US-Drohnenangriffe: Trägt Deutschland Mitverantwortung?
FAQ
Bundesverfassungsgericht:Drohnenangriffe: Deutsche Mitverantwortung?
von Wilhelm Terporten und Emily Weisenbach
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Zwei Jemeniten klagen: Verwandte wurden bei einem US-Drohneneinsatz getötet. Muss Deutschland Zivilisten im Ausland schützen? Das verhandelte jetzt das Bundesverfassungsgericht.
Das Bundesverfassungsgericht prüft eine Klage jemenitischer Staatsbürger wegen US-Drohneneinsätzen
Quelle: dpa
August 2012 in Khashamir, Jemen: US-amerikanische Drohnen töten einen Imam und einen jungen Polizisten bei einem Treffen mit Al Qaida-Mitgliedern. Der Imam hatte sich zuvor kritisch über Al-Quaida geäußert, das Treffen sollte offenbar eine Aussprache werden. Die beiden gelangten also zufällig in das Raketenfeuer. Der Drohneneinsatz wurde ermöglicht durch eine Satellitenstation auf dem Militärflugplatz der USA in Ramstein, Rheinland-Pfalz.
Zwei Angehörige der bei dem Angriff Getöteten klagen nun vor dem Bundesverfassungsgericht - aus Furcht vor weiteren Angriffen: Deutschland müsse auch im Ausland vor US-amerikanischen Drohnen schützen, wenn diese über die Air Base Ramstein ermöglicht werden.
Was genau ist die Aufgabe der Air Base?
Die US-Streitkräfte nutzen die Air Base Ramstein, um in den USA gesammelte Daten per Funk an die Drohnen im jeweiligen Einsatzgebiet weiterzuleiten. Dadurch können die Drohnenpiloten Personenbewegungen in Echtzeit verfolgen und die Drohnen präzise aus den USA steuern. Solche Angriffe erfolgen nicht nur im Jemen, sondern etwa auch in Afghanistan oder Somalia.
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Eine direkte Datenweiterleitung aus den USA in die afrikanischen und arabischen Einsatzgebiete ist aufgrund der Erdkrümmung nicht möglich, sodass eine europäische Satellitenstation notwendig ist. Außerdem soll Ramstein mehr und mehr zur Auswertung und Analyse von Daten dienen.
Was werfen die Kläger dem Bund vor?
Und genau gegen den Einsatz dieser Satellitenstation gehen die Kläger vor. Die Drohneneinsätze der USA seien völkerrechtswidrig, die Duldung dieser Einsätze unter Beteiligung von Infrastruktur auf deutschem Boden damit unvereinbar mit deutschem Recht.
Denn aus der Verfassung leite sich eine Pflicht für Deutschland ab, Menschen vor tödlichen Drohneneinsätzen zu schützen. Diese Schutzpflicht gelte auch für Menschen, die sich im Ausland befinden, so die jemenitischen Beschwerdeführer.
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Wie argumentiert die Bundesregierung?
Die Beschwerde richtet sich gegen die deutsche Bundesregierung. Die aber beteuert, sie halte sich an alle Verpflichtungen. Auf ZDF-Anfrage erklärt eine Sprecherin:
Die Bundesregierung hat [...] wiederholt die Versicherung eingeholt, dass Einsätze von unbemannten Luftfahrzeugen von Deutschland aus in keiner Weise gestartet, gesteuert oder befehligt werden und dass die US-Streitkräfte bei ihren Aktivitäten geltendes Recht einhalten.
„
Sprecherin der Bundesregierung
In der mündlichen Verhandlung führte die Regierungsseite weiter aus, dass im konkreten Fall eine darüber hinaus gehende Schutz- und Einwirkungspflicht nicht bestehe. Eine solche würde die Kooperation mit Bündnispartnern, wie den USA, zu sehr belasten.
Was muss das Bundesverfassungsgericht nun klären?
Für die Richter und Richterinnen des 2. Senats gilt es nun zu klären, ob die Drohneneinsätze der USA das humanitäre Völkerrecht verletzen. Wenn dies der Fall sein sollte, stellt sich für das Gericht die Folgefrage, ob der deutsche Staat Zivilisten im Ausland schützen muss.
Im Jahr 2020 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass eine solche Schutzpflicht im Ausland nur bestehe, wenn "der deutsche Staat handelt". Konkret könnte das heißen, dass die Drohnen tatsächlich aus Deutschland gestartet, gesteuert oder befehligt werden müssen, um Deutschland in die Pflicht zu nehmen. Das ist aber nach Angaben der Bundesregierung nicht der Fall.
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Die Rechtsfragen sind auch politisch sensibel, denkt man an den möglichen Inhalt solcher Schutzpflichten. Denn zu strenge Forderungen könnten die ohnehin angespannten diplomatischen Beziehungen zu den USA gefährden. Die Richterinnen und Richter stehen daher vor der Aufgabe, das Spannungsfeld zwischen der Auferlegung einer Schutzpflicht und dem diplomatischen Spielraum der Bundesregierung in ein Gleichgewicht zu bringen.
In Karlsruhe diskutierten die Beteiligten an diesem Dienstag unter anderem darüber, inwieweit der Bundesregierung ein Einschätzungsspielraum zukomme, weil sich vielfach gar nicht aufklären lasse, was im Einzelnen vor Ort, etwa im Jemen passiert.
Wie haben Gerichte bislang geurteilt?
Die Klage der Jemeniten hat schon mehrere Gerichte beschäftigt. Das Bundesverwaltungsgericht war der Auffassung, dass die diplomatischen Bemühungen der Bundesrepublik ausreichen und keine weitergehende Verpflichtung bestehe. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hatte das noch anders gesehen. Dass das Bundesverfassungsgericht nun eine mündliche Verhandlung angeordnet hat, unterstreicht die unklare Rechtslage.
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Im Rahmen US-amerikanischer Drohnenangriffe kam es in der Vergangenheit immer wieder zu zivilen Todesopfern. Erst im Jahr 2021 tötete eine US-Drohne im afghanischen Kabul zwanzig unschuldige Zivilisten. Die Hoffnung der Beschwerdeführer: anderen Familien den Schicksalsschlag zu ersparen, den sie erleiden mussten. Mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist Mitte nächsten Jahres zu rechnen.
Wilhelm Terporten und Emily Weisenbach, Redaktion Recht und Justiz
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