Soli: Warum Karlsruhe über die Abgabe verhandeln muss
FAQ
Bundesverfassungsgericht:Fällt der Soli bald für alle ganz weg?
von Samuel Kirsch
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34 Jahre nach der Wiedervereinigung zahlen einige weiter den Solidaritätszuschlag. Sollte das Bundesverfassungsgericht das für verfassungswidrig halten, droht ein Haushaltsloch.
Der Solidaritätszuschlag wurde für die Kosten der Wiedervereinigung eingeführt. Die FDP meint, heute sei er verfassungswidrig. Sollte das BVerfG zustimmen, drohen Rückzahlungen.12.11.2024 | 2:35 min
Heute Morgen dürfte Christian Lindner (FDP) zum ersten Mal froh sein, nicht mehr als Finanzminister aufzuwachen. Denn heute geht es vor dem Bundesverfassungsgericht um den von ihm ungeliebten Solidaritätszuschlag.
Als Bundesfinanzminister wäre er qua Amt dazu verdonnert gewesen, diese Sonderabgabe zumindest halbherzig vor Gericht verteidigen zu lassen - und hätte sich zudem große Sorgen machen müssen, wie nach einem Urteil im aus Sicht des Bundeshaushalts schlimmsten Fall Soli-Rückzahlungen in Milliardenhöhe hätten geleistet werden können. Nun, da Lindner wieder Oppositionspolitiker ist, kann er seinen Kollegen der FDP, die in Karlsruhe gegen den Soli geklagt haben, beherzt die Daumen drücken.
So entwickelte sich der Solidaritätszuschlag seit 199511.11.2024 | 1:02 min
Wichtige Fragen und Antworten zum Soli:
Ist der Soli noch rechtens?
Genau das ist umstritten und soll nun vom Bundesverfassungsgericht final geklärt werden. Der Soli ist keine normale Steuer, sondern eine so genannte Ergänzungsabgabe. Er fließt in den Bundeshaushalt - anders als etwa die Einkommenssteuer, von der auch die Bundesländer profitieren. Solche Ergänzungsabgaben darf der Bund erheben, um einen besonderen Finanzbedarf zu decken.
Mit einem vorläufigen Haushalt seien neue Ausgaben schwierig. Bis sich eine neue Bundesregierung einigt, könne viel Zeit vergehen, so Valerie Haller aus Frankfurt08.11.2024 | 1:10 min
Der besondere Finanzbedarf, für den der Soli einst bestimmt war, entstand durch die Deutsche Einheit ab 1990. Der "Aufbau Ost", der gleiche Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland schaffen sollte, wurde mit zwei "Solidarpakten" organisiert.
Zum 31. Dezember 2019 lief der "Solidarpakt II" aus. Damit endeten die Zahlungen an die neuen Bundesländer. Seitdem findet ein Finanzausgleich zwischen sämtlichen Bundesländern - nicht mehr spezifisch von West nach Ost - statt.
Die Deutsche Einheit - für viele Grund zur Freude. Doch der Start in das vereinte Land hieß damals auch ein Umbruch für viele Ostdeutsche. Daran ist beim Festakt erinnert worden.03.10.2024 | 2:46 min
Ob die Wiedervereinigung gleichwohl auch heute noch Kosten verursacht und ob das überhaupt nötig ist oder der Soli auch mit anderen Großausgaben-Feldern wie der Unterstützung für die Ukraine begründet werden kann, ist juristisch umstritten.
Was haben andere Gerichte entschieden?
Die sechs FDP-Politikerinnen und -Politiker, die Verfassungsbeschwerde gegen den Soli erhoben haben, argumentieren, dass der Bund ab 2020 nach Auslaufen des Solidarpakts keine Kompetenz mehr hatte, den Soli weiter zu erheben. Anders sah es der Bundesfinanzhof in einem anderen, aber ähnlichen Verfahren 2023. Deutschlands höchstes Finanzgericht argumentierte, dass die Wiedervereinigung durchaus auch heute noch Zusatzkosten verursache, etwa im Bereich der Rentenversicherung.
