Parteitag vor Landtagswahl:Die CSU ringt um ihr Selbstverständnis
von Alexander Poel
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CSU-Chef Söder steht nach Umfragen vor einem historisch schlechten Wahlergebnis. Viele in der Partei geben dafür nicht ihm, sondern Hubert Aiwanger die Schuld.
Einer kann nicht ohne den anderen: Hubert Aiwanger (links) und Markus Söder.
Quelle: picture alliance / Sammy Minkoff
Noch vor dem Ergebnis der Landtagswahl in Bayern ist für Markus Söder beim Parteitag eine andere Zahl entscheidend: Mit wieviel Prozent wird er im Amt des CSU-Vorsitzenden bestätigt? 87,6 waren es 2021. Angesichts der Lage, in der sich die CSU befindet, wäre das auch diesmal: ordentlich. Oder besser gesagt "ehrlich", wie es oft heißt.
Denn am 8. Oktober droht der CSU ein noch schlechteres Ergebnis, als bei der Landtagswahl 2018. Söder, der allein im Zentrum der Partei steht, der in nahezu jedem bayerischen Bierzelt um Stimmen ringt, müsste sich dann - soviel scheint sicher - unangenehmen Fragen stellen.
"Geschlossenheit" lautet daher der unausgesprochene Tagesbefehl. Diese zu organisieren sei "gar nicht so schwer" gewesen, heißt es aus Parteikreisen. Eine Feststellung, die zur Rolle Söders in der CSU passt: Die einen sehen in ihm einen Parteichef, der sein Fähnchen nach dem Wind hängt, sprunghaft ist. Seine Unterstützer argumentieren, Söder müsse auf die Schwächen der Bundesregierung reagieren und sie für die CSU nutzbar machen. Der Blick auf aktuelle Umfragen zeigt, dass das sogenannte Ampel-Bashing - bislang jedenfalls - kaum funktioniert.
CSU: An Umfragen ist Aiwanger Schuld
In der CSU erklären viele die schlechten Umfragen mit einem Mann: Hubert Aiwanger. Der Chef der Freien Wähler und Koalitionspartner der CSU profitiere, so heißt es, von einem "Anti-Establishment-Effekt".
Nach der Affäre um eine antisemitische Hetzschrift und der lauten Kritik am Umgang mit dieser Affäre, würden sich viele Menschen in Bayern mit dem Freie-Wähler-Chef solidariseren.
Ein Effekt, der sich für die CSU bemerkbar macht. Dass Markus Söder an seinem stellvertretenden Ministerpräsidenten festgehalten hat, finden die meisten in der CSU richtig, denn:
heißt es aus der Parteiführung.
Vom Partner zum Trauma
Der Umgang mit Hubert Aiwanger legt ein taktisches Problem der CSU offen. Die "Bayern-Koalition" aus CSU und Freien Wählern schien nach der Landtagswahl 2018 das "perfekte Match" zu sein. Eine originär "bayerische" Verbindung, die ein Höchstmaß an Abgrenzung zu einer wie auch immer gearteten Bundesregierung möglich macht. Umso wichtiger, als es nach 2021 in Berlin zur Bildung der Ampel-Koalition kam.
Nur: Söders Plan, die Freien Wähler an der Regierung kleinzuhalten, wie dies seinem Vorgänger Horst Seehofer mit der FDP gelang, ging nicht auf - im Gegenteil: "Wir haben es heute mit einer Partei zu tun, die sich klar rechts von der CSU positioniert - und stärker wird", sagt ein führendes Parteimitglied.
In Bayern wird bald ein neuer Landtag gewählt. Die Freien Wähler könnten trotz oder auch wegen des Skandals um Parteichef Hubert Aiwanger kräftig zulegen.13.09.2023 | 1:00 min
Die Folgen gehen für die CSU weit über Aiwangers Flugblatt-Affäre oder seinen Auftritt bei einer Demonstration in Erding hinaus. Der Chef der Freien Wähler legt die Axt an die strukturelle Mehrheitsfähigkeit der CSU. Deutlich wird das bei den Bauern. Sie zählten einst zum harten Kern der CSU-Wähler. Heute kehren viele der Partei den Rücken zu. "Wir glauben Euch kein Wort mehr", beschreibt ein CSU-ler aus Niederbayern, was er oftmals hört.
