Bundesverfassungsgericht urteilt:War die Strompreisbremse rechtmäßig?
von Christoph Schneider
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Durch den Krieg in der Ukraine stiegen die Energiepreise - die Ampel entlastete mit der Strompreisbremse. Durften dazu Gewinne von alternativen Stromanbietern abgeschöpft werden?
22 Betreiber von Anlagen für Sonnenenergie, Windkraft und Biomasse klagen gegen die Bundesregierung. Sie halten die Strompreisbremse für verfassungswidrig.
Quelle: dpa
24. Februar 2022 - der Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine. Russland war zu diesem Zeitpunkt einer der Hauptenergielieferanten Deutschlands. Schnell war man sich in der Bundesregierung einig: Man muss unabhängig von russischen Lieferungen werden. Doch das bedeutete zweierlei: Zum einen schnell andere Energielieferanten finden und zum anderen Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen von den explodierenden Energiepreisen zu entlasten.
So wurde die Strompreisbremse geschaffen. Das bedeutete, dass ein Teil des Stromverbrauchs zu einem festgelegten niedrigeren Preis angeboten wurde. Für Privathaushalte und kleinere Unternehmen wurde für 80 Prozent des Jahresverbrauchs der Kilowattstundenpreis auf 40 Cent gedeckelt.
Für Industriekunden wurde für 70 Prozent des Verbrauchs der Preis auf 13 Cent inklusive Steuern, Umlagen und Abgaben festgelegt. Längst sind die Preise wieder gefallen. Die Strompreisbremse galt ab Dezember 2022 für ein gutes Jahr.
Im Winter 2022 hatte der Bundestag die Preisbremsen für Strom und Gas auf den Weg gebracht.15.12.2022 | 1:36 min
Gewinne am Strommarkt abgeschöpft
Als die Strompreisbremse galt, sprang der Staat für die Kosten oberhalb der Preisbremse ein. Aber auch Energieunternehmen wurden zur Mitfinanzierung verpflichtet - ein Teil der Gewinne am Strommarkt wurde zwischen Dezember 2022 und Ende Juni 2023 abgeschöpft.
Mit dieser Abschöpfung zielte die Bundesregierung auf Zufallsgewinne oder Überschusserlöse, die einst deutlich über den erwartbaren Gewinnen der Unternehmen lagen. Diese bestimmten sich auch nach dem sogenannten Merit-Order-Prinzip, heißt "Einsatzreihenfolge".
Das bedeutet: Der Preis wird bestimmt durch das am teuersten produzierende Kraftwerk, das für die Stromerzeugung gebraucht wird. Konkret: In der Energiekrise waren die Gaskraftwerke die teuersten Erzeuger, während Strom aus erneuerbaren Energien deutlich billiger hergestellt werden konnte.
Auf der Industriekonferenz hat Wirtschaftsminister Habeck für Entlastungen bei den Stromkosten für Unternehmen geworben. Diana Zimmermann und Valerie Haller berichten. 26.11.2024 | 2:00 min
Kläger: Strompreisbremse in der Form verfassungswidrig
Diese Abschöpfung kritisieren 22 Betreiber von Anlagen für Sonnenenergie, Windkraft und Biomasse, die beim Bundesverfassungsgericht geklagt haben. Verfassungswidrig, sagten die Kläger in der mündlichen Verhandlung im September. Und Tanja Schumann, die Geschäftsführerin des klagenden Energieunternehmens LichtBlick sagt:
Nicht die Stromerzeuger seien für die Entlastung der Stromkunden zuständig, sondern allein der Staat habe die Bewältigung der Energiekrise zu schultern - folglich seien allein Steuermittel zur Finanzierung heranzuziehen, so die Kläger.
Die Ökostrom-Branche warnte im Winter 2022 vor negativen Folgen im Zusammenhang mit der geplanten Strompreisbremse für den Ausbau erneuerbarer Energien.15.12.2022 | 2:28 min
Regierungsvertreter: Abschöpfung gerechtfertigt
Dagegen argumentiert die verklagte Bundesregierung, dass man auf eine Ausnahmesituation reagiert habe. Durch die Abschöpfung sollten auch die Betreiber alternativer Energien ihren Beitrag zur Beruhigung am Strommarkt leisten. Man habe außerdem darauf geachtet, den Eingriff so gering wie möglich zu halten. Dazu Philipp Steinberg aus dem Bundeswirtschaftsministerium bei der mündlichen Verhandlung:
Strompreisbremse: Es geht um bis zu 800 Millionen Euro
In der mündlichen Verhandlung hörte der Erste Senat beide Seiten ausführlich an. Sollte das Gericht die Abschöpfung der Gewinne als verfassungswidrig einstufen, ist die Frage, ob dies nur für die Zukunft oder auch rückwirkend Konsequenzen hat. Falls rückwirkend, dann müssten abgeschöpfte Überschusserlöse zurückerstattet werden - es könnte um bis zu 800 Millionen Euro gehen.
Am Vormittag wird das mit Spannung erwartete Urteil des höchsten deutschen Gerichts verkündet.
Christoph Schneider ist Redakteur in der ZDF-Fachredaktion Recht & Justiz
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