Der Bundesfinanzhof hat 2023 die Rechtmäßigkeit des Solidaritätszuschlages bei der Einkommen- und Körperschaftssteuer bestätigt. Der Zuschlag sei noch vom Grundgesetz gedeckt, urteilte das höchste deutsche Steuergericht in München.30.01.2023 | 1:30 min
Die Fragen, wie lange der Soli in Zukunft noch erhoben werden darf, ob er für andere Finanzierungsziele wie etwa die Ukraine-Hilfe, die den Bund viel Geld kostet, umgewidmet werden könnte oder überhaupt einem bestimmten Zweck gewidmet sein muss, ließ der Bundesfinanzhof offen. Das Bundesverfassungsgericht könnte sie in einem Urteil beantworten.
Durfte der Soli auf Gutverdiener beschränkt werden?
Darin liegt der zweite große Kritikpunkt der Soli-Gegner. Seit 2021 ist der größte Teil der Steuerzahler vom Soli befreit. Lediglich Personen mit hohen Einkommen sowie Unternehmen zahlen die Abgabe noch. Außerdem wird der Soli auf so genannte Kapitalerträge fällig, also zum Beispiel Zinsen für Sparguthaben auf der Bank oder Dividenden für Aktieninhaber.
Am 30. Oktober ist Weltspartag. Und im Sparen sind die Deutschen ziemlich weit vorn. Rund 11 Euro legt jeder Bundesbürger im Schnitt von 100 eingenommenen Euro zur Seite. Warum die Deutschen so ticken, weiß Hermann-Josef Tenhagen („Finanztip“)30.10.2024 | 4:41 min
Die Beschwerdeführer bemängeln vor dem Bundesverfassungsgericht, dass die Beschränkung des Soli auf Gutverdiener eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber dem großen Teil der vom Soli befreiten Steuerzahler darstelle.
Der Bundesfinanzhof hatte sich in seinem Urteil 2023 auch mit diesem Argument auseinandergesetzt, letztlich aber entschieden, dass der Gesetzgeber einen weiten Spielraum habe und es gerechtfertigt sei, die Sonderbelastung durch den Soli auf hohe Einkommen und Unternehmen zu beschränken.
Nach Prognosen des beim Bundesfinanzministerium angesiedelten Arbeitskreises Steuerschätzung liegen die Einnahmen aus dem Soli für das Jahr 2024 bei 12,25 Milliarden Euro. Für den umstrittenen Zeitraum von 2020 bis 2024 summieren sich die Einnahmen für den Bund auf rund 66 Milliarden Euro.
Sind Rückzahlungen möglich?
Sollte das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil zu dem Ergebnis gelangen, dass es zwischenzeitlich (frühestens seit 2020) an einer Grundlage für den Soli fehlt, könnte es das Gesetz, auf dem die Erhebung des Solidaritätszuschlags beruht, für nichtig erklären. In diesem Fall entstünde ein Milliarden-Loch im Bundeshaushalt. Denkbar ist aber auch, dass das Gericht die Erhebung des Solis überhaupt nicht oder aber nur für die Zukunft stoppt.
Bund, Länder und Kommunen müssen laut Steuerschätzung im Jahr 2025 mit 12,7 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen auskommen als noch im Frühjahr angenommen. Die CDU macht dafür auch die "chaotische Wirtschaftspolitik" der Ampel verantwortlich.25.10.2024 | 1:54 min
Wann kommt eine Entscheidung?
Jedenfalls nicht am heutigen Dienstag, denn heute findet zunächst die mündliche Verhandlung in Karlsruhe statt. Üblicherweise vergehen zwischen Verhandlung und späterer Urteilsverkündung einige Monate. Ob das Gericht im Falle der Soli-Entscheidung einen zügigeren Zeitplan hat, lässt sich nicht absehen.
Samuel Kirsch ist Redakteur in der ZDF-Redaktion Recht & Justiz
Quelle: ZDF
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