Die Geschichte dazu beginnt vor über drei Jahren mit einem Volksbegehren "Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern".
Volksbegehren gegen die Stammwähler
Unter dem Motto "Rettet die Bienen" erlangt es nationale Berühmtheit: Die Forderungen nach mehr ökologischer Landwirtschaft entpuppen sich für die noch junge Koalition aus CSU und Freien Wählern zum Sprengsatz. Die Menschen in Bayern unterschreiben zu Hunderttausenden. Die Landwirte: laufen Sturm dagegen.
Es ist die Zeit, in der Markus Söder Bäume umarmt, die CSU auch einer grünen Wählerschicht öffnen will. Er verfügt: Das Volksbegehren wird zur Gesetzesvorlage und überrumpelt damit nicht nur seine eigene Fraktion und den Koalitionspartner. Er bringt auch weite Teile der Landwirtschaft gegen sich auf - bis heute.
Die bayerische Staatsregierung nimmt den Gesetzentwurf aus dem Volksbegehren „Artenschutz“ an. Ministerpräsident Söder will so konservative Wähler zurückholen, die ihr Kreuz bei der letzten Wahl bei den Grünen gesetzt haben. Was sagt die CSU-Basis dazu?13.04.2019 | 3:49 min
Hubert Aiwanger, der sich mit dem Wort "Populist" wohl zutreffend beschrieben sieht, erkennt das Potential, das in Söders Entscheidung steckt. Er inszeniert sich und seine Freien Wähler als die wahren Interessensvertreter der Bauern.
Von den Landwirten, vom ländlichen Raum, ist es für Aiwanger kein weiter Weg zu den Handwerkern, zu all den "normalen Leuten", wie er sie nennt. Und damit auch zu denen, die sich durch die Beschlüsse der Ampelregierung irgendwie bedroht oder gegängelt fühlen.
Im Gegensatz zum CSU-Chef gelingt es Hubert Aiwanger, den Unmut über die Bundesregierung in Zustimmung umzumünzen.
Merz wird als schwach beschrieben
Söders harte Kritik an der Ampel-Koalition, die Forderung nach einem Weiterbetrieb der AKWs, all das nehmen viele als taktisch war. Auch wenn sie inhaltlich zustimmen, glauben sie nicht, dass eine wirkliche Überzeugung dahintersteht. Zu oft hat der CSU-Chef seinen Kurs in der Vergangenheit "korrigiert".
In der CSU sieht man das durchaus differenziert. Söder müsse - wie jetzt auch wieder in der Migrationspolitik - eine harte, konservative Linie fahren heißt es.
Der Grund könnte darin liegen, dass man von Friedrich Merz in dieser Hinsicht keine Hilfe erwartet. Den offenen Richtungsstreit in der CDU jedenfalls, konnte er bislang nicht beilegen.
Ist mehr Grenzschutz die Lösung, um dem wachsenden Migrationsdruck zu begegnen? Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, CSU, kündigt in seinem Wahlkampf mehr Grenzpolizisten an.21.09.2023 | 2:27 min
Am Ende wird Söder weiter regieren
Und Aiwanger, der ungeliebte Koalitionspartner? Die Festlegung auf eine Fortsetzung mit den Freien Wählern kam für viele in der CSU nicht überraschend, aber in dieser Deutlichkeit zu früh. Wer nach dem Warum fragt, bekommt die Antwort schnell: Nichts wäre für den CSU-Wahlkampf schlimmer als ein Hubert Aiwanger, der durch Bayern zieht und den Menschen erzählt: Wer Söder wählt, könnte Schwarz-Grün bekommen. Das galt es, von vornherein auszuschließen.
Und so zieht man mit Aiwanger und seinen Freien Wählern in die Landtagswahl. Am Ende wird die Bayern-Koalition das Land wohl weiterregieren. Ob die CSU davon profitiert oder weiteren Schaden nimmt, scheint heute völlig offen.
Alexander Poel ist Redakteur im ZDF-Landesstudio Bayern in München.
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