jedoch etwa zehn Prozent unter dem Ergebnis von vor drei Jahren. Kanzler bleibt man damit vermutlich nicht.
Der Rücktritt der Grünen-Spitze sei ein "sehr drastischer Schritt", so Thorsten Faas. Eine Lösung für die Krise der Partei sei jedoch "alles andere als klar", sagt der Politologe.26.09.2024 | 4:33 min
Die Grünen haben die Reißleine jetzt gezogen, weil alle drei Landtagswahlen in diesem Jahr verloren gingen, nur in Sachsen blieben sie gerade so im Landtag mit 5,1 Prozent. Desaströser das Ergebnis in Thüringen und Brandenburg: 3,2 Prozent und 4,1 Prozent. In Brandenburg und Sachsen waren sie vorher in der Regierung.
"Die Ampel hat keinen Wert an sich", so Konstantin Kuhle, stv. Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion. "Diese Koalition muss dazu beitragen, dass es diesem Land besser geht“.23.09.2024 | 4:33 min
Doch beim Ampel-Partner FDP sind die Abgründe noch viel tiefer. Ihre Bilanz nach drei Wahlen: 0,9, 1,1 und 0,8 Prozent. Welche Dynamik sich auch in der FDP ergeben könnte, scheint einigen nach dem Rücktritt sofort klar zu sein. Nur wenige Minuten nach der Bekanntgabe der Rücktritte der Parteispitze twitterte Marie-Agnes Strack-Zimmermann auf X: Dies sei ein "innerparteilicher Prozess der Grünen".
Das "öffentliche Geblubber und Geraune", so Strack-Zimmermann, müsse jetzt aufhören. Interessant: Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki, der seit Wochen den Austritt der FDP aus der Ampel fordert, sagt in diesen Tagen nichts. Weder bei X noch in Interviews.
Lindner: "Wir sind gespannt"
Strack-Zimmermann gehört zum Präsidium der FDP. Das hatte sich am Montag hinter den Kurs von Parteichef Christian Lindner gestellt. Auf X bleibt er bei seiner Linie zwischen Druck und Erwartung: "Wir sind gespannt, ob unter neuer Führung ein neuer Kurs entsteht und welche Auswirkungen er auf die Regierung hat. Wir müssen zur Sacharbeit kommen. Das Land hat keine Zeit zu verlieren."
Der "Herbst der Entscheidungen", den Lindner am Montag ausgerufen hatte, gilt für die Ampel-Partner, aber offenbar nicht für seine FDP. Lindner setzte den anderen ein Ultimatum bis 21. Dezember, um bei den Themen Migration, Wirtschaftsförderung und Haushalt zu neuen Beschlüssen zu kommen. Mit dem Ende der Regierung drohe er trotzdem nicht, sagte er: "Das tue ich nicht."
Der Rücktritt des Parteivorstandes biete eine Chance für einen Neuanfang, so Habeck. Auch er trage Verantwortung, aber von einem Regierungsamt trete man nicht einfach zurück.25.09.2024 | 7:22 min
Käme jetzt auch ungelegen: Die FDP kommt derzeit in den Umfragen zur Bundestagswahl noch nicht einmal auf vier Prozent. Bei der nächsten Wahl in Hamburg würde sie aus heutiger Sicht ebenfalls an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Dort sind jüngst die Spitzenkandidatin und zwei weitere Mitglieder des Landesvorstandes zur CDU übergelaufen.
Alle Ampel-Parteien setzen auf Zeit
Alle Ampel-Parteien setzen auf Zeit. Die Grünen, um sich neu aufzustellen. Die SPD, um aus dem Umfragetief rauszukommen. Die FDP, um zu überleben. Und alle drei: von jedem ein bisschen etwas. Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte von Universität Duisburg-Essen sagt im ZDF: Der Wechsel bei den Grünen sei "ein Akt beim Countdown dieser Bundesregierung". Sie sei mehr als angezählt.
Bis November, bis zur Wahl eines neuen Bundesvorstandes tue sich bei den Grünen nicht viel, ein Ampel-Partner sei im "Entscheidungsvakuum". Und damit die ganze Regierung in einem "Verantwortungsvakuum“.
Paukenschlag bei den Grünen: Der gesamte Parteivorstand um Ricarda Lang und Omid Nouripour tritt zurück. "Es ist eine Dynamik, die man als Schlussfolgerung aus Wahlniederlagen zieht", so Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte.25.09.2024 | 4:03 min
Kein Wunder, dass vor allem die Opposition an diesem Mittwoch nach Neuwahlen ruft: die Union, die AfD, das BSW. Sie könnten wie bei den jüngsten Landtagswahlen mit erheblichen Gewinnen rechnen.
Doch so schnell bricht eine Bundesregierung eben nicht auseinander. Korte glaubt: Die Ampel ist sogar "zu schwach, um auseinanderzugehen". Vielleicht sei es sogar "hilfreich, eine längere Zeit für diese Bundesregierung zu haben". Denn nur sie garantiere derzeit eine "eine Mitte-Orientierung".